Dringliche Anfrage im Bundesrat zu Polizeieinsatz vor Wiener Fußball-Derby

SPÖ ortet unverhältnismäßiges Einschreiten und mangelnde Übersicht; Kickl bezeichnet Vorgehen der Polizei als ausgewogen

Wien (PK) Die SPÖ-Bundesratsfraktion sieht im Polizei-Einsatz beim Wiener Derby zwischen Rapid und der Wiener Austria am vergangenen Sonntag, 16. Dezember, ein unverhältnismäßiges Vorgehen der Polizei. Aus diesem Grund stellten die BundesrätInnen der SPÖ-Fraktion bei der heutigen Plenarsitzung des Bundesrats eine Dringliche Anfrage an den Innenminister.

Bei dem Einsatz hatte es sich um eine Fanbegleitung vor dem Fußballmatch gehandelt. Die Polizei war mit Rapid-Anhängern über die Laaerberg-Straße in Richtung des Austria-Wien-Stadions gezogen. Laut Polizei sollen Personen aus dem etwa 1.400 Menschen umfassenden Tross an jener Stelle, wo die Laaerberg-Straße die Südost-Tangente über eine Brücke kreuzt, Gegenstände auf fahrende Autos geworfen haben, worauf die Straße für fünf Minuten gesperrt und danach bis auf zwei Fahrstreifen wieder freigegeben wurde. Damit erfüllten einige Personen in der Menschenmenge laut Polizei den Tatbestand der vorsätzlichen Gemeingefährdung (§ 176 StGB). Zur Ermittlung der Täter schlossen Polizeikräfte mehr als 1.300 Personen ein, um deren Identität festzustellen. Das dauerte laut einem Protokoll, das die Wiener Polizei veröffentlichte, von etwa 15 bis 22 Uhr. Bis 16.32 Uhr war eine Aufarbeitungsschleuse für die Identifizierung geöffnet, danach kam eine zweite hinzu; nach Ende des Fußballspiels (gegen 18.50 Uhr) wurden Kräfte vom Stadion abgezogen und neun weitere Schleusen geöffnet.

Die SPÖ-Bundesratsfraktion wirft der Polizei nun vor, die Menschen in „eisiger Kälte“ auf einem „schmalen Fußweg“ warten gelassen zu haben. Angesichts der Tatsache, dass nach ihren Informationen „lediglich eine Anzeige und eine verwaltungsrechtliche Festnahme erfolgt“ sei, bezeichnen die Mandatare den Einsatz als unverhältnismäßig. Sie wirft der Einsatzleitung vor, die „Übersicht verloren“ zu haben. In einer Anfrage wurde nun heute Innenminister Herbert Kickl mit einer Reihe von Fragen zum Einsatz konfrontiert.

Todt: Die Einkesselung hätte zu einer Massenpanik führen können

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ/W) betonte, es gehe nicht darum, gewalttätiges Verhalten von Fußballfans zu rechtfertigen oder den Polizistinnen und Polizisten vor Ort etwas vorzuwerfen. Es gehe um die Frage, wie es zu der Einkesselung kommen konnte, wo die Menschen auf einem schmalen Pfad zwischen einer Mauer und der Autobahn bei Minusgraden stundenlang festgehalten wurden. Die Situation wäre geeignet gewesen, Panik hervorzurufen. Wenn nur eine eingeschlossene Person die Nerven verloren hätte, hätte das blitzschnell zu einer Massenpanik führen können, mit nicht auszudenkenden Folgen. Die Polizei habe nur bruchstückhaft und widersprüchlich informiert.

Kickl: Es waren Randalierer, die unter dem Deckmantel der Fußballfans agierten

Innenminister Herbert Kickl sah dies anders: Der Einsatz sei „professionell, umsichtig und ausgewogen“ erfolgt. Er sei notwendig gewesen, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten, Angriffe abzuwehren und Straftaten aufzuklären. Bei den eingekesselten „angeblichen Fußballfans“ habe es sich um Randalierer gehandelt, die unter dem Deckmantel der Fußballfans auftreten seien. Kickl appellierte an die Vereinsführung von Rapid, solchen Vorgängen einen Riegel vorzuschieben, sie nicht zu verharmlosen und nicht noch die Menschen anzustiften, dass sie mit Klagen gegen die Polizei vorgehen sollten.

Kickl wies darauf hin, dass die Einkesselung eine lange Vorgeschichte hatte. Bereits um 12.30 Uhr sei es in Hütteldorf am U4-Bahnhof zu Ausschreitungen mit pyrotechnischen Gegenständen gekommen. Das habe sich in der U-Bahnstation Karlsplatz fortgesetzt und sei am Reumannplatz in Wien 10 weitergegangen. Er zeichnete ein gefährliches Bild von den Wurfaktionen von der Brücke auf die Südosttangente. Nicht nur Schneebälle seien geworfen worden, sondern auch Feuerwerkskörper, Bier- und Cola/Whiskey-Dosen. Nach der Einkesselung habe es eine „Totalverweigerung“ bei der Identitätsfeststellung über Stunden hinweg gegeben. Immer wieder hätten Sprechchöre dazu aufgefordert, daran nicht mitzuwirken. „Jeder hätte rauskommen können, wenn er seinen Ausweis gezeigt hätte“, betonte Kickl. Er wies darauf hin, dass bei einigen der eingekesselten Personen später teilweise illegale pyrotechnische Gegenstände sichergestellt worden seien.

Die Einkesselung war nach Darstellung Kickls keineswegs so dramatisch, wie das von der SPÖ kolportiert wird. „Es war nicht allzu viel Platz, aber die Menschen waren nicht eingepfercht“, sagte Kickl. Die Polizei habe „Frauen, Kindern und gebrechlichen Personen“ angeboten, ihre Ausweise zuerst zu kontrollieren, sodass sie das Gelände verlassen konnten.

Bilanz: Keine Festnahmen, 1.375 Identitätsfeststellungen

In der Anfragebeantwortung erklärte Kickl, dass im Zeitraum der Einkesselung zwischen 15.09 und 21.55 Uhr die Identität von insgesamt 1.375 Personen festgestellt worden sei. Es habe keine Festnahme gegeben; „Hunderte Übertretungen und tätliche Angriffe“ seien festgestellt worden. Die Ausforschung von Verdächtigen sei bisher nicht gelungen. 22-mal habe die Rettung einschreiten müssen, um Personen im Kessel zu versorgen. Drei von ihnen seien in ein Krankenhaus eingeliefert worden.

Opposition spricht von „rechtsstaatlichem Debakel“

Die Darstellung des Innenministers empörte Bundesrat Martin Weber (SPÖ/St), der in der Einkesselung ein „rechtsstaatliches Debakel für unsere Demokratie“ sah. „Schämen Sie sich, Herr Minister“, sagte er in Richtung Kickl, der „wieder einmal mit seinem aggressiven Stil das Unschuldskind spielt“. Selbstverständlich solle jeder Einzelne bestraft werden, der Gegenstände auf die Fahrbahn geworfen hat, unterstrich Weber. Da es allerdings laut dem Bundesrat nur zu einer Anzeige gekommen ist, sehe er den Einsatz der Polizeikräfte als unverhältnismäßig an. Wolfgang Beer (SPÖ/N) fragte sich, warum die Polizei die Menschenmenge nicht schon früher gestoppt habe, wo doch Innenminister Kickl ins Treffen geführt hatte, dass die Randale bereits um 12.30 Uhr in Hütteldorf ihren Ausgang genommen hätten.

Weber stellte auch die Frage in den Raum, ob es sich um eine gezielte Machtdemonstration gehandelt habe. Außerdem wollte er wissen, warum man die Fans direkt über der Autobahn „eingekesselt“ habe, denn so seien auch die Autofahrer einer großen Gefahr ausgesetzt gewesen. Weil „Kinder und schwangere Frauen in einem Kessel stundenlang auf einem schlammigen, unbefestigten Trampelpfad festgehalten wurden“, hätte man Glück gehabt, dass die Situation nicht mit einer Massenpanik, wie etwa bei der Love-Parade in Duisburg 2010, geendet habe, sagte der SPÖ-Bundesrat. Seines Erachtens wurden „1.400 Menschen ihrer Freiheit beraubt und in Geiselhaft“ genommen – diesen Ausdruck zog er später zurück.

Kickl hatte die Wortwahl als „Verhöhnung jener Menschen, die tatsächlich einer Geiselhaft ausgesetzt gewesen sind“ bezeichnet. Die „falsche Darstellung der SPÖ, dass nur Schwangere und Kinder dabei gewesen wären“, erinnerte den Innenminister außerdem an die Darstellung während der Flüchtlingskrise.

Die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes stellte auch Ewa Dziedzic (Grüne/Wien) in Frage. Ihre Kritik richtete sie allerdings nicht an die einzelnen PolizistInnen, die rechtmäßig ihre Pflicht erfüllten, sondern an jene, die Verantwortung tragen, „jene, die die Übersicht verloren haben“. Da die Evaluierung des Einsatzes noch ausstehe, sollte man schnelle Schlüsse nicht vorwegnehmen, meinte sie zur „Stakkato-Rhetorik“ des Innenministers. Unerklärlich findet sie, dass 1.300 Personen dafür büßen müssten, weil es nicht möglich war, „die einzelnen Randalierer im Vorhinein zu isolieren“. Von gewalttätigen Randalierern sollte sich der Fußballverein distanzieren und sich überlegen, wie man sie fernhält, forderte sie.

Bundesrat Armin Forstner (ÖVP/St), im Zivilberuf seit 27 Jahren bei der Polizei, appellierte an die SPÖ, keine Vorverurteilungen vorzunehmen. Da der Einsatz und das Vorgehen der Exekutive geprüft wird, sollte man zunächst die Evaluierung abwarten, meinte er. Er dankte seinen Polizei-Kollegen und dem Innenminister dafür, dass keine der 1.300 anwesenden Personen und keine AutolenkerInnen zu Schaden gekommen sind. Er habe zwar kein Verständnis für die gewalttätigen Fußballfans, trotzdem sollte man „einen der größten sportlichen Leitvereine Österreichs“ nicht ins schiefe Licht rücken. Der Bundesrat geht davon aus, dass sich die Rapid-Funktionäre noch bei der Polizei entschuldigen werden.

Die FPÖ-Bundesräte Monika Mühlwerth, Georg Schuster und Andreas Arthur Spaming verteidigten die Aussagen von Innenminister Herbert Kickl und dessen Schilderungen über den Einsatz-Ablauf. Mühlwerth meinte, die Zuständigkeit für diesen Einsatz liege ohnehin nicht beim Innenminister, sondern bei beim Wiener Polizeipräsidenten und der Polizeiführung. Die Polizei hatte laut der Bundesrätin alles getan, damit die Situation nicht eskaliere. Außerdem hätte jede und jeder Anwesende durch Vorzeigen eines Ausweises den Ort verlassen können, meinte sie. Die SPÖ sollte außerdem aufhören, Sportvereine „politisch zu vereinnahmen“, meinte ihr FPÖ-Fraktionskollege Schuster, der erläuterte, dass es bereits vor der zur Diskussion stehenden Situation massive Probleme mit dem Rapid-Fan-Zug gegeben habe. (Ende Dringliche Anfrage/Fortsetzung Bundesrat) gb/fan

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