Artikel über „System Chorherr“ kein Ethikverstoß

Wien (OTS) Der Senat 2 des Presserats stellte das Verfahren wegen der Artikel „Wie eng war Chorherr mit der Bau-Schickeria?“, erschienen am 22.09.2019 in „ÖSTERREICH AM SONNTAG“, und „Grüne Korruptionsaffäre: Spur zu teurem Zinshaus“, erschienen am 21.09.2019 auf „oe24.at“, ein.

In den Artikeln wird über neue Hinweise zum „Korruptionskrimi“ um den „grünen Polit-Promi“ Christoph Chorherr berichtet. Unter diesen Hinweisen befinde sich unter anderem ein Grundbuchauszug eines riesigen Zinshauses im 8. Bezirk, das einer in den Artikeln genannten Firma gehöre. Diese Firma habe zwei Besitzer, einen in Wien bekannten Immobilien- und Finanz-Tycoon sowie eine Privatstiftung, in deren Dreier-Vorstand die langjährige Gattin von Christoph Chorherr sitze. Diese Stiftung sei als Gesellschafterin wiederum zu 92,1 bzw. 99,6% an der Holding des Immobilien-Hais bzw. an einer Projektentwicklungs GmbH des Multimillionärs beteiligt. Zusätzlich wird im Artikel auf „oe24.at“ angemerkt, dass dieser Grundbuchauszug ein weiterer Mosaikstein sein könnte, der bei der Aufarbeitung des „Systems Chorherr“ helfe. Die Ex-Gattin des grünen Ex-Planungssprechers habe auch jahrelang Teenager ihrer Privatschule zum Schulprojekt Chorherrs nach Südafrika geschickt.

Ein Leser kritisiert, dass Verbindungen zwischen den Aktivitäten Christoph Chorherrs und seiner Ex-Frau hergestellt werden, obwohl diese seines Wissens seit mehreren Jahrzehnten geschieden seien. Nach Ansicht des Lesers werde von den Medien dank des gleichen Nachnamens ein „System Chorherr“ inszeniert. Zudem beanstandet der Leser in den Artikeln ein „Framing“, das die Aktivitäten von Frau Chorherr korrupt oder zumindest unmoralisch erscheinen lasse. Zu Unrecht werde der Eindruck erweckt, Frau Chorherr selbst besäße das Zinshaus. In diesem Zusammenhang zitiert der Leser eine Passage des Artikels auf „oe24.at“, wonach Frau Chorherr „über eine Stiftung gemeinsam mit einem Immobilienhai ein Zinshaus besitzt“.

Die Medieninhaberinnen machten von der Möglichkeit, an der mündlichen Verhandlung vor dem Senat teilzunehmen, Gebrauch. Der Chefredakteur von „oe24.at“ führte aus, dass die in den Artikeln genannte Ex-Frau jahrelang ihre Schüler nach Afrika geschickt habe. Diese hätten dort unentgeltlich über das sogenannte „Ithuba“-Projekt gearbeitet, dessen Initiator Christoph Chorherr sei. Darüber hinaus gebe es gerade im Ermittlungsfall Chorherr eine massive Involvierung von Familienmitgliedern, dies sei aktenkundig. Insgesamt könne man somit sehr wohl von einem „System Chorherr“ sprechen. Es sei beabsichtigt gewesen, die gesellschaftsrechtlichen Aspekte rund um die Privatstiftung juristisch einwandfrei wiederzugeben. Selbst wenn man hier ungenau berichtet haben sollte, seien zumindest die Besitzverhältnisse in den Artikeln genau aufgelistet. Schließlich wies der Chefredakteur von „oe24.at“ ausdrücklich darauf hin, dass er mehrmals erfolglos versucht habe, sowohl Christoph Chorherr als auch die genannte Ex-Frau telefonisch zu kontaktieren.

Der Senat hält zunächst fest, dass es aufgrund von Korruptionsvorwürfen gegen den ehemaligen Wiener Grünen-Politiker Christoph Chorherr derzeit Ermittlungen gebe. Mehreren Medienberichten zufolge bestehe der Verdacht, dass Spenden aus der Immobilienbranche an Chorherrs gemeinnützigen Verein in Südafrika seine frühere Tätigkeit als Planungssprecher beeinflusst haben könnten. Zudem betont der Senat, dass es sich bei Christoph Chorherr um einen bekannten ehemaligen Politiker handelt. Politikerinnen und Politiker genießen grundsätzlich weniger Persönlichkeitsschutz als Privatpersonen. Hinzu kommt, dass gerade in möglichen Fällen von Amtsmissbrauch das öffentliche Interesse entsprechend groß ist. Insofern bejaht der Senat ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Berichterstattung über die Ermittlungen gegen Chorherr.

Die in den Artikeln erwähnte Ex-Frau ist im Unterschied zu Chorherr grundsätzlich als Privatperson anzusehen. Allerdings hält der Senat den Umstand für wesentlich, dass die Ex-Frau Direktorin einer Privatschule ist, zu deren Partnerprojekten auch das sogenannte „Ithuba“-Projekt zählt; auf der Webseite der Privatschule wird festgehalten, dass Schüler im Rahmen eines Sozialpraktikums am „Ithuba“-Projekt mitgeholfen haben. Da das „Ithuba“-Projekt von jenem Verein finanziert wird, der wiederum im Fokus der Ermittlungen gegen Chorherr steht, ist auch die Berichterstattung über ein mögliches Engagement der Privatschule an „Ithuba“ und über die Ex-Frau Chorherrs als verantwortliche Schuldirektorin von öffentlichem Interesse. Der Senat merkt zudem an, dass weder der Vorname der Betroffenen genannt noch ein Foto von ihr gezeigt wurde. Der Senat erkennt auch in der Mitgliedschaft der Ex-Frau im Vorstand einer „Immobilien-Privatstiftung“ einen gewissen Informationswert für die Öffentlichkeit. Eine Tätigkeit im Immobiliensektor ist schon allein deshalb relevant, weil die Ex-Frau Schüler an dem Vereinsprojekt ihres Ex-Mannes teilnehmen lässt, für welches auch Spenden aus der Immobilienbranche lukriert wurden. Darüber hinaus weist der Senat darauf hin, dass über die Gesellschafts- und Beteiligungsverhältnisse in den Artikeln genau aufgeklärt wurde. Vor diesem Hintergrund fällt es nicht ins Gewicht, dass die Ex-Frau zu Beginn des Online-Artikels fälschlicherweise als „Mitbesitzerin“ der Immobilie bezeichnet wurde.

Auf Grundlage der aufgezeigten Verbindungen sieht der Senat die Bezeichnung der Situation als „System Chorherr“ von der Meinungsfreiheit gedeckt und erkennt auch in den übrigen Formulierungen keinen Verstoß gegen den Ehrenkodex. Zudem scheinen dem Senat die Ausführungen des Chefredakteurs von „oe24.at“ glaubhaft, wonach bei den Betroffenen erfolglos um Stellungnahme ersucht wurde (siehe Punkt 2.3. des Ehrenkodex). Zusammenfassend hält der Senat fest, dass die zu prüfenden Artikel keine Verletzung des Persönlichkeitsschutzes im Sinne des Punkt 5 des Ehrenkodex enthalten. Entscheidend ist dabei, dass über einen Verdachtsfall von politischer Korruption berichtet wurde. Hier reicht die Presse- und Meinungsfreiheit besonders weit.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINES LESERS

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig. Im vorliegenden Fall führte der Senat 2 des Presserats aufgrund einer Mitteilung eines Lesers ein selbstständiges Verfahren durch. In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberinnen von „ÖSTERREICH AM SONNTAG“ und „oe24.at“ haben von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, Gebrauch gemacht. Die Medieninhaberin von „ÖSTERREICH AM SONNTAG“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats anerkannt, die Medieninhaberin von „oe24.at“ hingegen bisher nicht.

Rückfragen & Kontakt:

Andreas Koller, Sprecher des Senats 2, Tel.: 01-53153-830

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