Finanzausschuss: Nationalbankspitze sieht Österreich bei Krisenbewältigung auf gutem Weg

Weitere Entwicklung der Pandemie allerdings großer Unsicherheitsfaktor

Wien (PK) Nationalbank-Gouverneur Robert Holzmann und Vize-Gouverneur Gottfried Haber sehen Österreich bei der Bewältigung der Corona-Krise grundsätzlich auf gutem Weg. Das Land stehe besser da als viele andere Staaten, hoben sie bei der traditionellen Aussprache des Finanzausschusses des Nationalrats mit der Nationalbankspitze hervor. So könnte etwa die österreichische Wirtschaft heuer mit -7,2% um 1,5 Prozentpunkte weniger stark einbrechen als jene im Euroraum. Allerdings sind alle Prognosen nach wie vor mit großer Unsicherheit behaftet. Viel wird davon abhängen, ob es im Herbst zu einer weiteren Pandemie-Welle kommt. Selbst wenn diese nur mild ausfallen sollte, würde das großen Einfluss auf die erwartete Erholung der Wirtschaft haben, hoben die beiden Gouverneure hervor.

Keine Sorgen machen sich Holzmann und Haber vorerst um die österreichischen Banken. Diese hätten nach wie vor einen erheblichen Finanzpuffer. Die Kritik vieler Unternehmen an zurückhaltenden Kreditvergaben durch Banken trotz staatlicher Garantien lässt sich laut Haber pauschal gesehen durch Zahlen nicht bestätigen: Immerhin seien die Kredite in den Monaten März bis Mai um 31 Mrd. € gestiegen.

Wirtschaft in Österreich könnte heuer um 7,2% einbrechen

Zu Beginn der Aussprache verwies Holzmann zunächst auf aktuelle Wirtschaftsprognosen. Demnach erwartet die OECD für heuer einen Rückgang der Weltwirtschaft um 6% im „Single-Hit-Szenario“. Es könnte aber auch einen Einbruch von 7,6% geben. Für den Euroraum wird ein Minus von 9,1% prognostiziert, die Europäische Zentralbank (EZB) geht in der Juni-Prognose von -8,7% aus. 2021 könnte der Euroraum laut EZB wieder um 5,2% wachsen. Allerdings setzen die Zahlen voraus, dass es gelingt, einen weiteren COVID-19-Ausbruch zu verhindern, und dass bis Mitte 2021 ein Impfstoff bzw. Medikament verfügbar ist. Als gute Nachricht für Österreich wertet Holzmann, dass die Wirtschaft in den ost- und südosteuropäischen Ländern gemäß der Analyse weniger stark schrumpft als im Euroraum.

Für Österreich geht die Notenbank (OeNB) derzeit von einem Wirtschaftseinbruch von 7,2% im heurigen Jahr aus. Bestenfalls wird es – bei einer schnelleren und erfolgreicheren weltweiten Eindämmung des Coronavirus – zu einem BIP-Rückgang von 4,6% kommen. Bei einer zweiten (schwächeren) Pandemie-Welle im Herbst in Österreich droht hingegen ein Minus von 9,2%. Die Bandbreite des Wachstums für 2021 wird von 6,4% (optimistisches Szenario) bis 3,5% (pessimistisches Szenario) geschätzt, am wahrscheinlichsten ist ein Plus von 4,9%. Auch die stark ansteigende Verschuldung soll bereits 2021 wieder abnehmen.

Stolz zeigte sich Holzmann über den von der Notenbank neu entwickelten wöchentlichen BIP-Indikator. Er zeigt in den ersten drei Wochen nach dem Lockdown einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von mehr als 25% im Vergleich zum Vorjahr an, dann ging die Lücke wieder sukzessive zurück und lag in der zweiten Juniwoche nur noch bei 10%. Besonders stark sind der Konsum und die Exporte eingebrochen, wobei sich der Konsum mit der Öffnung der Geschäfte Anfang Mai rascher wieder erholte, während die Exporte immer noch nachhinken, wie Holzmann hervorhob. Vor allem beim „Tourismusexport“ sind bislang nahezu keine Änderungen sichtbar.

Konsum: Nationalbank rechnet mit starkem Wachstum 2021

Dass der private Konsum, der in Österreich normaler Weise konjunkturstabilisierend wirkt, nach dem Lockdown derart stark eingebrochen ist, führt Holzmann darauf zurück, dass „Vorsichtssparen“ und „Zwangssparen“ kumulierten. Der Konsum wird gemäß den Prognosen der OeNB und des Wifo demnach heuer weitaus stärker zurückgehen als das verfügbare Haushaltseinkommen. Das heißt, die Krise führt nicht wie frühere Krisen zu einem Rückgang des Sparens. Die OeNB rechnet aber damit, dass es 2021 zu einem Aufholprozess bei der Konsumnachfrage durch „Entsparen“ und damit zu einer Normalisierung kommen wird. „Wenn nicht, haben wir ein Problem“, so Holzmann.

Die Inflation lag in Österreich zuletzt bei 0,7% und im Euroraum bei 0,1%, womit man dort knapp an einer Deflation vorbeischrammte.

Weigehende Einigkeit in der Europäischen Zentralbank

Was die von der Europäischen Zentralbank gesetzten Maßnahmen betrifft, verwies Holzmann darauf, dass sich an den Zinsen nichts geändert habe. Das Ankaufsprogramm für Wertpapiere sei aber zweimal erhöht worden. Insgesamt stünden für das Pandemie-Notfallankaufprogramm (PEPP) bis Juni 2021 1.350 Mrd. € zur Verfügung. Als Grund für dieses Programm nannte Holzmann zum einen die Inflation, zum anderen wollte man der hohen Verunsicherung an den Finanzmärkten zu Beginn der Epidemie begegnen. Als zweites EZB-Handlungsinstrument verwies er auf spezifische Kreditvergaben an Banken, mit dem Ziel, diese Klein- und Mittelbetrieben zur Verfügung zu stellen.

Über Höhe und Zeitpunkt der Maßnahmen habe es zwischen den EZB-Mitgliedern teilweise unterschiedliche Einschätzungen gegeben, wie Holzmann auf Nachfrage festhielt. Letztendlich seien die Beschlüsse im Wesentlichen aber von allen mitgetragen worden. Er sei überhaupt überrascht, „wie viel Gemeinsamkeit wir haben und wie wenig Differenzen es gibt“.

Haber: Banken sind gut vorbereitet in die Krise gekommen

In Bezug auf die Finanzmarktstabilität und die Entwicklung des Bankensektors hob Vize-Gouverneur Gottfried Haber hervor, dass die Banken gut vorbereitet in Krise hineingekommen seien. Ihre Resilienz habe sich seit der Finanzkrise – etwa durch eine höhere Eigenmittelausstattung und eine Steigerung der Standards bei den Kreditvergaben – massiv erhöht, betonte er. Somit gebe es jetzt einen ausreichenden Krisen-Puffer, wiewohl ihm zufolge grundsätzlich nichts dagegensprechen würde, wenn Puffergrößen in einer Krise auch einmal unterschritten würden, wenn man diese danach wieder aufbaue. Die Notenbank empfiehlt den Banken allerdings unter anderem „eine umsichtige Ausschüttungspolitik“, um Eigenkapital zu erhalten.

Auch insgesamt sieht Haber Österreich für die Krise gut gewappnet. So sei das Land eines von nur sechs europäischen Ländern, denen die Rating-Agentur Moodys einen stabilen Ausblick zugesprochen habe, skizzierte er. Überhaupt würden Ratingagenturen betonen, dass die österreichische Finanzaufsicht ihre Hausaufgaben gut gemacht habe. Auch vom Internationalen Währungsfonds (IWF) hat Österreich laut Haber zuletzt gute Noten erhalten, wobei auch einige Empfehlungen wie rechtlich bindende Maßnahmen bei wohnimmobilieninduzierten Systemrisiken abgegeben wurden. Auch Holzmann verwies auf die gute Bewertung sowohl der gesundheitspolitischen als auch der fiskalpolitischen Maßnahmen durch den IWF.

Auswirkungen haben die positiven Beurteilungen auf die Refinanzierungskosten, wobei die Kurve, so Haber, in der Krise noch steiler geworden sei. Die Finanzmärkte würden demnach sehr stark zwischen weniger gut und gut eingestuften Ländern unterscheiden.

Holzmann: Insolvenzen werden sich nicht vermeiden lassen

Deutlich sichtbar wird die Corona-Krise Haber zufolge beim Kreditwachstum. Dieses sei von März bis Mai um 31 Mrd. € angestiegen, wobei vor allem Unternehmenskredite betroffen seien. Damit bestätigt sich für Haber auch, dass die beschlossenen staatlichen Haftungen und Garantien grundsätzlich Wirkung zeigen. Aussagen, wonach die Gelder bei den Unternehmen nicht ankommen, würde er in diesem Sinn so nicht unterschreiben, auch wenn es bei der Umsetzung zum Teil zu Verzögerungen und in Einzelfällen zu Unsicherheiten gekommen sei.

Klar ist für Haber aber auch, dass die Banken, auch wenn man ihnen viel Verantwortung abgenommen habe, weiterhin Sorgfaltspflichten hätten. Schließlich müsse man aufpassen, dass man nicht von der Corona-Krise in eine Bankenkrise schlittere. Die Kreditinstitute würden die großen Herausforderungen erst 2021 und 2022 spüren, vermutet er. Von einer Überforderung des Finanzsektors sei Österreich derzeit aber weit entfernt, versicherte Haber, Österreich befinde sich auf gutem Weg. Der Anteil der Fremdwährungskredite an den Unternehmenskrediten ist laut Haber in den letzten Jahren stark gefallen und liegt nur noch bei 2%.

Die Insolvenz der einen oder anderen Firma wird sich nach Meinung von Gouverneur Holzmann jedenfalls nicht vermeiden lassen. Vom ökonomischen Standpunkt sei es schwierig, noch mehr Geld zur Rettung von Unternehmen zur Verfügung zu stellen, meinte er. Sinnvoller werde es wohl sein, neue Unternehmen zu unterstützen, statt Geld in ohnehin nicht überlebensfähige Firmen zu stecken.

Was das Thema Bargeld anlangt, wies Holzmann darauf hin, dass es rund um den Lockdown eine hohe Bargeldnachfrage seitens der ÖsterreicherInnen gegeben habe. Das habe der OeNB ein wenig schlaflose Nächte bereitet, meinte er, es habe aber alles funktioniert. Inzwischen habe sich die Nachfrage stabilisiert. Allgemein sieht Vize-Gouverneur Haber den bargeldlosen Zahlungsverkehr auch in Österreich auf dem Vormarsch, wobei sich die OeNB zu einem gleichwertigen Nebeneinander von Bargeldverkehr und bargeldlosem Verkehr bekenne, wie er betonte.

Ein gewisses Kopfzerbrechen bereitet Holzmann, dass Europa bei Zahlungssystemen extrem stark vom Ausland abhängig ist: Hier sieht er auf europäischer Ebene noch einiges zu tun. In Österreich verwies er auf das Projekt „Felix Austria“.

SPÖ befürchtet Inflationsschub nach Auslaufen der Mehrwertsteuersenkung

Von Seiten der Abgeordneten kritisierte Kai Jan Krainer (SPÖ), dass bei den vorgestellten Analysen die Entwicklung des Arbeitsmarkts weitgehend ausgeblendet wurde. Auch Andreas Hanger (ÖVP) sprach dieses Thema an. Zudem befürchtet Krainer, dass es ab 2021 zu einem Inflationsschub kommen könnte, wenn die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer für manche Branchen wieder wegfällt. Zum wöchentlichen BIP-Indikator merkte er an, diese Wirtschaftseinbrüche in den vergangenen Wochen zwischen 10% und mehr als 25% würden eher darauf hindeuten, dass die bisherigen Prognosen zu optimistisch seien.

Er und sein Fraktionskollege Christoph Matznetter sprachen zudem die Entwicklungen beim Unternehmen „Wirecard“ an. Es habe sich gezeigt, dass die Regulatorik bei Fin-Tech-Unternehmen trotz dichter Kontrolle offenbar noch ausbaufähig sei, meinte Matznetter. Dass sich Banken trotz staatlicher Haftungen immer wieder weigern, Kredite an Unternehmen zu vergeben, könnte laut Matznetter auch auf schlechte „Alpine-Erfahrungen“ zurückzuführen sein. Seiner Einschätzung nach blicken die Banken zudem zu stark „auf den Puffer“ und zu wenig auf die Volkswirtschaft.

ÖVP-Abgeordneter Hanger wies darauf hin, dass sich Österreich von internationalen Entwicklungen nicht abkoppeln könne und viele Unternehmen ihre Reserven und Puffer schon aufgebraucht hätten.

FPÖ lobt Aktualität der Zahlen

Großes Lob für die Aktualität der Zahlen gab es von Hubert Fuchs (FPÖ), wobei er dieses gleichzeitig für einen Seitenhieb gegenüber Finanzminister Gernot Blümel nutzte. Dieser solle sich ein Beispiel daran nehmen, dass die den Berichten zugrundeliegenden Daten nicht einmal eine Woche alt seien. Wissen wollte Fuchs, ob es stimme, dass die EZB auch Anleihen gekauft habe, die von Rating-Agenturen auf Junk-Level herabgestuft wurden. Gerhard Kaniak (FPÖ) wies darauf hin, dass jene EU-Länder, die von der Corona-Krise am stärksten betroffen sind, auch schon vor der COVID-19-Pandemie in großen Schwierigkeiten steckten. Er befürchtet eine steigende Vertrauenskrise gegenüber dem Euro.

Seitens der Grünen zeigte sich Nina Tomaselli überrascht, dass die Nationalbank für 2021 mit einer deutlichen Erholung des Konsums trotz sinkender Haushaltseinkommen rechnet. Sie erkundigte sich außerdem nach Maßnahmen gegen eine Überhitzung des Immobilienmarkts, wobei Vize-Gouverneur Haber derzeit keine diesbezüglichen Probleme sieht. Der Wohnimmobilienmarkt sei sehr stabil, sagte er. Positiv bewerten Elisabeth Götze und Jakob Schwarz, dass die Banken gut aufgestellt seien.

Wirecard: Keine systemischen Risiken für österreichische Banken

Zum Thema Wirecard merkte Haber an, dass es aufgrund der Volumina ihres Engagements keine systemischen Risiken für österreichische Banken gebe. Was die Frage der Aufsicht betrifft, gab er zu bedenken, dass die großen Player im Finanzdienstleistungssektor nicht in Österreich säßen. Bei Wirecard gehe es aber offenbar ohnehin eher in Richtung Bilanzskandal und nicht so sehr um Malversationen beim Zahlungsverkehr. Es sei jedoch wichtig, dass bei der Aufsicht keine Lücken bestehen, betonte Haber und sicherte Gespräche auf europäischer Ebene zu. 

Was die Corona-Krise betrifft, warnte Haber die Abgeordneten ganz allgemein „vor der Illusion einer falschen Exaktheit“. Man könne die Wirksamkeit der gesundheitspolitischen und der wirtschaftspolitischen Maßnahmen immer nur schätzen, meinte er. Europäische Hilfen für von der Corona-Krise besonders stark betroffene Länder hält Haber für notwendig – man müsse international koordiniert rasch stabilisieren, um aus der Krise zu kommen. Dass die Hilfen und die steigenden Staatsschulden in eine Euro-Krise münden könnten, sieht er nicht, da er davon ausgehe, dass die Gesundheitskrise nur eine vorübergehende sei und man danach „wieder auf einen nachhaltigen Pfad zurückkehrt“.

Die Corona-Krise ist seiner Meinung nach mit der Finanzkrise auch nicht wirklich vergleichbar: Damals sei die Krise von den Finanzmärkten ausgegangen, jetzt handle es sich um eine Gesundheitskrise. Die Banken seien derzeit nicht Teil des Problems, sondern können Teil der Lösung sein, so Haber. (Fortsetzung Finanzausschuss) gs


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