Justizausschuss verabschiedet Anti-Gold-Plating-Gesetz | Pressedienst der Parlamentsdirektion – Parlamentskorrespondenz, 11.04.2019

Weitere Beschlüsse: Neuerungen im Anerbenrecht und im Gerichtsorganisationsgesetz

Wien (PK) Österreich wird in Zukunft EU-Vorgaben nicht mehr übererfüllen. Ein heute vom Justizausschuss beschlossenes Anti-Gold-Plating-Gesetz zielt in diesem Sinn darauf ab, in ausgewählten Bereichen Regelungen zurückzunehmen, die über die unionsrechtlichen Mindestvorgaben hinausgehen. Angepasst werden dabei elf Gesetze, wobei die Änderungen insbesondere Mitteilungs-, Melde-, Zulassungs- und Prüfpflichten betreffen. ÖVP, FPÖ und NEOS begrüßten das Gesetz vor allem aus Sicht der Unternehmen und sahen darin einen Beitrag zur Deregulierung. Die SPÖ hingegen warnte, der Kampf gegen Überregulierungen könne als Vorwand für einen Angriff auf ArbeitnehmerInnen- und KonsumentInnenschutzrechte dienen, und lehnten das Gesetz ebenso wie JETZT ab. Justizminister Josef Moser versicherte mit Nachdruck, dass es im Zuge der Durchforstung von überbordenden Bestimmungen nicht zu einer Senkung von Schutzstandards kommen werde.

Beschlossen wurden auch Änderungen im Anerbenrecht, mit denen die Zerschlagung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben im Zuge der Erbfolge verhindert werden soll. Eine Novelle zum Gerichtsorganisationsgesetz wiederum bringt unter anderem Ausnahmen für Sachverständige und DolmetscherInnen von den Sicherheitskontrollen in Gerichtsgebäuden.

Schließlich erörterten die Abgeordneten auch einen Bericht von Justizminister Josef Moser über den Umgang mit den besonderen Ermittlungsmaßnahmen wie Lausch- und Spähangriff sowie einen  Ressortbericht betreffend die Vorhaben der EU im Justizbereich.

Anti-Gold-Plating-Gesetz fährt Übererfüllung von EU-Vorgaben zurück

Mit der Rücknahme von Regelungen in einzelnen Bereichen will das Anti-Gold-Plating-Gesetz (508 d.B.) unnötige Belastungen für die Normadressaten beseitigen, ohne dass es dabei zur Senkung von Schutzstandards kommen soll. Die Änderungen im Bereich von Mitteilungs-, Melde-, Zulassungs- und Prüfpflichten betreffen im Einzelnen das Unternehmensgesetzbuch, Bankwesengesetz, das Alternative-Investmentfonds-Managergesetz, das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, das Börsegesetz, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Investmentfondsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, das Bilanzbuchhaltungsgesetz und das Abfallwirtschaftsgesetz.

Justizminister Josef Moser teilte mit, dass dieses Gesetz ein erstes Paket im Rahmen der Durchforstung von überschießenden Bestimmungen sei und im Herbst ein zweites Paket in Begutachtung gehe, bei dem rund 160 weitere Maßnahmen geprüft werden. Das Gold-Plating-Projekt Österreichs werde jedenfalls von der Europäischen Kommission positiv aufgenommen.

Das Gesetz reagiere auf die Klagen der Unternehmen, betonte ÖVP-Abgeordnete Michaela Steinacker. Gerade im Bereich der KMU habe man in den letzten Jahren durch überbordende Bestimmungen unnötigen bürokratischen Aufwand verursacht, der die Betriebe am Wirtschaften hinderte. Wichtig ist für die Obfrau des Justizausschusses, dass Konsumentenschutz- und Umweltschutzstandards nicht zurückgefahren werden. Sie appellierte überdies an den Justizminister, bei der Deregulierung „dran zu bleiben“, und begrüßte in diesem Sinn den von Moser angekündigten zweiten Schritt.

FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan stellte klar, 200 Bestimmungen seien trotz Übererfüllung beibehalten worden, da man sonst Standards herabgesetzt hätte.

Niemand habe etwas gegen Rechtsbereinigung, steht für NEOS-Mandatarin Irmgard Griss außer Streit. Irritiert sprach sie aber von einem EU-kritischen Unterton des Gesetzes. So werde fälschlicherweise der Eindruck erweckt, man habe der EU zu viel gegeben und hole sich das nun zurück. In Wirklichkeit sei die allfällige Übererfüllung von Vorgaben aber immer eine souveräne, innerstaatliche Entscheidung, die nationalen Interessen folge.

Seitens der SPÖ sah Melanie Erasim mit dem Gesetz die Gefahr verbunden, dass der von den Regierungsparteien propagierte Kampf gegen Überregulierung als Angriff auf die Rechte von ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen dienen könne. Ihr Fraktionskollege Peter Wittmann kritisierte überdies, durch die Bestimmungen im Investmentfondsgesetz wären nun Änderungen der Fondsbestimmungen auch ohne Befassung des Aufsichtsrates möglich.

Alfred Noll (JETZT) wandte ein, für die Beratung dieses Gesetzes sei eigentlich der Finanzausschuss zuständig, zumal es sich bei neun der elf betroffenen Änderungen um Finanzmaterien handle. Sein Antrag auf Verweisung in den Finanzausschuss fand jedoch keine Mehrheit.

Änderungen im Anerbenrecht sollen Erhalt von Erbhöfen sichern

Bisher fielen reine Forstwirtschaften nicht in den Anwendungsbereich des Anerbengesetzes, was zur Gefahr der Zerschlagung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben im Zuge der Erbfolge führen kann. Ein vom Ausschuss mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ, SPÖ und NEOS beschlossenes Zivilrechts- und Zivilverfahrensrechts-Änderungsgesetz 2019 (560 d.B.) erweitert nun den Anwendungsbereich des Anerbenrechts auf reine Forstbetriebe und folgt damit der in der Praxis üblichen Lösung, dass ein Erbe den Forstbetrieb übernimmt und die übrigen Erben weichen. Weitere Bestimmungen der Novelle betreffen Klarstellungen im Bereich der Grundbuch-Eintragungsgebühr und Präzisierungen im Zusammenhang mit der Abfrage der Exekutionsdaten.

In der Debatte begrüßten die Abgeordneten Andreas Kühberger (ÖVP) und Volker Reifenberger (FPÖ) die Ausweitung des Anerbenrechts auf forstwirtschaftliche Betriebe, die auch SPÖ-Mandatarin Selma Yildirim für sinnvoll erachtete.

JETZT-Justizsprecher Alfred Noll bemängelte hingegen, man habe bei diesem Gesetz einmal mehr die Chance auf eine allgemeine Senkung der Gerichtsgebühren verpasst. Mit einem Entschließungsantrag, der die Forderung nach budgetärer Sicherstellung der Finanzierung einer Gebührensenkung enthält, konnte er sich allerdings nicht durchsetzen.  

Gerichtsgebäude: Keine Sicherheitskontrollen mehr bei Sachverständigen und DolmetscherInnen

Sachverständige und DolmetscherInnen sollen in Hinkunft von den Sicherheitskontrollen beim Betreten von Gerichtsgebäuden ausgenommen werden. Änderungen im Gerichtsorganisationsgesetz (561 d.B.) , die der Ausschuss einstimmmig genehmigte, sehen in diesem Sinn eine entsprechende Gleichstellung mit den ParteienvertreterInnen vor und zielen darauf ab, Sachverständigen und DolmetscherInnen das zeitgerechte Erscheinen bei Gerichtsterminen zu erleichtern. Neu ist für diese Personengruppe auch die Verpflichtung, Gutachten und Übersetzungen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs einzubringen. Der für Sachverständige und DolmetscherInnen daraus resultierende Mehraufwand wiederum soll durch eigene Gebührenregelungen abgegolten werden.

Die Änderungen wurden von den Abgeordneten Klaus Fürlinger (ÖVP) und Volker Reifenberger (FPÖ) als Schritte in Richtung Deregulierung, Vereinfachung und mehr Freundlichkeit für die RechtsanwenderInnen begrüßt. Auch Muna Duzdar unterstützte namens der SPÖ das Gesetz, das ihrer Meinung allerdings nicht weit genug geht. Sie schloss sich der Forderung von NEOS-Abgeordneter Irmgard Griss nach einer besseren finanziellen Abgeltung der DolmetscherInnen und Sachverständigen sowie einer Ausdehnung der Ausnahme von den Sicherheitskontrollen auch auf hauptamtliche Bewährungshelfer an. Entsprechende Anträge der NEOS blieben bei der Abstimmung allerdings in der Minderheit. Justizminister Moser versicherte allerdings, er sei bezüglich der Gebührenanhebung mit Finanzminister Löger in Kontakt.

Weiterhin maßhaltender Umgang mit den besonderen Ermittlungsmaßnahmen

Zur Debatte stand auch ein Bericht des Justizressorts über den Einsatz der besonderen Ermittlungsmaßnahmen im Jahr 2017 (III-219 d.B.) , der Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten einen äußerst maßvollen und verhältnismäßigen Umgang mit Lausch- und Spähangriff sowie optischen und akustischen Überwachungen attestiert. Konkret wurde in sechs Fällen ein großer Lausch- und Spähangriff angeordnet, ein automationsunterstützter Datenabgleich im Sinne einer Rasterfahndung kam nicht zur Anwendung. Optische Überwachungen – die so genannte Videofalle – gab es in 137 Fällen. 

Der Bericht beweise einmal mehr die hohe Sensibilität von Justiz und Exekutive gerade beim Einsatz der besonderen Ermittlungsmaßnahmen und zeige, dass das Funktionieren des Rechtsstaates auch in diesem Bereich garantiert ist, betonte ÖVP-Abgeordneter Karl Mahrer.

Das Papier wurde einstimmig zur Kenntnis genommen und gilt damit als enderledigt.

Stärkung des Rechtsstaates und Erhaltung hoher Grundrechtsstandards bleiben auch 2019 im Fokus der Europäischen Union

Dem Bericht des Justizministeriums über die EU-Jahresvorschau im Bereich Justiz (III-256 d.B.) konnten die Abgeordneten entnehmen, dass sich die Europäische Union auch für 2019 die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit sowie die Etablierung und Erhaltung hoher Standards auf dem Gebiet der Grundrechte auf ihre Fahnen geheftet hat. Untermauert wird dies mit einem Bekenntnis zum Kampf gegen die Unterwanderung der europäischen Grundwerte.

Was nun die Vorhaben im Einzelnen betrifft, ist aus österreichischer Sicht zunächst die angekündigte Vollendung der Sicherheitsunion für Österreich von besonderer Relevanz. So sollen unter anderem die Vorschläge für die Verbesserung des grenzüberschreitenden Zugriffs der Strafverfolgungsbehörden auf elektronische Beweismittel angenommen werden. Geplant sind außerdem Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte sowie die Erweiterung des Mandats der Europäischen Staatsanwaltschaft auf die Bekämpfung des grenzüberschreitenden Terrorismus. Die angestrebte Verbesserung des Europäischen Strafregistersystems konnte bereits durch eine Einigung mit dem Europäischen Parlament noch unter österreichischem Ratsvorsitz im Dezember 2018 erreicht werden. Aufgrund der anhaltenden Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit in einigen Mitgliedstaaten und damit des Fundaments für das Funktionieren der Union will die Kommission überdies eine schon länger angekündigte Initiative zur weiteren Stärkung des 2014 geschaffenen Rechtsstaatlichkeitsrahmens vorlegen.

Darüber hinaus hebt der Bericht vor allem das Bekenntnis zur weiteren Stärkung der internationalen justiziellen Zusammenarbeit sowohl im Zivilrechtsbereich als auch im Strafrechtsbereich insbesondere durch Erweiterung der Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung hervor. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt hier bei den E-Evidence-Vorschlägen zur Erleichterung der grenzüberschreitenden Erlangung elektronischer Beweismittel, bei E-Justice-Projekten, der Einrichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft sowie bei der Stärkung der Bekämpfung organisierter Kriminalität und von Terrorismus. Dabei wird es vor allem auch um die Bekämpfung und Prävention von Radikalisierung und Extremismus und um verstärkte Bemühungen um die Entfernung terroristischer Inhalte aus dem Internet gehen.

Für ÖVP-Mandatarin Gertraud Salzmann geht es bei den Vorhaben der Union vor allem um eine Stärkung der internationalen justiziellen Zusammenarbeit, dies insbesondere durch die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Entscheidungen. Grenzüberschreitende Kooperation ist ihrer Meinung nach aber auch bei der Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität geboten.

Irmgard Griss (NEOS) deponierte in der Debatte die Forderung ihrer Fraktion nach Einführung der Sammelklage als Instrument des kollektiven Rechtsschutzes.

Auch dieser Bericht wurde von den Abgeordneten einstimmig zur Kenntnis genommen und gilt damit als enderledigt. (Fortsetzung Justizausschuss) hof


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