Kunstrückgabebeirat beschloss sechs Empfehlungen | Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, 29.06.2021

Wien (OTS) Der österreichische Kunstrückgabebeirat beschloss in seiner heutigen 97. Sitzung Empfehlungen zu Rückgaben aus dem Naturhistorischen Museum Wien, dem MAK – Museum für angewandte Kunst, dem Heeresgeschichtlichen Museum / Militärhistorischen Institut, der Österreichischen Nationalbibliothek und dem Kunsthistorischen Museum. Des Weiteren wurde eine Empfehlung zu Rückgaben aus dem Volkskundemuseum Wien ausgesprochen.

Der erste Beschluss bezieht sich auf die geologische Sammlung von Georg Rosenberg, der die insgesamt 846 Objekte in Vorbereitung seiner NS-verfolgungsbedingten Flucht aus Österreich im April 1938 an die Geologisch-Paläontologische Abteilung des Naturhistorischen Museums geschenkt hatte. Wie neue Quellenfunde belegen, bat Georg Rosenberg, um nach Kriegsende aus dem Exil in Palästina wieder nach Wien zurückkehren zu können, um Empfehlungsschreiben des NHM sowie der Geologischen Bundesanstalt, die ihm seine Wiedereinreise nach Österreich ermöglichen sollten. Der Beirat kam nun zum Ergebnis, dass sich eine Rücknahme der Schenkung nach Kriegsende aus Georg Rosenbergs Perspektive negativ auf die Möglichkeit zur Rückkehr nach Wien ausgewirkt hätte, und empfahl deshalb die Rückgabe der Objekte.

In den Beständen des MAK – Museum für angewandte Kunst identifizierte die Provenienzforschung zwei silberne Kerzenleuchter als aus dem Eigentum von Alfred Kirchenberger, der bis zu seiner zwangsweisen Pensionierung im April 1938 eine Arztpraxis in St. Pölten betrieben hatte. Aufgrund der „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ und deren Durchführungsverordnungen lieferte Alfred Kirchenberger die beiden Kerzenleuchter dem Dorotheum ab, das diese wiederum an das damalige Staatliche Kunstgewerbemuseum weiterverkaufte. Die Ablieferung aufgrund der diskriminierenden Gesetze befand der Beirat als nichtiges Rechtsgeschäft und empfahl die Übereignung der beiden Kerzenleuchter an Alfred Kirchenbergers Erb:innen.

Ebenso sprach sich der Beirat für die Rückgabe von Gegenständen aus, die der als jüdisch verfolgte Rechtsanwalt Siegfried Fuchs dem heutigen Heeresgeschichtlichen Museum in Vorbereitung seiner Flucht verkauft hatte. Wie die erhaltenen Dokumente belegen, musste sich Siegfried Fuchs nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich sukzessive von Teilen seiner aus Büchern, Bildern, Drucken, Porzellanen etc. bestehenden Sammlung trennen, um seinen Lebensunterhalt sowie die Zahlung diskriminierender Steuern nach seinem Berufsverbot finanzieren zu können. Im Oktober 1940, wenige Wochen bevor ihm die Flucht nach Shanghai gelang, verkaufte Siegfried Fuchs über siebzig Objektpositionen an das Heeresmuseum, was der Kunstrückgabebeirat nun eindeutig als nichtiges Rechtsgeschäft qualifizierte.

Rückgaben wurden auch hinsichtlich von während des Nationalsozialismus der Nationalbibliothek zugewiesenen, NS-verfolgungsbedingt entzogenen Büchern der Kategorie Judaica ausgesprochen, wobei 13 dem Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus zur Verwertung zuzuleiten sind, da deren Voreigentümer:innen heute nicht mehr identifiziert werden können; drei Bücher sind der Rechtsnachfolge nach der österreichischen Schriftstellerin Gina Kaus, des Unterstützungsfonds Keren Hayesod Belgrad sowie der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums zu übereignen.

In der Bibliothek des Kunsthistorischen Museums wurden 61 Bücher des Kunsthistorikers und Psychoanalytikers Ernst Kris identifiziert, deren Rückgabe der Beirat ebenfalls empfahl. Ernst Kris, der aus einer jüdischen Familie stammte, hatte seine Bibliothek kurz nach dem „Anschluss“ seinem langjährigen Arbeitgeber, dem Kunsthistorischen Museum, übertragen. Unter Hinweis auf diese Schenkung sprach sich dessen kommissarischer Leiter Ernst Dworschak gegenüber den NS-Behörden in der Folge wohlwollend für Kris‘ Ausreise nach England aus, die letztlich im Mai 1938 gelang; die Familie ging 1940 weiter in die USA. Ernst Kris, dem im Oktober 1938 der Pensionsanspruch entzogen worden war, erlangte diesen auch nach Kriegsende nicht zurück.

In derselben Sitzung wurden des Weiteren Gegenstände aus dem Volkskundemuseum Wien behandelt, die im Eigentum des Vereins für Volkskunde stehen, der den Kunstrückgabebeirat um seine Einschätzung ersuchte. So betrifft die sechste Rückgabeempfehlung Positive, Negative und Dias (insgesamt 174 Inventarnummern) aus der dortigen Fotosammlung, die infolge der Analyse der Provenienzforschung der im August 1938 durch den Magistrat der Stadt Wien sichergestellten volkskundlichen Sammlung von Anna Mautner zuzuordnen sind. Die Witwe des Volkskundeforschers Konrad Mautner, die nach dessen Tod 1924 dessen Unternehmen wie auch die volkskundliche Sammlung weitergeführt hatte, wurde im Nationalsozialismus als Jüdin verfolgt und überlebte im US-amerikanischen Exil.

Die Beschlüsse sind im Wortlaut auf der Webseite der Kommission für Provenienzforschung unter www.provenienzforschung.gv.at wiedergegeben.

Rückfragen & Kontakt:

Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport
Mag. Heike Warmuth
Pressesprecherin der Staatssekretärin für Kunst und Kultur
+43 6646104501
heike.warmuth@bmkoes.gv.at
www.bmkoes.gv.at

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