COVID-19-Gesetze: Einsprüche des Bundesrats dürften ins Leere laufen

Verfassungsausschuss empfiehlt Beharrungsbeschlüsse

Wien (PK) Die Einsprüche des Bundesrats gegen vier der zuletzt 13 vom Nationalrat beschlossenen COVID-19-Gesetze dürften wie erwartet ins Leere laufen. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats empfiehlt dem Plenum, die Einwände der Länderkammer zu verwerfen und die ursprünglichen Gesetzesbeschlüsse zu wiederholen. Das betrifft neben den Novellen zum Epidemiegesetz (16. COVID-19-Gesetz) und zum Freiwilligengesetz (10. COVID-19-Gesetz) auch das Finanz- und Steuerpaket (18. COVID-19-Gesetz) sowie die rechtlichen Grundlagen für das Wiederhochfahren des Behördenbetriebs (12. COVID-19-Gesetz). Die Beschlüsse im Ausschuss wurden teilweise mit den Stimmen der Regierungsparteien gefasst, in zwei Fällen stimmten auch die NEOS für Beharrungsbeschlüsse. Die Abstimmung im Plenum ist für übermorgen, Mittwoch, vorgesehen.

Warum die Länderkammer gegen die vier Gesetze ein Veto eingelegt hat, wird in den Begründungen zu den Einsprüchen (150 d.B., 151 d.B., 152 d.B. und 153 d.B.) zum Teil sehr ausführlich dargelegt, wobei SPÖ und FPÖ nicht immer die gleichen Argumente ins Treffen führen. Unter anderem kritisiert werden fehlende Begutachtungsfahren, drohende Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte, eine unzureichende Informationen der Opposition, zu viel Ermessensspielraum für Behörden und unnötige Doppelgleisigkeiten bei der Prüfung von Unternehmenshilfen. Zudem befürchten die beiden Oppositionsparteien eine Einschränkung von Parteienrechten in Verwaltungsverfahren und vermissen eine klare Widmung jener 600.000 €, die aus dem Krisenbewältigungsfonds für freiwilliges Engagement in der Corona-Krise bereitgestellt werden sollen. Auch dass die Bestimmungen im Epidemiegesetz, die Auflagen für Veranstaltungen betreffen, anders als andere Sondergesetze, kein Ablaufdatum haben, ist ihnen ein Dorn im Auge.

Im Rahmen der Ausschussdebatte bekräftigten unter anderem Susanne Fürst (FPÖ), Selma Yildirim und Philipp Kucher (beide SPÖ) die Kritik ihrer Parteien. Sie glaube gerne, dass die Regierung lieber weiter auf Basis von Verordnungen regieren würde, sagte Fürst, es sei aber höchst an der Zeit zu einem „ordentlichen parlamentarischen Prozedere“ zurückzukehren. Gesetze hätten außerdem eine gewisse Bestimmtheit zu haben, das sei etwa beim Epidemiegesetz nicht der Fall.

Fürst befürchtet vor diesem Hintergrund Eingriffe in die Versammlungs- und Veranstaltungsfreiheit. Zudem sehen sie und ihr Fraktionskollege Harald Stefan nicht ein, warum es für Auflagen von Veranstaltungen keine „Sunset Clause“ gibt, noch dazu wo die neuen Bestimmungen keinem Begutachtungsverfahren unterzogen wurden. Zum Finanz- und Steuerpaket merkte Fürst an, es sei unsensibel, in der jetzigen Situation „so viel Geld nach Brüssel zu schicken“.

Keine Mehrheit für zwei Abänderungsanträge der SPÖ

Auch die SPÖ-Abgeordneten Yildirim und Kucher appellierten an die Regierungsparteien, zu „normalen Begutachtungsverfahren“ zurückzukehren. Es brauche Zeit, um zu diskutieren, sagte Kucher und verwahrte sich gegen ein „Drüberfahren“ über die Opposition.

Um ihre Kritik zu untermauern und zumindest in einigen Bereichen Verbesserungen zu erreichen, brachte die SPÖ zwei Abänderungsanträge ein, die zum einen das Epidemiegesetz und zum anderen die Durchführung von Verwaltungsverfahren betrafen. So drängten Kucher und Yildirim etwa auf eine vollständige Anonymisierung der in das COVID-19-Register aufgenommenen Daten, um zu verhindern, dass sensible Gesundheitsdaten an falschen Stellen, etwa bei Dienstgebern, landen. Zudem ist ihnen eine Ausweitung des Verbots von Contact-Tracing-Technologien, eine klare Definition des Begriffs Veranstaltungen, die Aufnahme von Menschen mit Behinderung in die Anti-Diskriminierungsregelungen und die Wiedereinführung eines Entschädigungsanspruchs für Unternehmen mit bis zu 25 ArbeitnehmerInnen ein Anliegen. Christian Drobits (SPÖ) plädierte dafür, Videokonferenzen bei Verwaltungsverfahren und Verwaltungsstrafverfahren ausdrücklich als Ausnahme zu normieren und an die Zustimmung sämtlicher Parteien zu knüpfen. Beide Abänderungsanträge fanden bei der Abstimmung jedoch keine Mehrheit.

Was das Finanz- und Steuerpaket betrifft, ortet Yildirim unter anderem überbordende Bürokratie bei der Auszahlung von Unternehmenshilfen und unverhältnismäßige Härten vor allem für Klein- und Ein-Personen-Unternehmen. Zudem kritisierte sie, dass die Finanzverwaltung in Zusammenhang mit dem Härtefallfonds nun erst Recht wieder zahlreiche Aufgaben – von der Datenbereitstellung bis zur Prüfung – übertragen bekommen habe, was zusätzliche Bürokratie schaffe.

NEOS orten zu wenig Respekt der Regierung vor der Verfassung

Seitens der NEOS beklagte Gerald Loacker, dass die Novelle zum Epidemiegesetz „im Blitztempo hingeschleudert wurde“. Es hätte dem Gesetz gut getan, ExpertInnen wie die Datenschutzbehörde beizuziehen, meinte er und plädierte in diesem Sinn dafür, es beim Einspruch des Bundesrats bewenden zu lassen. Dass die Novelle notwendig ist, um beispielsweise Fußball-Geisterspiele zu ermöglichen, zieht Loacker in Zweifel, vielmehr drohen ihm zufolge Eingriffe in Grundrechte und die Versammlungsfreiheit. Angesichts verschiedener Aussagen von Bundeskanzler Sebastian Kurz und anderer Regierungsmitglieder habe seine Partei das Vertrauen verloren, dass sich die Regierung der Verfassung verantwortlich fühle.

Was die Novellierung des Freiwilligengesetzes und den Videoeinsatz bei Verwaltungsverfahren betrifft, sprachen sich auch die NEOS für eine Wiederholung der ursprünglichen Gesetzesbeschlüsse aus, wobei Loacker und sein Fraktionskollege Nikolaus Scherak gleichzeitig auch für den Abänderungsantrag der SPÖ zum 12. COVID-19-Gesetz stimmten.

ÖVP und Grüne: Novelle zum Epidemiegesetz bringt wesentliche Verbesserungen

Agnes Sirkka Prammer (Grüne) und Wolfgang Gerstl (ÖVP) hielten der Opposition entgegen, dass man bereits vor der ursprünglichen Beschlussfassung im Plenum auf verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Novelle zum Epidemiegesetz reagiert habe und die nunmehr vorliegenden Bestimmungen auch von namhaften Juristen goutiert würden. Derzeit gebe es im Falle einer Pandemie nur die Möglichkeit, Veranstaltungen gänzlich zu verbieten – oder ohne Auflagen zu erlauben -, künftig könnten Behörden diese unter gewissen Auflagen bewilligen. Das sei eine klare Verbesserung gegenüber der geltenden Rechtslage, sind ÖVP und Grüne überzeugt.

Befürchtungen, wonach durch die Auflagen zusätzliche Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte drohten, wies Georg Bürstmayr (Grüne) als unbegründet zurück. Die Opposition „drischt auf nicht vorhandene Strohmänner ein“ und befördert damit Verschwörungstheorien, meinte er und warf den Abgeordneten außerdem vor, Veranstaltungen und Versammlungen miteinander zu verwechseln. Auch Prammer betonte, dass Grund- und Freiheitsrecht immer gegeneinander abzuwägen seien.

Kritik an der Abwicklung des Härtefallfonds durch die Wirtschaftskammer wies Peter Haubner (ÖVP) zurück. Diese funktioniere sehr gut. Die ÖVP machte zudem darauf aufmerksam, dass man mit der Ablehnung des 18. COVID-19-Gesetzes auch viele andere Änderungen wie die Umsatzsteuerbefreiung von Schutzmasken blockiere.

Was die Novelle zum Freiwilligengesetz anbelangt, begrüßte SPÖ-Abgeordneter Kucher die Klarstellung von Gesundheitsminister Rudolf Anschober, wonach auch für die Sonderdotierung des Anerkennungsfonds für Freiwilliges Engagement das übliche Prozedere gilt und damit die Einbindung des Freiwilligenrats in die Mittelvergabe sichergestellt sei. Diesem Gremium würden, so Anschober, neben VertreterInnen des Sozialministeriums, der Länder und der Gemeinden unter anderem auch VertreterInnen der Parteien und der Freiwilligenorganisationen angehören. Zudem unterliege der Anerkennungsfonds auch der Rechnungshofkontrolle. Es gehe in keinem Fall um die Finanzierung der Rot-Kreuz-Corona-App, versicherte der Minister. SPÖ und FPÖ stimmten dennoch gegen den Antrag der Regierungsparteien auf Wiederholung des Gesetzesbeschlusses.

Anschober: Tempo ist immer noch wichtig

Ein gewisses Verständnis äußerte Anschober für die Kritik der Opposition an fehlenden Begutachtungsverfahren. In manchen Bereichen sei Tempo aber immer noch „Gebot der Stunde“, machte er geltend. Zwei Wochen Unterschied beim Setzen von Maßnahmen könnten sich, wie sich gezeigt habe, dramatisch auswirken.

Anschober hält in diesem Zusammenhang etwa das geplante Screening für extrem wichtig. Dieses gehöre zu den Kernstücken der von der Regierung geplanten Maßnahmen, um eine zweite Coronavirus-Infektionswelle zu unterbinden. Zudem gab er zu bedenken, dass es eine eindeutige demokratiepolitische Verbesserung sei, wenn Veranstaltungen auch in Pandemiezeiten unter bestimmten gesundheitsspezifischen Auflagen wieder erlaubt werden können. Diese Verbesserung zeitlich zu befristen, hält Anschober nicht für zweckmäßig, beim Screening-Programm sei ohnehin ein Ablaufdatum mit Ende 2021 eingebaut.

Keine Pflicht zur Nutzung von Tracking-Apps

„Wir sind immer noch in einer Situation, wo wir schnell Gesetze brauchen“, betonte auch Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler. Ein Begutachtungsverfahren wäre auch ihr lieber gewesen, sagte sie, der Abänderungsantrag der SPÖ zum Bereich der Verwaltungsverfahren sei aber nicht praktikabel. Es sei nicht möglich, die Zustimmung aller Parteien zu einer Videokonferenz einzuholen, da man nicht wisse, wer von der Parteienstellung Gebrauch machen werde. Erneut bekräftigte Edtstadler auch ihren Standpunkt, wonach eine verpflichtende Tracking-App ihrer Meinung nach der Datenschutzgrundverordnung widersprechen würde.

In die Formulierung des §15 des Epidemiegesetzes sei auch der Verfassungsdienst eingebunden gewesen, hielt Edtstadler gegenüber SPÖ-Abgeordnetem Kucher fest. Gemäß den Bestimmungen des Gesetzes ist es ausdrücklich untersagt, Risikogruppen wie ältere Personen pauschal von Veranstaltungen auszuschließen oder Personen wegen bestimmter Merkmale wie ihre ethnische Herkunft oder ihre Religionszugehörigkeit zu diskriminieren. Auch die Nutzung einer Tracking-App darf kein Schlüssel für den Zugang zu einem Event sein.

Im Finanz- und Steuerpaket sind unter anderem die Befreiung von Schutzmasken von der Umsatzsteuerpflicht, Detailbestimmungen in Bezug auf die Gewährung von Unternehmenshilfen durch die COFAG, Prüfbefugnisse der Finanzämter zum Aufspüren von Fördermissbrauch, die Refundierung von Stornokosten für Schulveranstaltungen und die österreichische Beteiligung an Unterstützungsprogrammen der EU geregelt. Die Novelle zum Freiwilligengesetz betrifft insbesondere die Bereitstellung von 600.000 € für Freiwilliges Engagement aus Mitteln des Krisenbewältigungsfonds. Im 12. COVID-19-Gesetz geht es unter anderem um audiovisuelle Verhandlungen in Behördenverfahren wie Betriebsgenehmigungen oder Bauverhandlungen und die Gewährleistung von Parteienrechten. (Schluss) gs


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