Europäische Strafregisterauskunft auch für Drittstaatsangehörige

Einigkeit im EU-Unterausschuss des Nationalrats über Vorteile; Diskussion über unterschiedliche Werte der Mitgliedstaaten

Wien (PK) Im EU-Unterausschuss des Nationalrats wurde eine Richtlinie und eine ergänzende Verordnung diskutiert, mit der ein Austausch von Strafregisterdaten auf EU-Ebene in Bezug auf Drittstaatsangehörige und Staatenlose ermöglicht werden soll. Justizminister Josef Moser legte dar, dass mit dem europäischen Strafregisterinformationssystem ECRIS den Strafverfolgungsbehörden in der EU ein probates Mittel zur Verfügung stehe, um rasch und effizient zu erheben, ob ein Staatsbürger eines EU-Landes innerhalb der EU vorbestraft ist. Die Herkunftsländer der EU sind verpflichtet, entsprechende Daten in Bezug auf ihre Staatsbürger über ECRIS bekannt zu geben. Das erspart den Mitgliedsländern langwierige Rechtshilfeverfahren auf zwischenstaatlicher Ebene. ECRIS wurde im April 2012 eingerichtet. Derzeit nehmen 25 EU-Mitgliedstaaten daran teil.

Das System funktioniert allerdings nicht, wenn es um Drittstaatsangehörige und Staatenlose geht, weil sie über keine „Herkunftsländer“ innerhalb der EU verfügen. Derzeit behelfen sich die Behörden in der EU, indem sie „generelle Anfragen“ an alle EU-Mitglieder stellen. Das ist aber verwaltungsaufwendig und kostet pro Jahr insgesamt etwa 78 Mio. €. Angesichts dieses Aufwands werden solche Anfragen nur in fünf Prozent der Fälle gestellt. Im Jahr 2014 beispielsweise wurden in der EU 558.000 Drittstaatsangehörige in 19 Mitgliedstaaten verurteilt. In dieser Zeit wurden jedoch nur 23.000 Auskunftsersuchen über Vorstrafen von Nicht-EU-BürgerInnen gestellt.

Auslöser für ein Umdenken in der EU waren die Terroranschläge der letzten Jahre, beginnend mit jenem auf die Redaktion des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ in Paris im Jänner 2015. Anfang 2016 legte die Europäische Kommission einen Richtlinienentwurf vor, durch den Abhilfe geschaffen werden sollte. In dieser Richtlinie war eine dezentrale Lösung vorgesehen: Die nationalen Strafregisterbehörden sollten die Identitätsdaten der in ihrem Land verurteilten Drittstaatsangehörigen in einem „Index-Filter“ anderen EU-Mitgliedstaaten zur Verfügung stellen. Im Rat fand sich jedoch eine breite Mehrheit von Mitgliedstaaten, die die dezentrale Lösung als schwer umsetzbar erachteten.

Nun doch zentrale Lösung für ECRIS-TCN geplant

Die Europäische Kommission legte daher im Juli 2017 eine Verordnung vor, mit der die Richtlinie um eine zentrale Lösung ergänzt werden soll. Das zentrale ECRIS-Netz, bezogen auf Strafregisterauskünfte über EU-BürgerInnen, soll um ein zentrales ECRIS-TCN-Netz („Third Country Nationals“) erweitert werden, bezogen auf Strafregisterauskünfte über Nicht-EU-BürgerInnen. Auskünfte aus dem ECRIS-TCN erfolgen in einem zweistufigen Verfahren: Im ersten Schritt stellt das anfragende Mitgliedsland fest, ob ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser in einem EU-Mitgliedsland eine Verurteilung hat; da im ECRIS-TCN-Netz nur Daten (z. B. Name, Geburtsdaten), Fingerabdrücke und Gesichtsdaten der oder des Betroffenen zur Verfügung stehen, tauschen das anfragende und das Auskunft gebende Mitgliedsland im zweiten Schritt Daten über die Verurteilung(en) aus. Mit dem Aufbau und der Wartung des ECRIS-TCN-Netzwerks wurde die EU-Agentur euLISA beauftragt. Sie zeichnete auch für die Entwicklung und Wartung des ECRIS verantwortlich.

Laut Justizministerium bestehen hinsichtlich Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität keine Bedenken. Voraussichtlich wird es auf nationaler Ebene in Österreich Änderungen in drei Gesetzesmaterien geben müssen: im Strafregistergesetz, im Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der EU und möglicherweise in jenen Normen, die den rechtlichen Rahmen für die Verwendung erkennungsdienstlicher Daten bilden, insbesondere Fingerabdrücke.

Justizminister Moser berichtete, dass derzeit noch nationale Regelungen bezüglich der Fingerabdrücke von Doppelstaatsbürgern diskutiert würden; auch der Umgang mit Doppelstaatsbürgern im Zusammenhang mit der Speicherung im ECRIS-TCN-Netz sei noch offen. Außerdem sei eine Konsultationsmöglichkeit vorgesehen, um zu prüfen, ob Betroffene bereits vor Verleihung einer EU-Staatsbürgerschaft in einem EU-Land verurteilt worden sind.

Frage nach Umgang mit unterschiedlichen Delikten innerhalb der EU

ÖVP-Abgeordneter Wolfgang Gerstl betonte, die Lösung bedeute einen Vorteil für die EU-BürgerInnen. Auch für die Betroffenen sei es ein Vorteil, weil sie nachweisen könnten, ob Vorverurteilungen über sie vorliegen. Auch FPÖ-Abgeordneter David Lasar unterstrich diesen Punkt. Wichtig ist laut Gerstl jedoch auch zu bestimmen, welche Verurteilungen in das ECRIS-TCN-Netz eingespeist werden sollten. Diesen Punkt unterstrich auch Johannes Jarolim (SPÖ). Er wies darauf hin, dass Straftatbestände innerhalb der EU äußerst unterschiedlich seien. Beispielsweise gebe es in Schweden im Sexualstrafrecht Delikte, die anderswo bei weitem nicht strafbar seien. Jarolim unterstrich, dass eine zentrale gemeinsame Wertewelt nicht festgelegt sei und sich damit die Frage eröffne, ob alle Delikte zu melden seien oder ob nicht doch Wertgrenzen festgelegt werden sollten. Wichtig sei das vor allem für den niederschwelligen Bereich, nicht für schwere Delikte oder wenn es darum gehe, Terrorismus zu verhindern. Auch für Doris Margreiter (SPÖ) ist die Frage zentral, wie die unterschiedlichen Werte der einzelnen EU-Länder in Einklang zu bringen sind. Sie wollte zudem die Einmeldepraxis der Mitgliedstaaten hinterfragt wissen. Ihrer Meinung nach sollte klar geregelt werden, welcher Zeitrahmen den EU-Ländern zur Verfügung steht, um Eintragungen vorzunehmen.

Justizminister Moser verwies darauf, dass das Europäische Parlament ursprünglich dem Vorhaben ablehnend gegenüber gestanden sei. In Anbetracht der Terrorlage jedoch habe es ein Umdenken gegeben und die Pattstellung habe sich aufgelöst. Wie mit Fingerabdrücken umgegangen werde, sei nach wie vor in nationalstaatlicher Hand. Da die Täter oft mit unterschiedlichen Alias-Namen und -Daten auftreten, sei es wichtig, Verwechslungen vorzubeugen. Das sei am besten mit Fingerabdrücken und künftig auch mit Gesichtserkennungsdaten möglich. Wenn künftig Drittstaatsangehörige und Staatenlose vom ECRIS-TCN-Netz umfasst seien, sei das sehr positiv für die BürgerInnen – und im Hinblick auf den Verwechslungsausschluss auch für Betroffene. Nun müsse alles daran gesetzt werden, um die neuen Vorschläge fit zu machen, sodass die Regelung zu einem positiven Abschluss gebracht werden könne. (Fortsetzung EU-Unterausschuss) gb

Rückfragen & Kontakt:

Pressedienst der Parlamentsdirektion
Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272
pressedienst@parlament.gv.at
http://www.parlament.gv.at
www.facebook.com/OeParl
www.twitter.com/oeparl

[ad_2]

Quelle

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER
INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at

(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender.

Eigenes Pressefach für Ihre Pressemeldungen - Pressefach.eu

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen