Identifizierender Bericht über vermeintliche Drogenlenkerin

Wien (OTS) - Der Artikel „Im Rauschzustand fuhren Eltern spazieren“, erschienen am 22.10.2018 in der „Kronen Zeitung“, verstößt nach Meinung des Senats 2 des Presserats gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse.

Im oben genannten Artikel wird berichtet, dass zwei „Eltern ohne Gewissen“ trotz Trunkenheit bzw. Drogeneinflusses mit ihren Kindern im Auto herumgefahren seien. Die zwei nicht zusammenhängenden Fälle aus Oberösterreich werden dabei kurz geschildert. Der hier zu prüfende Fall betrifft eine Mutter mit zwei Kindern. Im Artikel heißt es, die Mutter sei von Polizisten in einer Suchtgift-Schwerpunktaktion erwischt worden. Der Verdacht auf Drogenkonsum habe sich bestätigt, die Mutter sei unter dem Einfluss von Cannabis gestanden. Es sei ihr der Führerschein entzogen worden und sie werde sowohl bei der Bezirkshauptmannschaft als auch bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.

Die betroffene Mutter wandte sich an den Presserat. Sie kritisierte, dass die im Artikel gegen sie erhobenen Vorwürfe nicht stimmten. Der Blutbefund habe ergeben, dass sie während der Autofahrt nicht mehr unter der Wirkung von Cannabis gestanden sei, es sei lediglich ein inaktives Abbauprodukt gefunden worden. Die Berichterstattung habe persönliche Nachteile zur Folge gehabt. Dies sei dem Umstand geschuldet, dass in dem Bericht sowohl der (nicht sehr große) Wohnort der Betroffenen als auch ihr Alter und das Alter ihrer beiden Söhne bekanntgegeben worden seien.

Die Medieninhaberin machte von der Möglichkeit, im Verfahren eine schriftliche Stellungnahme abzugeben oder an der Verhandlung vor dem Senat teilzunehmen, keinen Gebrauch.

Der Senat hält zunächst fest, dass Beschuldigte über schutzwürdige Anonymitätsinteressen verfügen und über sie nicht in jedem Fall identifizierend berichtet werden darf. Die Preisgabe der Identität kann nämlich zu einer problematischen „Prangerwirkung“ führen. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Anonymitätsinteressen eines Beschuldigten gegenüber den Veröffentlichungsinteressen des Mediums überwiegen. Im vorliegenden Fall gilt es zu betonen, dass die erhobenen Vorwürfe keine schwerwiegende Straftat (§ 89 StGB, § 99 StVO) betreffen und die Lenkerin auch keine Person des öffentlichen Lebens ist. Dem Senat ist bekannt, dass dem Artikel eine Presseaussendung der Landespolizeidirektion Oberösterreich vorausgegangen ist. In dieser Presseaussendung werden der Ort der Schwerpunktaktion sowie das Alter der Mutter und ihrer Söhne genannt. Im Artikel der „Kronen Zeitung“ wird neben diesen Angaben jedoch zusätzlich der Wohnort der Mutter angeführt, der lediglich 1500 Einwohner hat. Für viele Einwohner im Ort war es aufgrund der Angaben im Artikel klar, um welche Person es sich bei der Mutter handeln musste. Der Senat hält es auch für glaubwürdig, dass die mediale Berichterstattung für die Mutter sozial nachteilige Folgen gehabt hat. Nach Auffassung des Senats überwiegen im Ergebnis die Anonymitätsinteressen der Betroffenen gegenüber dem Veröffentlichungsinteresse der „Kronen Zeitung“ bzw. den Informationsinteressen der Allgemeinheit. Der Wohnort der Mutter ist keine relevante Information für die Leserinnen und Leser. Abschließend weist der Senat darauf hin, dass sich der im Artikel erhobene Vorwurf, dass die betroffene Mutter unter Drogeneinfluss gefahren sei, nachträglich als falsch herausgestellt hat. Insofern wiegen die aus der medialen Berichterstattung erwachsenen Nachteile umso schwerer, wenngleich hier der Medieninhaberin kein Vorwurf zu machen ist. Der Senat stellt den Verstoß gegen den Ehrenkodex fest und fordert die „Krone Multimedia GmbH & Co KG“ auf, die Entscheidung freiwillig auf „krone.at“ zu veröffentlichen.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINER BETROFFENEN

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig. Im vorliegenden Fall führte der Senat 2 des Presserats aufgrund einer Mitteilung einer Betroffenen ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht. Da die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht anerkannt hat, wurde das Beschwerdeverfahren in ein selbständiges Verfahren umgedeutet.

Rückfragen & Kontakt:

Andreas Koller, Sprecher des Senats 2, Tel.: 01-53153-830

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