Aktuelle Stunde: NEOS wollen „Elite-Unis für alle“

Mitterlehner kündigt Reform der Hochschulfinanzierung und Zugangsbeschränkungen in Massenfächern an

Wien (PK) - Würde man die momentane Situation des Hochschulsektors in einem Roman beschreiben wollen, dann müsste man den Titel "Gefangen in der Durchschnittsfalle" wählen, erklärte heute die NEOS-Mandatarin Claudia Gamon im Parlament. Im Rahmen der Aktuellen Stunde zum Thema "Elite-Unis für alle durch faire Studienplatzfinanzierung" forderte sie im Sinne der Zukunft der jungen Generation eine budgetäre Priorisierung der Bereiche Bildung, Wissenschaft und Forschung, eine Reform des Stipendiensystems sowie die Einführung von "nachgelagerten Studiengebühren".

Bundesminister Reinhold Mitterlehner nahm die Gelegenheit zum Anlass, um sein bereits gestern in der Öffentlichkeit präsentiertes Modell der Studienplatzfinanzierung im Parlament ausführlich darzustellen. Vorgesehen ist u.a. eine Erhöhung des Budgets, das sich nunmehr in die drei Bereiche Infrastruktur, Forschung und Lehre gliedern soll, um 1,35 Mrd. € für die Periode 2019 bis 2021. Außerdem soll es verschiedene Möglichkeiten der Zugangsregulierung, wie etwa Motivationsschreiben oder Online-Selbsttests, sowie - unter bestimmten Voraussetzungen - Zugangsbeschränkungen geben. Dadurch erwartet sich der Minister eine bessere Betreuungsrelation zwischen Lehrenden und Studierenden, eine höhere Ausbildungsqualität, mehr Planungssicherheit sowie niedrigere Drop-out-Raten. Während die NEOS diesen Vorschlag unterstützten, pochten FPÖ und Grüne auf die Beibehaltung des freien und kostenlosen Hochschulzugangs.

Gamon will gerechteres System der Hochschulfinanzierung

Von einem kompletten Scheitern des Bildungs- und Hochschulsystems in Österreich sprach die NEOS-Abgeordnete Claudia Gamon. Gerade an den Unis herrschten katastrophale Rahmenbedingungen, die durch schlechte Betreuungsverhältnisse, überfüllte Hörsäle, eine langfristige Unterfinanzierung oder erschreckend hohe Drop-out-Raten gekennzeichnet seien. Da die soziale Selektion bereits in den Kindergärten beginne, müsse so früh wie möglich angesetzt und einheitliche Qualitätsstandards auf allen Ebenen gewährleistet werden. Bei der Bildung zu sparen, sei Zukunftsraub an der nächsten Generation, beklagte die Rednerin.

Gamon forderte daher die Bundesregierung auf, ein klares Bekenntnis zu Bildung, Wissenschaft und Forschung abzulegen. Dies müsse durch eine entsprechende budgetäre Prioritätensetzung zum Ausdruck kommen. Leider sei Österreich derzeit aber eine Republik der Geldverschwendung, des Bürokratismus, des Klientelismus und der Vergangenheitsbewältigung, was man alleine schon am Pensionsloch oder der Causa Hypo erkennen könne. Man sollte sich ihrer Ansicht nach ein Beispiel an der Schweiz nehmen, wo es einen schlanken Staat gebe und daher mehr Geld für die wichtigen Bereiche vorhanden sei. Dort stehen für halb so viel StudentInnen wie in Österreich doppelt so viele Mittel zur Verfügung, zeigte Gamon auf.

Die nun von Wissenschaftsminister Mitterlehner angekündigte Reform, die eine Studienplatzfinanzierung bringen soll, sei ein netter Vorschlag, meinte Gamon, der aber offensichtlich noch nicht mit der SPÖ akkordiert wurde. Außerdem funktioniere er nur dann, wenn der Zugang sinnvoll beschränkt werden könne. Gleichzeitig brauche es eine Reform des Studienbeihilfensystems, zumal die Zuerkennungsrate in den letzten Jahren von 25% auf 17% gesunken ist. Durch die Einführung von "nachgelagerten Studiengebühren" könnte man überdies den Universitäten einen finanziellen Freiraum verschaffen. "Wir glauben an Sie, Herr Minister", gab Gamon dem Vizekanzler mit auf den Weg, denn jeder junge Mensch in Österreich, der den Willen hat, soll auch die Möglichkeit haben, ein gutes Studium zu absolvieren und einen guten Abschluss zu machen.

Mitterlehner: Mehr Planungssicherheit für Unis und höhere Ausbildungsqualität

Gewachsene Systeme müsse man regelmäßig auf den Prüfstand stellen, um zu schauen, ob sie fit für die Zukunft sind, erklärte Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Dies gelte natürlich auch für die Universitäten. Auch wenn in den letzten Jahren viel gelungen ist, vor allem was die budgetäre Ausstattung, die Rankings oder die F&E-Quote (Prognose für 2017: 3,14%) betrifft, so gibt es noch Luft nach oben, räumte der Vizekanzler ein. Die Herausforderungen des heimischen Hochschulsystems bestehen u.a. darin, dass sich 60% der SchulabgängerInnen für 20 von insgesamt 160 möglichen Studienrichtungen entscheiden, dass in manchen Bereichen bis zu 70% das Studium wieder abbrechen und dass die Forschung vor allem in den Massenfächern zu kurz kommt. Die Praxis zeigt also, dass der freie Hochschulzugang nicht automatisch Qualität und Abschlüsse gewährleistet, hob Mitterlehner hervor.

Es soll daher ein neues System der Studienplatzfinanzierung auf die Beine gestellt werden, das sowohl mehr Geld für Personal (plus 500 Mio. €) als auch gewisse Zugangsbeschränkungen bei Fächern mit großem Andrang (z.B. Jus, Pädagogik und Fremdsprachen) vorsieht, kündigte er an. Bei den geplanten Regulierungsmaßnahmen handle es sich um keine Knock-out-Prüfungen, sondern um eine bewusstere Wahl des Studiums, wobei etwa Motivationsschreiben oder Selbsttests zur Anwendung kommen sollen. Grundsätzlich handle es sich um ein genau durchdachtes Konzept, das von der Universitätenkonferenz unterstützt und natürlich auch dem Koalitionspartner bekannt sei; über Details müsse man aber noch reden. Es bringt aber sicher mehr Qualität für die Forschung und die Lehre und stellt eine Riesenchance für Österreich dar, weil damit die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit erhöht werden können, war der Minister überzeugt.

SPÖ will noch begleitende soziale Maßnahmen und spürbare Erhöhung der Stipendien

Andrea Kuntzl (S) bezeichnete das gestern von Mitterlehner vorgelegte Konzept zur Neugestaltung der Universitätsfinanzierung als gute Verhandlungsgrundlage. Positiv zu bewerten sei natürlich, dass deutlich mehr Mittel ausgeschüttet (insgesamt plus 1,3 Mrd. €) und keine flächendeckenden Zugangsbeschränkungen eingeführt werden sollen. Ausgebaut werden soll hingegen die Unterstützung im Vorfeld, um eine bewusstere Studienwahl zu fördern, hob die Rednerin hervor. Da bei all den Überlegungen immer die Lebens- und Bildungschancen der jungen Menschen im Mittelpunkt stehen müssen, setzte sich Kuntzl für begleitende Maßnahmen zur besseren sozialen Durchmischung sowie für eine deutliche Aufstockung der Studienförderungen ein. Am Ende soll nämlich gewährleistet sein, dass es in Zukunft nicht weniger Studierende gibt, betonte auch Katharina Kucharowits. Sie plädierte zudem dafür, die VertreterInnen der Studierenden in die Verhandlungen einzubeziehen.

ÖVP: Sanfte Zugangsregelungen zum Vorteil aller Beteiligten

Der von den NEOS vertretenen Forderung nach Elite-Unis für alle, was schlicht ein Paradoxon sei, stellte Karlheinz Töchterle (V) sein Konzept der "breiten Spitze" entgegen. "Unser Bemühen muss es sein, möglichst gute Universitäten flächendeckend im ganzen Land zu haben." Was die finanzielle Ausstattung betrifft, so sei es nicht richtig, das die Budgets stagnieren, hielt er den NEOS entgegen. Österreich gehöre sogar in Bezug auf den Anteil der öffentlichen Ausgaben gemessen am BIP zu den Besten der Welt. Bei der nun zur Diskussion stehenden Teilfinanzierung über Studienplätze handle es sich um ein langjähriges Anliegen, das nun erfreulicherweise auch von Bundeskanzler Kern unterstützt werde. Seiner Meinung nach brauche es auch eine gewisse Form von Zugangsregelungen, die niemanden ausschließen, sondern primär eine Lenkung- und Steuerungsfunktion haben sollen. Dadurch könne man erreichen, dass die teilweise unzumutbaren Zustände für Lehrende und Studierende in Massenfächern ein Ende haben. Außerdem profitieren davon auch die sozial Schwächeren, da sie bessere Studienbedingungen vorfinden. All diese Punkte sprechen für eine Umstellung des Systems, weg vom Pauschalbudget und hin zu einer auf das Fach abgestimmten Studienplatzfinanzierung, urteilte Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer (V).

FPÖ bezeichnet Studieneingangshürden als den falschen Weg

FPÖ-Mandatar Andreas Karlsböck begrüßte die Mittelerhöhung um 1,35 Mrd. €, befürchtete aber, dass sich in Wirklichkeit dahinter neue Zugangshürden verstecken. Für die Freiheitlichen sei eine qualitativ hohe tertiäre Ausbildung grundsätzlich mit einem freien Hochschulzugang verbunden; dieser dürfe nicht "durch die Hintertüre gefährdet" werden. Was die hohe Anzahl an nicht-österreichischen StudentInnen betrifft, so sollten endlich kostendeckende Ausgleichszahlungen auf EU-Ebene ausverhandelt werden, forderte Karlsböck. Ebenso wie sein Fraktionskollege Axel Kassegger ging er noch auf das FPÖ-Konzept zum Thema Universitäten ein, das u.a. einen Sockelbetrag für die Hochschulinfrastruktur, ein Pauschalbudget für die Forschung (50% durch Drittmittel) und strenge Qualitätsprüfungen für Privatunis vorsieht. Überdies sollte das Erfolgsmodell der Fachhochschulen weiter ausgebaut werden.

Grüne: Neue Studienplatzfinanzierung muss mehr Mittel und freien Zugang gewährleisten

Klubobfrau Eva Glawischnig-Piesczek (G) erinnerte an die positiven Auswirkungen des in den 70er Jahren beschlossenen freien Hochschulzugangs, von dem sehr viele, vor allem Frauen, profitiert hatten. Wenn man ein qualitativ hochwertiges öffentliches Bildungssystem anstrebt, das vom Kindergarten bis zu den Hochschulen möglichst allen jungen Menschen die entsprechenden Chancen bietet, dann müsse noch einiges getan werden. Noch immer seien StudentInnen, die aus sozial schwächeren oder bildungsferneren Familien kommen, unterrepräsentiert. Wenn das Finanzierungsmodell von Mitterlehner zu einer Reduktion der Studienplätze führt, dann sei dies der falsche Weg, konstatierte die Wissenschaftssprecherin der Grünen Sigrid Maurer. Ihrer Einschätzung nach würde die Systemumstellung zu einem Wegfall von 40% der Plätze führen; dies sei "völlig inakzeptabel". In Österreich gebe es ohnehin schon die zweitniedrigste AkademikerInnenquote in der OECD.

NEOS: Ehrliche Debatte über Zugang zu Bildungsangeboten in Österreich

Der Titel "Elite-Unis für alle" war als kleine Provokation gedacht, räumte NEOS-Klubobmann Matthias Strolz ein, dahinter stehe aber eine gute Absicht. Man wolle nämlich eine ernsthafte Debatte darüber führen, warum z.B. die Zuerkennungsrate für Stipendien um 8% gesunken ist, warum man in manchen Bundesländern für die Betreuung in Kindergärten noch zahlen muss oder warum Lehrlinge die Gebühren für ihre Meisterprüfungen aus der eigenen Tasche berappen müssen. Gleichzeitig gebe es aber einen kostenlosen Hochschulzugang, der dazu führt, dass es keine ausgewogene soziale Durchmischung an den Unis gibt. Aus diesem Grund schlage seine Partei auch die Einführung von sogenannten nachgelagerten Studiengebühren vor. Dies bedeute, dass den StudentInnen ein zinsenloser Kredit gewährt wird, der nur dann zurückbezahlt werden muss, wenn dann später im Beruf eine gewisse Einkommensgrenze erreicht wird, erläuterte Nikolaus Scherak. Die Mittel müssten natürlich direkt bei den Unis landen, damit die Ausbildungsqualität erhöht werden kann.

Team Stronach: Höchste Zeit für Einführung eines gerechten Finanzierungssystems

Es sei durchaus an der Zeit, ein gerechtes System der Studienplatzfinanzierung zu entwickeln, schloss sich Ulrike Weigerstorfer vom Team Stronach den meisten ihrer VorrednerInnen an. Dabei müsse Qualität vor Quantität gehen, zumal auch die Einstufung der heimischen Unis im Rahmen von internationalen Rankings sehr verbesserungswürdig sei. Die Erhöhung des Uni-Budgets um 1,35 Mrd. € auf 11 Mrd. € für den Zeitraum 2019 bis 2021 sei natürlich zu begrüßen, aber das Geld müsse auch dort ankommen, wo es wirklich benötigt werde. Leopold Steinbichler (T) gab zu bedenken, dass vier von zehn MedizinabsolventInnen bereits aus Deutschland kommen; hier müsse man sich etwas überlegen. Als Lösung schlug er einen Kostenersatz oder die Verpflichtung vor, nach dem Abschluss fünf Jahre in Österreich zu arbeiten.

Auch Abgeordneter Rupert Doppler (o.F.) sah die Notwendigkeit für die Umstellung des Finanzierungssystems für die Universitäten. Außerdem trat er für eine Stärkung der Matura ein, die ein Schlüssel zum Erfolg sei. (Fortsetzung Nationalrat) sue

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