Generelle Aufhebung aller Corona-Strafen für Innenminister Nehammer nicht zielführend

Menschenrechtsausschuss spricht sich für Beschwerdestelle bei Misshandlungsvorwürfen gegen PolizistInnen aus

Wien (PK) Innenminister Karl Nehammer sprach sich heute in der Aktuellen Aussprache im Menschenrechtsausschuss des Nationalrats gegen eine generelle Aufhebung aller Corona-Strafen aus. Eine General-Amnestie sei nicht zielführend, sagte er gegenüber der Opposition mit Verweis auf laufende Verwaltungsstrafverfahren und Rechtsstaatlichkeit. Es könne durchaus sein, dass es von PolizistInnen in dieser fordernden Ausnahmesituation zu strittigen Entscheidungen gekommen sei, er teile aber nicht die Meinung, dass die Mehrheit der Anzeigen aufgehoben werden solle. Die gesamte Bundesregierung habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, um die Sicherheit für die Menschen zu gewährleisten, rechtliche Grundlagen für das polizeiliche Handeln während der Corona-Krise seien die Verordnungen des Gesundheitsministeriums gewesen. Klar sei jedenfalls, dass alle Fälle rechtsstaatlich abgehandelt werden. Angesprochen wurde eine mögliche General-Amnestie von Petra Bayr (SPÖ), Cornelia Ecker (FPÖ) und Nikolaus Scherak (NEOS).

Ohne die Stimmen der FPÖ hat sich der Menschenrechtausschuss in einer Entschließung für eine Beschwerdestelle bei Misshandlungsvorwürfen gegen PolizistInnen ausgesprochen. Zwei NEOS-Anträge gegen den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware durch Sicherheitsbehörden wurden mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

Black-Lives-Matter-Bewegung: Heimische Polizei für Nehammer mit jener der USA nicht vergleichbar

Geht es um Auswirkungen und Konsequenzen für die österreichische Polizei in Zusammenhang mit der Black-Lives-Matter-Bewegung nach dem Tod von George Floyd in den USA, sagte Nehammer, dass die Unterschiede zwischen den USA und Österreich im Bereich der Exekutive gravierend seien. Die Polizei sei in Österreich bundeseinheitlich strukturiert, in den USA föderal bzw. kommunal, was oftmals auch große Ausbildungsunterschiede bei den eingesetzten PolizistInnen mit sich bringen würde. Österreich habe in den letzten Jahren das Niveau der Polizei-Ausbildung stetig steigern können. „Dieser Prozess darf nie enden“, so der Innenminister gegenüber Gudrun Kugler (ÖVP).

Konkrete Maßnahmen gegen Rassismus in der Polizeiarbeit seien u.a. der Dialogprozess Polzei.Macht.Menschrechte, um das Bewusstsein und Sensorium zu schärfen sowie 204 Ausbildungsstunden im Bereich der sozialen Kompetenz sowie 56 Ausbildungsstunden im Bereich der Menschenrechte. Zudem würden die Ausbildungspläne für PolizistInnen von ExpertInnen gerade evaluiert.

Auch in Sachen Menschenhandel gebe es zweimal jährlich spezielle Schulungen für Exekutivbedienstete, wie Faika El-Nagashi (Grüne) erfuhr. Darüber hinaus seien gemeinsam mit dem UNHCR Schulungsmaßnahmen im Bereich der irregulären Migration umgesetzt worden.

Was das von Robert Laimer (SPÖ) angesprochene mögliche neue Asylquartier im Burgenland betrifft, informierte der Innenminister, dass es sich dabei um kein Quartier, sondern um die Umsetzung eines Testbetriebs für ein schnelleres Asylverfahren bzw. 48-Stunden-Asylverfahrens für Fälle mit geringerer Bleibewahrscheinlichkeit unter Bedachtnahme u.a. der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Menschenrechtskonvention handle. Für den Testbetrieb sei das Burgenland bzw. Eisenstadt ausgewählt worden.

Die große Befürchtung, dass Österreich aufgrund der Corona-Ausgangsbeschränkungen hohe Fallzahlen an häuslicher Gewalt haben würde, habe sich nicht bestätigt, informierte Nehammer. Es seien allerdings noch immer genug Delikte passiert, so der Innenminister, deswegen werde man gemeinsam mit dem Frauenministerium an weiteren Maßnahmen insbesondere im Bereich der nachhaltigen Hilfe arbeiten. Grundsätzlich habe es während des Corona-Lockdowns weniger „analoge Kriminalität“ wie Raufhandel, Gewaltdelikte oder Einbrüche gegeben, zu verzeichnen sei allerdings ein Anstieg der Internet-Kriminalität gewesen. Ein Phänomen, das laut Nehammer nicht mehr zurückgehen wird. 2020 eigne sich für Referenzwerte in der Kriminalstatistik jedenfalls nicht.

FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst interessierte sich für den eingesetzten „Digitalen Krisenstab“ gegen Falschinformationen rund um das Corona-Virus. Demnach wurden laut Minister bis Ende Mai acht bis zehn PolizeischülerInnen pro Monat zur Identifizierung und Richtigstellung von Fake News eingesetzt, was insgesamt Kosten von zirka 100.000 € verursacht habe. Während der Corona-Krise sei eine Welle an Falschinformationen durch das Netz gegangen, Ziel sei es gewesen, Aufklärungsarbeit zu leisten, so Nehammer. Das Thema Fake News werde Österreich in Zukunft noch fordern.

Beschwerdestelle bei Misshandlungsvorwürfen gegen PolizistInnen

Mit den Stimmen aller Parlamentsfraktionen außer der FPÖ wurde der Innenminister vom Menschenrechtsauschuss aufgefordert, rasch eine unabhängige Beschwerde- und Untersuchungsstelle für Misshandlungsvorwürfe gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte zu schaffen (725/A(E)). Die Untersuchungsstelle soll nach Ansicht der beiden Antragsstellerinnen Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) und Gudrun Kugler (ÖVP) sowohl von Amts wegen ermitteln als auch als Beschwerdestelle für Betroffene fungieren und mit polizeilichen Befugnissen ausgestattet sein. Bei der Konzeption und Umsetzung gelte es, den einschlägigen internationalen Vorgaben für eine effektive Untersuchung Rechnung zu tragen, um eine rasche, gründliche, kompetente, unparteiische und unabhängige Untersuchung und gegebenenfalls die Verfolgung von Misshandlungsvorwürfen zu garantieren.

Die Forderung sei von der Idee her nicht neu, sagte Georg Bürstmayr (Grüne) im Ausschuss. Österreich habe eine Polizei, die im internationalen Vergleich auf einem menschenrechtlich sehr hohen Niveau agiere. „Wir Grünen wollen, dass das so bleibt“, so Bürstmayr. Man wisse, was passieren könne, wenn sich gewisse Bevölkerungsteile von der Polizei nicht mehr beschützt und diskriminiert fühlen.

Unterstützung kam auch von SPÖ und NEOS. Das österreichische Beschwerdeverfahren sei international in Verruf, einem effizienten und objektiven Beschwerdeverfahren könne sie nur zustimmen, sagte Stephanie Krisper (NEOS). Die für sie offene und entscheidende Frage sei allerdings, wo die Beschwerdestelle angesiedelt wird, wie neben Krisper auch SPÖ-Abgeordnete Sabine Schatz aufwarf. Eine Weisungsfreiheit müsse in jedem Fall gegeben sein, sind sich die beiden Abgeordneten einig.

Als „überraschend“ wertete Susanne Fürst (FPÖ) den Umstand, dass die ÖVP vor dem Hintergrund der Polizei-Ausbildung die Notwendigkeit einer Beschwerdestelle bei Misshandlungsvorwürfen gegen PolizistInnen sieht.

„Wir haben tatsächlich eine Polizei, die das höchste Vertrauen vonseiten der Bevölkerung genießt“, sagte Innenminister Nehammer, das Hinschauen bei Fehlern sei allerdings notwendig und gerechtfertigt. Er bekenne sich vollends zum Vorhaben, mitbedacht werden müsse aber auch, dass es letztes Jahr über 1.000 verletzte PolizistInnen bei Einsätzen gegeben habe.

NEOS gegen Einsatz von Gesichtserkennungssoftware durch Sicherheitsbehörden

Thema war im Ausschuss auch der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware, wobei der Innenminister versicherte, dass es der Polizei grundsätzlich nicht um permanente Überwachung gehe, sondern um die rasche Möglichkeit eines digitalen Bildabgleichs etwa in Fall eines Raufhandels oder eines Raubüberfalls. Diese Bilder würden in einem abgegrenzten, sehr klaren Prozess aus dem Material herausgeschnitten und mit der Bilddatenbank mit zirka 600.000 Fahndungsfotos abgeglichen. So könnten TäterInnen rascher ermittelt werden, sagte Nehammer.

Die NEOS sehen den aus ihrer Sicht rasanten globalen Vormarsch von Gesichtserkennungssoftware durch Sicherheitsbehörden allerdings sehr problematisch. Laut Medienberichten würden immer mehr Staaten der Sicherheitsstrategie Chinas folgen, die sich durch Totalüberwachung mittels Gesichtserkennungssoftware und massenhafter Videoüberwachung auszeichne. Die Oppositionsfraktion fordert demnach von der Regierung, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, der ein Recht auf Anonymität im öffentlichen Raum verankert. Dabei sei im Besonderen darauf zu achten, dass BürgerInnen keiner Totalüberwachung im öffentlich Raum unterworfen sind. Außerdem soll das anlasslose Aufzeichnen von Bewegungsprofilen, die Verknüpfung von Echtzeitvideoüberwachung und Gesichtserkennungssoftware sowie biometrische und algorithmengesteuerte Gesichtserkennung oder ein anderes biometrisches Verfahren zum Ziel der anlasslosen Identifizierung nicht zulässig sein (354/A(E)).

Eine weitere Forderung in diesem Zusammenhang zielt auf ein europaweites temporäres Moratorium für den Einsatz von Software zur automatisierten und massenhaften Gesichtserkennung im öffentlichen Raum ab. Geht es nach den NEOS, sollen sich insbesondere die Europaministerin sowie der Innenminister im Rat der Europäischen Union bzw. generell auf Unionsebene dafür einsetzen (364/A(E)).

Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) sprach von einem Balance-Akt zwischen Sicherheit und Freiheit und kündigte vonseiten der Regierung eine „Überwachungsgesamtrechnung“ an. Demnach sollen bisher in Österreich eingesetzte Überwachungsmaßnahmen evaluiert werden. Gesichtserkennungssoftware sei nicht präzise und würde zu einer überbordenden Datensammlung führen. „Wir Grünen waren hier schon immer skeptisch“, so Ernst-Dziedzic.

Innenminister Nehammer betonte, dass es Ansinnen der Polizei sei, die Menschenrechte zu wahren. Angesichts der großen Herausforderungen etwa in Zusammenhang mit Terrorismus und organisierter Kriminalität müsse er aber auch an die Legislative appellieren, Rahmenbedingungen zu ermöglichen, die den Kampf dagegen ermöglichen. Da bedeute auch Einsatz von Technik und künstlicher Intelligenz. (Fortsetzung Menschenrechtsausschuss) keg


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