Fotos der Leiche auf „oe24.at“ verletzen Würde des Mordopfers

Wien (OTS) Nach Meinung des Senats 1 verstößt der Artikel „Täter postete Foto von Mord-Opfer in WhatsApp-Story“, erschienen am 20.01.2020 auf „oe24.at““, gegen die Punkte 5 (Persönlichkeitsschutz) und 6 (Intimsphäre) des Ehrenkodex für die österreichische Presse.

Im Artikel wird über einen Mordfall in Neunkirchen berichtet, bei dem ein Mann im Verlauf eines Streits erstochen worden sei. Während sich die Polizei mit Details zur Tat zurückgehalten habe, sei von einem ÖSTERREICH-Mitarbeiter Unglaubliches entdeckt worden. So habe der Verdächtige auf seiner WhatsApp-Seite in der sogenannten Story offenbar selbst ein Foto der „blutüberströmten Leiche“ des Opfers gepostet. Dem Artikel sind mehrere Fotos beigefügt, u.a. das Foto der Leiche, auf das im Artikel hingewiesen wird.

Auf diesem Foto waren zunächst die blutige Kleidung des Opfers, mögliche Einstiche im Bauchbereich sowie Blutspuren auf dem Boden erkennbar. Das Gesicht des Opfers wurde verpixelt, worauf hingewiesen wird („Anm. aus Pietats-Gründen ist die Leiche verpixelt“). Zu einem späteren Zeitpunkt wurden vom Medium auch die Verletzungen im Bauchbereich sowie die Blutspuren auf der Kleidung und auf dem Boden verpixelt.

Eine Leserin kritisiert die Veröffentlichung als untragbar bzw. mehr als nur „pietätlos“. Die Medieninhaberin nahm am Verfahren vor dem Presserat nicht teil.

Der Senat weist zunächst darauf hin, dass Berichte über Mordfälle grundsätzlich von öffentlichem Interesse sind. Die Kriminalberichterstattung dient in gewisser Weise auch der Abschreckung potentieller anderer Täter und damit der Prävention. Aus dem öffentlichen Interesse an einem konkreten Mordfall ergibt sich jedoch nicht, dass der Persönlichkeitsschutz des Opfers missachtet werden darf.

Nach allgemeiner Auffassung der Senate des Presserats ist die Würde eines Menschen, die in Punkt 5 des Ehrenkodex erwähnt wird und den Kern des Persönlichkeitsschutzes darstellt, auch postmortal zu beachten. Im vorliegenden Fall wurde ein Bild von der Leiche des Opfers veröffentlicht. Aufnahmen vom Moment des Todes betreffen neben der Würde auch die Intimsphäre des Sterbenden (Punkt 6 des Ehrenkodex). Die Veröffentlichung des Fotos verletzt somit die Persönlichkeitssphäre des Ermordeten: Der Senat erachtet es als evident, dass die Menschenwürde und der Opferschutz hier grob missachtet wurden.

Nach Ansicht des Senats dient die Veröffentlichung des Fotos bloß der Befriedigung des Voyeurismus und der Sensationsinteressen gewisser Leser (Punkt 10.3 des Ehrenkodex). Das betroffene Medium wurde seiner Filterfunktion nicht gerecht; die Verbreitung des grausamen Bildmaterials auf der WhatsApp-Seite des Verdächtigen rechtfertigt die journalistische Veröffentlichung nicht.

Zudem spielt es keine Rolle, dass das Medium das Gesicht des Opfers und zu einem späteren Zeitpunkt auch die Einstiche im Bauchbereich verpixelt hat. Aufgrund der detaillierten Schilderung des Vorfalls ist das Opfer für dessen unmittelbares Umfeld jedenfalls weiterhin identifizierbar.

Der Senat weist schließlich auch noch darauf hin, dass die Medien in der Berichterstattung Rücksicht auf die Trauerarbeit und das Pietätsgefühl der Angehörigen zu nehmen haben. Nach Ansicht des Senats ist die Veröffentlichung von Bildaufnahmen von der Leiche eines Menschen geeignet, die Trauerarbeit der Angehörigen massiv zu erschweren.

Die Medieninhaberin von „oe24.at“ wird aufgefordert, über den Ethikverstoß freiwillig zu berichten.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINER LESERIN

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall führte der Senat 1 des Presserats aufgrund einer Mitteilung einer Leserin ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht.
Die Medieninhaberin von „oe24.at“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.

Die Medieninhaberinnen von „oe24.at“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht anerkannt.

Rückfragen & Kontakt:

Tessa Prager, Sprecherin des Senats 1, Tel.: +43 – 1 – 23 699 84 – 11

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Quelle

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