Artikelserie auf „wochenblick.at“ verstößt gegen Ehrenkodex für die österreichische Presse

Wien (OTS) - Der Senat 2 des Presserats beschäftigte sich mit fünf Artikeln auf „wochenblick.at“ zum Thema Migration und Flüchtlinge in Schweden, veröffentlicht zwischen September 2017 und Jänner 2018. Die fünf Artikel verstoßen nach Auffassung des Senats gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse. 

Vier der Artikel ist ein als „Symbolbild“ gekennzeichnetes Foto beigefügt, auf dem ein junger Mann mit drei jungen Frauen in einem Bett zu sehen ist. Alle abgebildeten Personen lächeln. Die Bildunterschrift lautet: „Ein 57-jähriger Syrer bewohnt laut Medienberichten (…) kostenlos drei Häuser, jeweils ein Haus pro Frau. Sie haben insgesamt 16 Kinder. Die Häuser kosten insgesamt umgerechnet etwa 1,75 Millionen Dollar.“ In einem konkreten Fall ein „Symbolbild“ einzusetzen, auf dem ein deutlich jüngerer lächelnder Mann als der betroffene Syrer abgebildet ist, widerspricht nach Meinung des Senats dem Grundsatz, Informationen gewissenhaft darzustellen (siehe Punkt 2.1 des Ehrenkodex). Den Lesern wurde dadurch Authentizität vorgetäuscht. Nach Ansicht des Senats ist es dem Medium darum gegangen, mit dem Symbolbild gezielt zu verzerren und dadurch bei den Lesern entsprechende negative Assoziationen hervorzurufen. Der Zweck des eingesetzten Bildes, das eine Gruppensexszene andeutet, war es offenbar, Flüchtlinge insgesamt in ein schlechtes Licht zu rücken und zu diskreditieren. Dies verstößt gegen Punkt 7 des Ehrenkodex.

Laut einem der geprüften Artikel werde Schweden bis zum Jahr 2030 wegen der Flüchtlingssituation ein Entwicklungsland sein. Im Artikel heißt es dazu: „So wird es wohl allen Ländern gehen, wo linke Gutmenschen im bunten Kulturrausch die über Generationen geschaffenen Errungenschaften ihrer Heimatländer zerstören.“ Die Hypothese des Artikels wurde auf einen „UNO-Bericht“ und die Entwicklung des „Human Development Index“ (HDI; ein von der UNO entwickelter Wohlstandsindikator für Staaten) gestützt. Die Verfasserin des Artikels behauptete, dass Schweden beim Ranking des HDI 2010 auf Platz 15 lag und 2015 bereits auf Rang 25 abgerutscht sei. 2030 würde es auf Rang 45 enden. Diese Aussagen sind mit einem von der UNO im Jahr 2010 herausgegebenen Forschungspapier zweier Wissenschaftler verlinkt. Laut den offiziellen Zahlen der UNO für das Jahr 2014 lag Schweden im weltweiten HDI-Ranking auf Platz 15. Im Jahr 2015 wurde Schweden im Ranking sogar einen Platz nach vorne gereiht. Die Autorin griff anscheinend bewusst auf die bloß geschätzten Zahlen des Forschungspapiers aus dem Jahre 2010 anstatt auf die tatsächlich von der UNO für das Jahr 2015 veröffentlichten Zahlen zurück, um die Zustände in Schweden wegen der Zuwanderung von Flüchtlingen als katastrophal darstellen zu können. Diese absichtliche Irreführung der Leser bewertete der Senat als schwerwiegenden Verstoß gegen die Punkte 2.1 (gewissenhafte Wiedergabe von Nachrichten) und 7 (Schutz vor Pauschalverunglimpfungen und Diskriminierung) des Ehrenkodex.

Diesem und drei weiteren Artikeln ist zudem ein „Symbolfoto“ beigefügt, das einen Markt in Nairobi mit einer eingefügten schwedischen Landkarte in den schwedischen Nationalfarben zeigt. Im Bildtext heißt es, dass Schweden laut einem UNO-Bericht seit 2010 immer rascher auf Entwicklungsland-Niveau absacke und bis 2030 von Ländern wie Kuba, Mexiko oder Bulgarien überholt werde. Unter Berücksichtigung des vorsätzlich verzerrten Datenmaterials betrachtete der Senat auch die Veröffentlichung dieser Bildkomposition als Verstoß gegen den Ehrenkodex. 

Der Senat betonte, dass die Artikelserie augenscheinlich darauf abzielte, Schweden so darzustellen, als wäre es auf dem Weg in den Untergang. Nach Auffassung des Senats wurde die Situation in Schweden maßlos übertrieben, willkürlich aufgebauscht und zum Teil auch absichtlich falsch wiedergegeben. Auf das Prinzip von „Check und Re-Check“ wurde an mehreren Stellen bewusst verzichtet. In den Artikeln wurden mancherorts wissentlich Falschinformationen eingebaut, um zu entsprechenden diskriminierenden Schlussfolgerungen gelangen zu können. Ausgangspunkt für die Artikel war nicht eine korrekte seriöse Recherche, sondern das erwünschte diskriminierende Ergebnis. Die Leser von „wochenblick.at“ wurden auf geradezu systematische Art und Weise getäuscht, so der Senat weiter. Die Autorin der Artikel setzte auf Alarmismus und Angstmache. Sie wollte Panik verbreiten sowie Ressentiments und Vorurteile gegenüber Migranten schüren. Der diskriminierende Charakter zog sich wie ein roter Faden durch die Artikel. Dazu führte der Senat beispielhaft die folgenden Aussagen an: 1.) „Schock-Prognose: Schweden wird bis 2030 Entwicklungsland sein.“ 2.) „Wertvoller als Gold: 32 Millionen Dollar für Migranten.“ 3.) In Schweden kommen Migranten zuerst und die Einheimischen zuletzt.“ 4.) „Selbst Flüchtlinge fürchten (in Malmö, Anmerkung) um ihr Leben.“ 5.) „Kuschel-Strafen für kriminelle Migranten.“

Zusammenfassend stellte der Senat fest, dass die vorliegenden Artikel mit professionellem und verantwortungsvollem Journalismus nichts gemein haben. Er forderte die Medieninhaberin von „wochenblick.at“ auf, die Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen. Die Langversion der Entscheidung finden Sie unter www.presserat.at.

Selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung eines Lesers

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.Im vorliegenden Fall führte der Senat 2 des Presserats aufgrund einer Mitteilung eines Lesers ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht.
Die Medieninhaberin von „wochenblick.at“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, nicht Gebrauch gemacht. Die Medieninhaberin von „wochenblick.at“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht anerkannt.

Rückfragen & Kontakt:

Alexander Warzilek, GF, Tel.: 01-2369984-01

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