Die Europawahl 1979 als Katalysator der Europäisierung von politischen Parteien

Buchpräsentation im Palais Epstein: Quellen zur Europapolitik christdemokratischer und konservativer Parteien

Wien (PK) Vor vierzig Jahren, im Juni 1979, hatten die BürgerInnen der Europäischen Gemeinschaft erstmals die Möglichkeit, in direkter Wahl Abgeordnete zum Europäischen Parlament zu wählen. Das Europawahljahr 2019 bietet Gelegenheit, einen Blick auf die Vorgeschichte dieses wichtigen Ereignisses zu werfen. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka lud dazu gestern Abend gemeinsam mit dem Wiener Karl von Vogelsang-Institut ins Palais Epstein zu einer Veranstaltung unter dem Titel „Auf dem Weg zu den ersten Direktwahlen des Europäischen Parlaments“ ein. Im Mittelpunkt des Abends standen historische Quellen, die mit dem zweibändigen Werk „Transnationale Parteienkooperation der europäischen Christdemokraten und Konservativen. Dokumente 1965-1979“ wissenschaftlich erschlossen wurden. Die umfangreiche Quellenedition bietet Einblicke in die integrationspolitische Rolle von Parteienzusammenschlüssen des christdemokratischen und konservativen Parteienspektrums in einer entscheidenden Phase der Entwicklung hin zu einem gemeinsamen Europa.

Nationalratsabgeordneter Reinhold Lopatka dankte in seiner Begrüßung den Historikern des Editionsprojekts. Das nun vorliegende Werk sei eine Gelegenheit, den Blick weg von der Tagespolitik auf die historischen Entwicklungen zu richten, durch die die europäische Integrationspolitik zum Erfolg wurde und das Europäische Parlament zu seiner heutigen Bedeutung gelangte. Das Projekt der europäischen Einigung sei aber noch nicht abgeschlossen, sagte Lopatka mit Blick auf die Westbalkanstaaten. Die europäischen Parteien stehen laut ihm heute, so wie damals, vor der Herausforderung, das Projekt Europa weiterzuentwickeln.  

Parteienzusammenschlüsse vor den ersten Direktwahlen des Europäischen Parlaments

Helmut Wohnout, Geschäftsführer des Karl von Vogelsang-Instituts, skizzierte den Umfang des Editionsprojekts. Die nun vorliegenden Bände der Quellenedition „Transnationale Parteienkooperation der europäischen Christdemokraten und Konservativen“, herausgegeben von Michael Gehler, Marcus Gonschor, Hinnerk Meyer und Hannes Schönner im Verlag der Gruyter, Oldenburg, entstand in enger Zusammenarbeit zwischen dem Karl von Vogelsang-Institut in Wien und dem Institut für Geschichte der Stiftung Universität Hildesheim in Deutschland. Maßgeblich wurde das Editionsprojekt vom Bundesministerium für Bildung der Republik Österreich unterstützt. Der Band knüpft dabei an die 2004 erschienene Edition „Transnationale Parteienkooperation der europäischen Christdemokraten“ an, in der Dokumente für die Jahre 1945-1965 versammelt sind, führte Wohnout aus.

Universitätsprofessor Michael Gehler (Institut für Geschichte der Stiftung Universität Hildesheim) sprach über die historischen Hintergründe der Quellentexte und die zahlreichen editorischen Herausforderungen. Erschlossen wurden Quellen in deutscher, englischer, französischer und italienischer Sprache. Ein besonderer Fokus liegt auf der Europäischen Volkspartei (EVP), gegründet 1976, und der European Democrat Union (EDU) von 1978. Diese Parteienzusammenschlüsse im Vorfeld der ersten direkten Europawahlen führten zu einer Abstimmung in politischen wie ideologischen Fragen und einem gemeinsamen Vorgehen auf nationaler und internationaler Ebene. Dabei ging es nicht nur um Europa- und Integrationspolitik, sondern auch um Fragen der Internationalisierung und Globalisierung, wie Gehler ausführte. Deutlich werde aus den Dokumenten, wie die Parteien eines sehr breiten politischen Spektrum um eine gemeinsame Linie rangen, um bei den Wahlen ein Gegengewicht zu den sozialdemokratischen Parteien bilden zu können, die bereits weitaus geeinter auftraten. Dieser letztlich erfolgreiche Prozess war laut Gehler auch ein wesentlicher Faktor für das Entstehen vieler Konzepte und Ideen, die das Projekt der europäischen Integration vorantrieben.

Zwei weitere Vorträge vertieften das Thema der Kooperationen des konservativen und christdemokratischen Parteienspektrums in Europa. Mit seinen Ausführungen „Auf dem Weg zu den ersten EP-Direktwahlen: Europas Christdemokraten in Überwindung des Krisenjahrzehnts der 1970er Jahre“ unterstrich Hinnerk Meyer (Universität Hildesheim) die Bedeutung des Wahljahres 1979. Durch die Direktwahl habe man erstmals die BürgerInnen in das Projekt der europäischen Einigung, das zuvor weitgehend ein Elitenprojekt gewesen sei, einbeziehen müssen. Damit markierte dieses Jahr auch einen demokratischen Aufbruch in Europa, merkte Meyer an. Im Laufe der 1970er sei immer deutlicher geworden, dass die europäische Integration nicht automatisch von selbst voranschreitet. Ebenso sei die Erkenntnis herangereift, dass viele politische und wirtschaftliche Probleme nicht mehr allein auf nationaler Ebene lösbar sind. Die Antwort darauf war die Parole: „Mehr Europa“. Christdemokratische und konservative Parteien in Europa nahmen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung von grenzüberschreitenden Debatten über ein gemeinsames und integriertes Europa, merkte Meyer an. Mit den Wahlen zum Europäischen Parlament wurde auch die Forderung umgesetzt, die europäische Integration einer demokratischen Kontrolle zu unterwerfen.

Über das Archiv der Europäischen Demokratischen Union (EDU) in Wien sprach Hannes Schönner (Karl von Vogelsang-Institut) in dem Vortrag „Eine Vision von Europa im Kalten Krieg“. Mit dem Forschungsprojekt habe man begonnen, die reichen Bestände dieses Archivs zu erschließen, das auch einen wesentlichen Teil des Vermächtnisses der nicht mehr existierenden EDU berge, sagte der Historiker. Der EDU, die sich als Arbeitsgemeinschaft verstand, gelang es laut Schönner, jene organisatorische Stärke zu erlangen, welche früheren Zusammenschlüssen gefehlt hatte. Mit einem strikten Antimarxismus, gepaart mit dem konsequenten Eintreten für die soziale Marktwirtschaft, habe sie auch ideologische Schlagkraft erlangt. Sie konnte, wie die nun der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Dokumente zeigen, auch beträchtliche außenpolitische Erfolge erzielen, sagte Schönner. Vor allem die in den Zeiten des Kalten Krieges gepflegten Kontakte zu Oppositionellen jenseits des Eisernen Vorhangs sollten sich in den Jahren nach 1989 bzw. 1991 als politisch bedeutsam erweisen. (Schluss) sox

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie auf der Website des Parlaments unter www.parlament.gv.at/SERV/FOTO/ARCHIV .  


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