Gesundheitsausschuss: Tierschutzvolksbegehren wird im Herbst weiter behandelt

Forderungen der Opposition vertagt

Wien (PK) Nach einer einleitenden Runde mit Statements zu den fünf Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens (771 d.B.) nützten die Abgeordneten im Gesundheitsausschuss heute die Gelegenheit zum Austausch mit ExpertInnen.

Mit den Stimmen der Regierungsparteien wurde am Ende des Hearings eine Vertagung der Behandlung des Tierschutzvolksbegehrens und der von der Opposition eingebrachten Anträge beschlossen. Der Gesundheitsausschuss kann sich damit nochmals im Herbst mit den darin formulierten Anliegen befassen. Ebenso wurde die Behandlung des Volksbegehrens „Für Impf-Freiheit“ von ÖVP und Grünen vertagt.

ÖVP: Chance, Lebensmittelsystem substantiell weiter zu entwickeln

Franz Eßl (ÖVP) betonte, dass Tiere Mitgeschöpfe seien und deswegen Tierwohl ein wichtiges Anliegen sei. Einige Forderungen des Volksbegehrens seien im Regierungsprogramm verankert und würden teilweise bereits umgesetzt werden. Es bedürfe praktikabler Lösungen und Bäuerinnen und Bauern müssten dabei „mitgenommen“ werden. Georg Strasser (ÖVP) betonte, dass 2021 die Chance sei, das Lebensmittelsystem substantiell weiter zu entwickeln. Die LandwirtInnen seien bereit zur Veränderung und würden bereits investieren. Entscheidend seien aber auch die KonsumentInnen. Diese würden täglich entscheiden, in welche Richtung es geht. In diesem Sinne appellierte Fraktionskollege Josef Hechenberger, dass es notwendig sei, KonsumentInnen sichtbar zu machen, wo Lebensmittel her kommen. Dazu sei auch wichtig, Lebensmittelimporte zu thematisieren.

SPÖ: Tierwohl umsetzen

Vonseiten der SPÖ appellierte Dietmar Keck (SPÖ) an die anderen Fraktionen, die Tierwohl-Anliegen umzusetzen. Hinsichtlich illegalem Tierhandel forderte er, etwas gegen die „Hundemafia“ zu unternehmen. Philip Kucher (SPÖ) interessierte die Rolle von Tierärzten bei Kontrollen und forderte, sicher zu stellen, dass diese frei von Interventionen im Sinne des Tierwohls handeln können. Tierschutz sei allzu oft in den Agrarressorts der Bundesländer angesiedelt. Dies sei ein Interessenskonflikt. Cornelia Ecker (SPÖ) erkundigte sich, welchen Nutzen die vom Volksbegehren geforderte Verbandsklage für das Wohl der Tiere hätte.

Die SPÖ fragte bei den ExpertInnen nach dem Gesamtaufwand der Umrüstung auf Vollspalten nach.

FPÖ: Volksbegehren umsetzbar

Der Freiheitliche Hannes Amesbauer betonte, dass die Punkte des Volksbegehrens umsetzbar seien. Es arbeite nicht mit Schuldzuweisungen Richtung BäuerInnen und KonsumentInnen. Die Lösungen seien eine Umschichtung der Fördermittel für Landwirtschaft, die Veränderung der Lebensmittelbeschaffung der öffentlichen Hand sowie Transparenz. Abgeordneter Gerald Hauser (FPÖ) interessierte sich für die Wettbewerbsfähigkeit der ohnedies kleinstrukturierten Landwirtschaft gegenüber der internationalen Agrarindustrie. Er zeigte sich davon überzeugt, dass die Landwirtschaft nur dann Chancen habe, wenn die Herkunftsbezeichnung der Lebensmittel forciert werde.

FPÖ-Abgeordneter Peter Schmiedlechner erkundigte sich nach dem Tierwohl bei der Anbindehaltung gegenüber der Laufstallhaltung bei Rindern.

Grüne: Systemwandel weg von konventioneller industrieller Massentierhaltung

Faika El-Nagashi (Grüne) betonte, dass Tierwohl und -schutz den Menschen in Österreich ein wichtiges Anliegen sei. Sie hätten große Erwartungen an die Politik. Sie zeigte sich überzeugt, dass es eines generellen Systemwandels weg von konventioneller industrieller Massentierhaltung, klimaschädlicher Produktion und entgrenzten Fleischkonsums bedarf. Fraktionskollegin Olga Voglauer bekräftigte dies. Es bedürfe eines Systemwechsels der Landwirtschaft Richtung mehr Mensch-Tier-Beziehung und einer Beziehung zu den Böden und Produkten. Bei diesem Wechsel sei es entscheidend, die LandwirtInnen „mitzunehmen“. Dies unterstützte auch Clemens Stammler (Grüne). Viele LandwirtInnen würden mit dem „Rücken zur Wand stehen“, weil die Preissituation vermeintlich keine Verbesserungen zulassen würde. Man müsse in Dialog treten und Chancen für eine qualitätsvolle Produktion aufzeigen. Abgeordnete Voglauer erkundigte sich bei den ExpertInnen weiters zu den Folgen des Klimawandels für die Nutztierhaltung.

NEOS: Herkunft von Fleisch kein Qualitätsmerkmal

Dass der Mensch Verantwortung für Tiere habe, rief Fiona Fiedler (Grüne) ins Bewusstsein. Die Herkunft von Fleisch sei kein Qualitätsmerkmal. Vielmehr sei die Haltungskennzeichnung entscheidend. Gerald Loacker (NEOS) unterstützte dies und hinterfragte das AMA-Gütesiegel. Dies würde jeder Betrieb erhalten. Es sei eine Illusion, dass dieses etwas mit Qualität zu tun habe. Das Gütesiegel würde genauso Vollspaltenhaltung und klimaschädliches Soja aus Regenwäldern ermöglichen. Außerdem kritisierte er wie Philip Kucher (SPÖ), dass Tierschutz allzu oft in den Agrarressorts der Bundesländer angesiedelt sei. Dies sei ein Interessenskonflikt.

Baluch: Tierwohl Anforderung für Landwirtschaftsförderung

Experte Martin Balluch (Referent, Verein Gegen Tierfabriken) betonte, dass Menschen, die Strohhaltung nicht für notwendig erachten, keine Schweine halten sollten. Teilspaltenhaltung von Schweinen sei grundsätzlich eine Alternative. Damit verbunden müsse aber auch mehr Fläche pro Schwein zur Verfügung stehen. Insgesamt brauche es gesetzliche Änderungen, um Veränderungen in der Landwirtschaft anzuschieben. Er führte als Beispiel das Verbot der Käfighaltung von Hühnern als erfolgreiches Beispiel dafür an, dass Verbesserungen von Tierschutzstandards nicht zu einem wirtschaftlichen Einbruch führen würde. Man solle die nationale Landwirtschaft in dem Sinn fördern, dass Tierwohl eine Anforderung sei. Es dürfe nicht das Ziel sein, in Konkurrenz mit anderen Ländern und deren Massentierhaltungen zu treten. Das Einführen einer Verbandsklage sei eine gute Möglichkeit, dass Tierschutzorganisationen Missstände aufzeigen und einmahnen könnten.

Kirner: Tierwohl immer wichtiger für LandwirtInnen

Leopold Kirner (Hochschulprofessor, Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik) führte als Experte an, dass Tierwohl nicht nur eine gesetzliche Frage sei, sondern auch viel mit Bildung zu tun hätte. Man müsse die Menschen „mitnehmen“ und informieren. Tierwohl werde immer wichtiger für LandwirtInnen. In den letzten zehn Jahren sei hier eine deutliche Entwicklung insbesondere bei jungen BetriebsführerInnen zu beobachten.

Bezüglich Vollspaltenhaltung führte er aus, dass es bei Stallneubauten konkurrenzfähige Alternativen zu Vollspalten gebe und diese hier keine Berechtigung seiner Einschätzung nach mehr hätten. Bei Stallumbauten müsse man flexibel agieren und teilweise auch an Betriebsvergrößerungen denken, um den Mehraufwand zu kompensieren.

Zollitsch: Klimawandel für Nutztierhaltung große Herausforderung

Hinsichtlich Vollspaltenböden stelle sich die Frage, was mit den bestehenden Systemen geschehe, erörterte Werner Zollitsch (Universitätsprofessor, Universität für Bodenkultur Wien). Teilspalten, die mehr Platz bieten, der strukturiert ist, seien eine gute Alternative im Sinne des Tierwohls.

Hinsichtlich der Auswirkungen des Klimawandels auf die Nutztierhaltung führte der Experte aus, dass dies eine große Herausforderung werde. Einerseits sei das Stallklima und die
-temperaturen eine Herausforderung. Diese könne technisch aufwendig gelöst werden. Andererseits könnte es besonders im Osten Österreichs ein Problem werden, genügend Futterpflanzen zur Verfügung zu haben. Hinsichtlich Klimaschutz-Maßnahmen führte er die Weidehaltung von Rindern und den Importstopp von Soja aus Südamerika als mögliche Lösungen an.

Kopschar: Ebermast ist eine Alternative

Birgit Kopschar (Tierärztin) sieht bei Vollspaltenhaltung von Schweinen großen Handlungsbedarf. Dies sei keine gute Option für Schweine. Sie schlug deswegen ein Verbot von Vollspalten und eine schrittweise Umrüstung auf Teilspalten vor. Dazu seien aber Anreize für LandwirtInnen notwendig.

Bezüglich der Kastration männlicher Schweine gebe es Ebermast als Alternative. Dies werde in anderen Ländern erfolgreich praktiziert. Es hätte den Vorteil, dass keine chirurgischen Eingriffe notwendig seien.

Hinsichtlich Hundehaltung sieht die Expertin insbesondere Handlungsbedarf bei HobbyzüchterInnen und angehenden TierbesitzerInnen. Letztere sollten vor Anschaffung eines Hundes grundlegend über die Haltung informiert werden. Dies geschehe teilweise schon in Wien durch den dortigen Sachkundenachweis.

Wolf: „Teacup“ Hunde negatives Beispiel der Überzüchtung

Dies unterstützte auch Katja H. Wolf (Österreichischer Kynologenverband). HundebesitzerInnen müssten wissen, was auf sie zukommt. Als besonders negativen Trend führte sie sogenannte „Teacup“ Hunde als Beispiel der Überzüchtung an.

Anträge der Opposition

Im Zuge des heutigen Gesundheitsausschusses stellten die Oppositionsparteien sechs Anträge. Die SPÖ stellte Forderungen für ein Verbot des betäubungslosen Kastrierens männlicher Schweine, für eine Kastrationspflicht von Freigängerkatzen, ein Verbot von Vollspaltenböden sowie dem Töten männlicher Küken. Gemeinsam mit FPÖ und NEOS forderte die sozialdemokratische Fraktion zudem ein Verbot der Qualzucht sowie einen verpflichtenden Tollwut-Impfschutz beim Import von Hunde- und Katzenwelpen zur Bekämpfung des grenzüberschreitenden Tierhandels. Aufgrund der Vertagung der Behandlung des Volksbegehrens wurde auch die Behandlung der Anträge vertagt.

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ) führte bezüglich des SPÖ-Antrags aus, dass das Fleisch männlicher Schweine einen sehr unangenehmen Geruch entwickeln könne, weshalb es als schwer oder gar nicht verkäuflich gelte. In der österreichischen Schweinezucht werden deshalb derzeit in der Regel alle männlichen Ferkel kastriert, so der Antragsteller. Bezüglich Freigängerkatzen sei eine besonders rasante unkontrollierte Vermehrung zu beobachten. Viele von ihnen würden „Wildkatzen“ werden. Dies befördere Krankheiten und damit Tierleid.

Hinsichtlich des geforderten Verbots von Vollspaltenböden sagte Keck, dass in Österreich mehr als 90% der Schweine auf einem sogenannten Vollspaltenboden bzw. ohne Stroh-Einstreu gehalten werden. Die Bodenbeschaffenheit sei ein wesentlicher Faktor für Gesundheit und Tierwohl. Die SPÖ fordert daher ein Verbot von Vollspaltenböden für bestehende Stallungen ab 2025. Für Um- und Neubauten sollte das Verbot aber unverzüglich in Kraft treten.

Das derzeit übliche Töten männlicher Küken steht im Mittelpunkt eines weiteren Antrags der SPÖ. Dies sei nach Abgeordneten Keck zu verbieten. Nur in sehr wenigen Fällen würden männliche Küken weiter aufgezogen werden. Für die Eierproduktion würden sie nicht gebraucht werden und die Mast sei zu wenig rentabel. Es gebe aber Möglichkeiten der Geschlechtsbestimmung im Brutei („In-ovo-Geschlechtsbestimmung“).

Ein gemeinsamer Antrag der SPÖ, FPÖ und NEOS beschäftigt sich mit der Qualzucht. Zwar sei diese im Tierschutzgesetz verboten, im Vollzug gebe es aber Herausforderungen, die Grenze zur Qualzucht festzustellen. Die Oppositionsparteien fordern daher die Definition von näheren Grenzwerten, die mit Hilfe von diagnostischen Mitteln festgestellt werden können.

In einem weitere Antrag fordern die Oppositionsparteien einen gültigen Tollwut-Impfschutz beim Import von Hunde- und Katzenwelpen zur Bekämpfung des grenzüberschreitenden Tierhandels. Derzeit sei es zulässig, Hunde- und Katzenwelpen ab einem Alter von acht Wochen nach Österreich zu importieren. Dadurch würden diese aber keinen vollständigen Schutz gegen Tollwut haben. Mitgeführt werden muss nur eine selbst ausgestellte Tollwutunbedenklichkeitsbescheinigung. Bei organisierten WelpenhändlerInnen sei die Korrektheit der Bescheinigung aber anzuzweifeln. Damit soll erreicht werden, dass Hunde- und Katzenwelpen bei der kommerziellen Einfuhr ein Mindestalter von 15 Wochen aufweisen. Expertin Birgit Kopschar äußerte Zweifel an dem Vorschlag, damit Importen kranker Tiere Herr zu werden.

Mückstein kündigt Gespräche mit Stakeholdern über Schweinemast an

In einer abschließenden Stellungnahme betonte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein, die Diskussion über das Volksbegehren habe wichtige Erkenntnisse gebracht. So bestätige sich die Wichtigkeit der Erweiterung der Herkunftsbezeichnung von tierischen Lebensmitteln um die Haltungsbedingungen. Der Bioanteil von Schweinefrischfleisch liege derzeit nur bei 2%, hier sei eindeutig noch Luft nach oben. In der Frage der Haltung auf Vollspaltböden gelte es, rasch Lösungen zu finden. Er werde dazu in nächster Zeit die Gespräche mit den Stakeholdern fortsetzen, kündigte Mückstein an.

Bohrn Mena: Lösungen sind vorhanden, sie müssen umgesetzt werden

Der Bevollmächtigte des Tierschutzvolksbegehrens Sebastian Bohrn Mena zeigte sich in seinen Schlussworten grundsätzlich zufrieden mit der Debatte, welche das Volksbegehren angestoßen habe. Aus seiner Sicht bestätige sich, dass an einem Totalumbau der Landwirtschaft kein Weg vorbeiführe. Bedenke man, dass es sich um eine Zukunftsfrage für die kommenden Generationen und nicht weniger als die Absicherung der Existenz der kleinstrukturierten Landwirtschaft in Österreich handle, so seien die Kosten überschaubar. Notwendig seien aber nun politische Entscheidungen der BürgerInnen beziehungsweise ihrer politischen VertreterInnen. Bohrn Mena appellierte in diesem Sinne an die Abgeordneten, die Lösungsansätze, die bereits aufgezeigt wurden, nun in einem konsequenten Stufenplan auch „auf den Boden zu bringen“ und den notwendigen Wandel einzuleiten.

Behandlung des Volksbegehrens und Oppositionsanträge vertagt

Nach dem Ende des Hearings beantragte Abgeordnete Faika El-Nagashi (Grüne), die Behandlung des Volksbegehrens zu vertagen. Das ermögliche, im Herbst im Rahmen einer weiteren Sitzung des Gesundheitsausschusses ein umfangreiches Tierschutzpaket zu debattieren und zu beschließen, erklärte sie. Der Vertagungsantrag wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen angenommen. Damit wurde auch eine Reihe von Anträgen von SPÖ, FPÖ und NEOS, die in der Sitzung des Ausschusses eingebracht wurden, vertagt.

Behandlung des Volksbegehrens „Für Impf-Freiheit“ von ÖVP und Grünen vertagt

Anschließend trat der Gesundheitsausschuss zu einer kurzen weiteren Sitzung zusammen. ÖVP-Abgeordneter Josef Smolle erläuterte, dass es nicht gelungen sei, einen Termin zur Behandlung des Volksbegehrens „Für Impf-Freiheit“ (773 d.B.) zu vereinbaren. Aus Gründen der Fristwahrung sei diese zusätzliche Sitzung nun notwendig, um das Volksbegehren in Verhandlung nehmen zu können. Er stellte einen Vertagungsantrag, der mit den Stimmen von ÖVP und Grünen angenommen wurde. (Schluss Gesundheitsausschuss) pst/sox


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