5. Fachtag Ethik: Was darf die Medizin?

Wien/Perchtoldsdorf (OTS) Der fünfte Fachtag Ethik fand am 30. Oktober 2020 in Wien als Hybrid-Veranstaltung statt. Die beiden wissenschaftlichen Leiter, OA Dr. Dietmar Weixler, MSc, Vorsitzender der AG Ethik der Österreichischen Palliativgesellschaft, und Prof. DDr. Ralf J. Jox, Leiter der Medizinethik und Professor für Geriatrische Palliative Care am Universitätsspital Lausanne, Schweiz, waren überrascht über das große Interesse und die intensive Teilnahme aus dem gesamten deutschsprachigen Raum trotz COVID-Krise. Organisiert wurde die Tagung von der convention.group, die für den COVID-sicheren Ablauf vor Ort und die Online-Durchführung verantwortlich zeichnete. Gearbeitet wurde zu den drei Themen: Palliative Psychiatrie – Künstliche Intelligenz in der Medizin – Zugang zu teuren Medikamenten. In allen Bereichen wurde die Erarbeitung ethischer Leitlinien gefordert. Ab Jänner 2021 steht ein neues E-Learning-Angebot unter www.conventiongroup.at zur Verfügung.

Palliative Psychiatrie – Grenze zu Tabuthema Tod wird verschoben

Es sei „eine Besonderheit der Psychiatrie“, dass „zur Abwehr von Lebens- oder Gesundheitsgefahren mitunter Schutzmaßnahmen ohne oder gegen den Willen einer Person erlaubt sind – auch Zwangsmaßnahmen“, erklärt Dr. Michael Halmich, Leiter des Forums Gesundheitsrecht, die besonders herausfordernde Situation einer palliativen Psychiatrie. So ist gerade der Tod in der Psychiatrie, in der es oft gilt, einen möglichen Suizid abzuwenden oder Zwangsmaßnahmen gegen den Willen des Patienten durchzuführen, ein meist noch stärkeres Tabuthema als in anderen Fachgebieten. Denn die Entscheidung für eine „Palliative Care“ bedeutet auch in der Psychiatrie eine Änderung oder ein Absetzen bisheriger Behandlungen und eine Verlagerung des Behandlungszieles hin zu einer möglichst hohen Lebens- und Sterbensqualität des Betroffenen.

Die Palliativpsychiatrie ist eine noch sehr junge Disziplin. „Umso dringender benötigen wir daher die Ausarbeitung von Leitlinien für eine Palliativpsychiatrie“, fordert Tagungsleiter Dietmar Weixler unisono mit den Vortragenden.

Darf Künstliche Intelligenz mit „Todesalgorithmus“ Entscheidungen treffen?

Die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) ging im medizinischen Bereich explosionsartig von statten. So sind KI-Systeme in der visuellen Diagnostik erfahrenen Medizinern heute mindestens ebenbürtig und oftmals überlegen. KI wird zunehmend für die Prognosestellung, die Therapieplanung, ja sogar die Behandlung selbst eingesetzt. Wo liegen ihre Grenzen? Was, wenn der Arzt anders entscheidet als die Maschine?

Auf der Tagung heiß diskutiert wurde der sogenannte „Todesalgorithmus“ – ein bereits in Anwendung befindlicher Algorithmus, der von Anand Avati von der Stanford University 2017 vorgestellt wurde. Im System ASPIRE Health, ANTHEM berechnet er etwa für Versicherungen günstigere Versorgungswege statt einer Maximalversorgung des Patienten.

Auch in diesem Bereich ertönt einhellig der laute Ruf nach einer konsensualen Klärung ethischer Richtlinien. „Es steht außer Frage, dass die KI Menschen in vielen Bereichen ‚outperformen‘ wird“, sagt Prof. DDr. Biller-Andorno, vom Institut für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte der Universität Zürich. „Um diesen neuen Möglichkeitsraum in der Medizin souverän und im Sinne einer guten Versorgung gestalten zu können, brauchen wir ethische Kriterien für KI-Anwendungen in der Medizin – vom Design über Entwicklung und Testung bis hin zum Routineeinsatz“, fordert Biller-Andorno.

Teure Medikamente: nur kleine Gruppe hat Zugang

Je tiefer und weiter sich die Wissenschaft in medizinischen Bereichen entwickelt, desto teurer wird die Herstellung mancher Arzneimittel. Alleine in der Krebsbehandlung sprechen die neuesten Zahlen für sich: Weltweit haben nur in neun Ländern wenigstens 50 Prozent der Bevölkerung Zugang zu den neuesten Krebsmedikamenten. Es sind dies die USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Canada, Japan und Australien. Österreich und die Schweiz sind nicht dabei.

Wie viele Studien einhellig feststellen, „korrelieren die Behandlungskosten der neuen Krebsmedika­mente nicht mit dem klinischen Nutzen“[1], oder anders ausgedrückt: „Es ist keine Verhältnismäßigkeit zu finden zwischen dem Nutzen für den Patienten und die Gesellschaft und dem Preis.“[2]

Leben retten – koste es was es wolle?

Dr. Stefan Dinges vom Institut für Ethik und Recht in der Medizin an der Universität Wien stimmte Gesundheitsökonom Dr. Ernest Pichlbauer zu, für den es klar sei, dass die „Allokation von solidarisch finanzierten Gesundheitsleistungen eine politische Herausforderung“ wäre, und daher einen „möglichst breiten und öffentlich ausgetragenen Diskurs zwischen Medizin und Pflege, Ökonomie, Recht und Ethik“ erfordere. Der Politik obliege die Aufgabe, Entscheidungen zu treffen, und dürfe keinesfalls den Eindruck erwecken, als ob es keine Ressourcenknappheit gebe. Denn damit wäre Gesundheit unendlich viel Wert, „was zu Folge haben muss, dass die Versorgung über kurz oder lang unendlich viel kosten wird“, so Pichlbauer.

Neues E-Learning-Angebot: demnächst verfügbar

Die convention.group startet demnächst mit einem neuen E-Learning-Programm. Ausgewählte Fachtage mit Approbation stehen dabei online zur Weiterbildung zur Verfügung. Der Ethik-Fachtag wird einer davon sein. Das gesamte E-Learning-Programm gibt es demnächst unter www.conventiongroup.at.


[1] Vokinger Kerstin N et al. Lancet Oncol 2020:21:664

[2] Vivot A. et al. Ann Oncology 8.2. 2017

Rückfragen & Kontakt:

Mag. Johannes Martschin, Martschin & Partner GmbH, Strategische Kommunikationsberatung, Döblergasse 4/Top 6, 1070 Wien, Tel.: 01/409 77 20, Mail: office@martschin.com

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