Corona-Sonderregelungen für Verwaltungsverfahren werden verlängert

Breite Mehrheit im Verfassungsausschuss für Gesetzesnovelle, Ministeranklage gegen Gesundheitsminister Anschober abgelehnt

Wien (PK) In Reaktion auf die COVID-19-Pandemie hat der Nationalrat vor dem Sommer eine Reihe befristeter Sonderregelungen für Verwaltungsverfahren und Verwaltungsstrafverfahren beschlossen. So sollen etwa ein verstärkter Einsatz von Videotechnologie, Einschränkungen im Parteienverkehr und Verhaltensregeln für Lokalaugenscheine dazu beitragen, das Ansteckungsrisiko mit dem Coronavirus zu minimieren. Gleichzeitig war man darauf bedacht, die Parteienrechte nicht einzuschränken. Nun sollen diese Sonderregelungen bis Mitte 2021 verlängert werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Koalitionsparteien hat heute den Verfassungsausschuss des Nationalrats passiert. Auch dem Ministerrat und Gemeinderäten wird es demnach weitere sechs Monate möglich sein, Beschlüsse im Bedarfsfall im Umlaufweg bzw. per Videokonferenz zu fassen. Neben den Koalitionsparteien stimmte auch die SPÖ für das Paket, damit sollte auch die erforderliche Zweidrittelmehrheit im Plenum gesichert sein.

Mit berücksichtigt bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf (969/A) wurden zwei Abänderungsanträge. Zum einen geht es dabei darum, LeiterInnen von Amtshandlungen mehr Flexibilität einzuräumen, was Auflagen für Lokalaugenscheine und für andere Termine mit physischer Anwesenheit betrifft. In Betracht kommen etwa eine Messung der Körpertemperatur vor Beginn der Amtshandlung, die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes oder die Zuweisung eines bestimmten Sitzplatzes, wird dazu in den Erläuterungen ausgeführt. Zum anderen wird es dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) dauerhaft ermöglicht, Umlaufbeschlüsse oder Beschlüsse per Videokonferenz zu fassen, wenn „außergewöhnliche Verhältnisse“ vorliegen. Dabei wird für Beschlüsse der Vollversammlung ein Präsenzquorum von zwei Dritteln der Mitglieder festgelegt. Weitergehende Erleichterungen gibt es zudem für Strafsenate und Dreiersenate. Diesem Abänderungsantrag stimmten auch die NEOS zu.

Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS angenommen wurde überdies ein von den Koalitionsparteien im Ausschuss eingebrachtes Bundesverfassungsgesetz, das vorsieht, einzelne Sonderbestimmungen im Vergaberecht gleichfalls um sechs Monate zu verlängern. Die Beratungen über die Forderung der NEOS nach einer Generalamnestie für Corona-Strafen wurden hingegen vertagt. Keine Mehrheit erhielt ein Antrag der FPÖ, Gesundheitsminister Rudolf Anschober wegen schuldhafter Rechtsverletzungen beim Verfassungsgerichtshof anzuklagen und so seine Amtsenthebung zu erzwingen.

Die Zustimmung der SPÖ zu den vorliegenden Gesetzesnovellen wurde von Selma Yildirim damit begründet, dass diese allesamt eine Sunset-Klausel, also ein Ablaufdatum, hätten. Auch NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak sieht viele Punkte positiv. Allerdings lehnt er im Bereich der Gemeinderäte Beschlüsse im Umlaufweg bzw. per Videokonferenz ab. Das sei von manchen ausgenutzt worden, wie einige Fälle zeigten, meinte er. Zudem wies er darauf hin, dass die meisten Gemeinderäte Präsenzsitzungen schaffen würden.

Opposition pocht auf Generalamnestie bei Corona-Strafen

Im Zentrum der Debatte standen allerdings die Anträge der NEOS und der FPÖ. Die Forderung nach einer Generalamnestie für Corona-Strafen (702/A) bezieht sich auf den ersten Lockdown und wird von den NEOS damit begründet, dass die Regierungsmitglieder durch widersprüchliche Aussagen in der Öffentlichkeit Verwirrung in Bezug auf die geltende Rechtslage gestiftet hätten. Ein Großteil der Bevölkerung habe nicht mehr erkennen können, was erlaubt und was verboten sei.

Abgeordnetem Scherak zufolge sind außerdem Strafen für eigentlich erlaubtes Verhalten wie Privatbesuche verhängt und auch bezahlt worden. Die Summe dieser Strafen liege bei 6 Mio. €, hielt er im Ausschuss fest. Gleichzeitig würden die Bundesländer unterschiedlich agieren, was die Rückzahlung derartiger Geldbußen betrifft. Ausdrücklich gutgeheißen wurde von Scherak, dass die Behörden im zweiten Lockdown zurückhaltender mit Strafen seien.

Unterstützt wurde die Forderung nach einer Generalamnestie von SPÖ und FPÖ. Selma Yildirim (SPÖ) verwies in diesem Zusammenhang auf eigene Anträge der SPÖ. Es seien nicht nur unverhältnismäßig hohe Strafen ausgesprochen worden, sondern auch Fehler passiert, monierte sie. In diesem Sinn brauche es Wiedergutmachung für jene, die zu Unrecht bestraft worden seien. Die Strafen seien in keinem Verhältnis zum Verhalten der Bevölkerung gestanden, hielt auch Susanne Fürst (FPÖ) fest.

Sowohl Ulrike Fischer als auch Georg Bürstmayr (beide Grüne) qualifizierten eine Generalamnestie hingegen als nicht sinnvoll. Schließlich seien die Corona-Vorschriften legitim gewesen und die Verordnung vom Verfassungsgerichtshof nur wegen nicht ausreichender Deckung durch die gesetzlichen Bestimmungen aufgehoben worden, machte Bürstmayr geltend. Eine Grundrechtswidrigkeit der Verordnung habe der VfGH hingegen verneint. Man habe seinerzeit auch Verkehrsstrafen nicht zurückgezahlt, nachdem der VfGH Bestimmungen zur Section Control aufgehoben hatte, um RaserInnen nicht zu bestärken, zog Bürstmayr außerdem einen Vergleich zu einem aus seiner Sicht ähnlich gelagerten Fall. Der Antrag wurde schließlich mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt.

Keine Ministeranklage gegen Gesundheitsminister Rudolf Anschober

Von allen anderen Fraktionen abgelehnt wurde ein Antrag der FPÖ (498/A), der darauf abzielt, Gesundheitsminister Rudolf Anschober beim Verfassungsgerichtshof anzuklagen. Anschober habe mit seiner gesetzeswidrigen Verordnung die ÖsterreicherInnen unzulässiger Weise in ihrer Freiheit eingeschränkt, machen Klubobmann Herbert Kickl und seine FraktionskollegInnen in Anspielung auf die teilweise Aufhebung der vom Gesundheitsministerium verordneten Corona-Maßnahmen durch den Verfassungsgerichtshof geltend. So hätte der Minister nie ein generelles Betretungsverbot für den öffentlichen Raum verfügen dürfen.  

Bekräftigt wurde die Forderung der FPÖ im Ausschuss von Susanne Fürst. Man könne nicht einfach „Grundrechte auslöschen“, nur weil „Notstand und Panik“ herrsche, erklärte sie und warf Anschober Fahrlässigkeit bei der Formulierung der Verordnungen vor. Ausdrücklich begrüßt wurde von Fürst außerdem, dass auch die neuen Verordnungen beim VfGH angefochten werden, wobei sie vor allem an den Schulschließungen Kritik übte. Sie sehe schon ein, dass es für die Regierung „lästig“ sei, ihre Maßnahmen gut und nachvollziehbar zu begründen, meinte Fürst in diesem Zusammenhang, das sei aber wichtig.

Ausdrücklich hinter den Gesundheitsminister stellten sich ÖVP und Grüne. Er verstehe, dass die FPÖ alles versuche, um die von der Regierung gesetzten Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie in Zweifel zu ziehen, meinte Wolfgang Gerstl (ÖVP), das sei aber reine „politische Anpatzerei“, für die es keine Veranlassung gebe. Er kenne keinen einzigen Juristen, der Gesundheitsminister Anschober in Zusammenhang mit den beanstandeten Verordnungen schuldhafte Rechtsverletzung vorwerfe. Agnes Sirkka Prammer (Grüne) machte geltend, dass der VfGH viele Verordnungen bestätigt und im Verhältnis dazu nur wenige Punkte aufgehoben habe.

Seitens der NEOS stimmte Nikolaus Scherak der Einschätzung von FPÖ-Abgeordneter Fürst zwar zu, dass der Gesundheitsminister „mehr als fahrlässig“ gehandelt habe. Seiner Meinung nach gibt es jetzt aber „wichtigere Dinge“, als Anschober beim Verfassungsgerichtshof anzuklagen. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs


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