Deutschklassen: Wien hat pädagogische und verfassungsrechtliche Bedenken | PID Presse

Fast alle Volksschulkinder betroffen: Klassen werden zerrissen, funktionierende Deutschkurse gekürzt, Schulleitungen und Schulerhalter vor unlösbare Aufgaben gestellt

Wien (OTS) „Die von der Bundesregierung für Herbst vorgesehenen Deutschklassen bringen für die Schulen massive Einschnitte: So werden bestehende Klassen zerrissen, funktionierende Deutschkurse gekürzt bzw. abgeschafft und DirektorInnen durch hunderte zusätzliche Klassen organisatorisch vor fast unlösbare Aufgaben gestellt“, betonte heute Wiens Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky im Rahmen des Mediengesprächs von Bürgermeister Michael Häupl.

Darüber hinaus habe Wien im Rahmen der Begutachtung der vom Bund vorgelegten Gesetzesänderungen auch „verfassungsrechtliche Bedenken“ angemeldet, so Czernohorszky. „Mit der strikten Vorgabe des Bundes, ab wann welche Deutschklassen verpflichtend zu bilden sind, wird den Schulleitungen die Möglichkeit genommen, die Einteilung und Größe der Klassen selbst vorzunehmen. Das beschneidet die konkrete Ausgestaltungskompetenz der Länder, die in der Verfassung festgeschrieben ist. Der Bund hat in diesem Bereich eigentlich nur den Rahmen festzulegen.“

Negative Folgen: Alle sechs Monate eine neue Klasse

Insgesamt hätten die neuen Deutschklassen negative Folgen für fast alle Wiener Volksschulkinder: „Aufgrund der überstürzten Einführung müssen im nächsten Schuljahr einfach alle Kinder, die bisher Deutschförderung bekommen haben, in eine eigene Klasse gehen. Das sind in Wien rund 15.000 Kinder in allen Altersstufen“, so der Bildungsstadtrat. „In der Praxis heißt das, dass damit sehr viele Klassen neu zusammengestellt werden müssen und Klassengemeinschaften zerrissen werden.“ Betroffen seien alle Volksschulkinder, weil es durch die vorgesehenen Deutschtestungen alle sechs Monate immer wieder zu neuen Klassenzusammensetzungen komme. „Das ist nicht nur eine große Belastung für Kinder und LehrerInnen, sondern auch pädagogisch vollkommen widersinnig, denn Lernerfolg braucht stabile Beziehungen“, so Czernohorszky. „Internationale Studien und SprachwissenschafterInnen sagen klar: Sprache lernen funktioniert am besten, wenn man die Kinder nicht trennt und den Schulen die nötigen Ressourcen für zusätzliche Förderkurse bereitstellt.“

Darüber hinaus gebe es für Kinder mit vorhandenen, aber verbesserungswürdigen Deutschkenntnissen eine massive Verschlechterung: Sie dürfen zwar im Klassenverband bleiben, bekommen aber statt bisher elf Stunden nur mehr sechs Stunden zusätzliche Deutschförderung.

500 zusätzliche Klassenräume allein in Wien

Doch auch die DirektorInnen stehen ab Herbst vor großen organisatorischen Problemen: Sie brauchen für die neuen Deutschklassen an jeder Schule zusätzliche Klassenräume, die kaum vorhanden sind. „Wir rechnen allein in Wien mit rund 500 zusätzlichen Klassen in den Pflichtschulen“, so Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky. „Woher die kommen sollen, darüber schweigt sich der Bildungsminister bis dato aus. Zu befürchten ist jedenfalls, dass an vielen Schulen wichtige zusätzliche Räume wie beispielsweise Schulbibliotheken oder Freizeiträume zu Klassen umfunktioniert werden müssen. Das hat negative Folgen für alle Kinder einer Schule.“

Darüber hinaus steht an vielen Wiener Schulen kein zusätzlicher Klassenraum mehr zur Verfügung und es kann auch so kurzfristig keine bauliche Erweiterung mehr erfolgen. „Wien wird daher aufgrund der enormen Kosten für die Gemeinden als Schulerhalter auch den Konsultationsmechanismus auslösen“, so der Bildungsstadtrat. „Aber auch wenn der Bund die Kosten übernehmen würde: Das Gesetz wäre auch dann nicht umsetzbar!“

Die Begutachtung für die neuen Schulgesetze laufe noch bis 12. April: „Wien hat all die erwähnten Bedenken in seine Stellungnahme aufgenommen“, so Czernohorszky. „Wir sagen Nein zu diesem Entwurf, der Klassengemeinschaften zerreißt und Schulleitungen vor unlösbare Aufgaben stellt! Nein zur Segregation von Kindern in Deutschklassen und der gleichzeitigen Kürzungen von zusätzlichen Deutschkursen.“ Wichtiger sei es, die Schulleitungen im Sinne der Bildungsreform zu stärken und Standorten mit großen Herausforderungen und einem hohem Bedarf an Deutschförderung mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. „Denn die PädagogInnen wissen am besten, wie Kinder und Jugendliche beim Deutschlernen unterstützt werden können“, so Czernohorszky. „Ich appelliere an den Bund, bei diesem Vorhaben auf die Stopp-Taste zu drücken und rasch Gespräche mit den Bundesländern aufzunehmen, um eine praktikable Lösung für die Deutschförderung zu finden.“

Keine Mittel für Integration

Katastrophal sei schließlich auch die Kürzung der Integrationsmittel für Schulen durch den Bund: Nach der Streichung des sogenannten „Integrationstopfs“ des Bildungsministeriums stehen Wiens Schulen ab 2019 vor der Tatsache, dass rund 350 Unterstützungspersonen nicht mehr im Einsatz sein werden. „Konkret stehen ab 2019 insgesamt 150 Personen aus der Sprachförderung, 43 SchulsozialarbeiterInnen, 125 PädagogInnen für begleitende integrative Maßnahmen sowie MitarbeiterInnen von sechs mobilen interkulturellen Teams auf der Straße“, so Jürgen Czernohorszky. „Gerade für Wiener LehrerInnen und SchülerInnen ist dies ein weiterer Schlag, weil dieses Unterstützungspersonal an Standorten mit besonders großen Herausforderungen im Einsatz war und von den LehrerInnen als wichtige Entlastung wahrgenommen wurde.“

Das alles werde nun zunichte gemacht, um ein von allen ExpertInnen kritisiertes Projekt – separate Deutschklassen – finanzieren zu können. „Es drängt sich der Verdacht auf, dass die schwarzblaue Bundesregierung hier gezielt gegen Wien vorgeht und den Schulen ganz bewusst Ressourcen streicht und neue, unlösbare Aufgaben aufbürdet. Das ist aber ein Spiel auf dem Rücken von tausenden engagierten LehrerInnen und Kindern!“ so Czernohorszky abschließend.

Rückfragen & Kontakt:

Michaela Zlamal
Mediensprecherin StR Jürgen Czernohorszky
+43 1 4000 81446
michaela.zlamal@wien.gv.at

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