Leitartikel „Land muss Farbe bekennen“ vom 9.3.2020 von Max Strozzi

Innsbruck (OTS) Zweitwohnsitze, Freizeitwohnsitze, Investorenmodelle: Diese Tiroler Dauerproblemfelder sind erst dann zu lösen, wenn das Land bereit ist, mehr Verantwortung zu übernehmen, und manche Gemeindehoheit an sich reißt.
Von Max Strozzi
Ein langjähriger Bürgermeister einer Tiroler Tourismusgemeinde schilderte folgende Anekdote. Er habe vor vielen Jahren versucht auf den Grund zu gehen, ob ein EU-Ausländer, der ein Haus erworben hatte, es nicht unberechtigt als Ferienwohnsitz nutzt. Von dessen Anwalt habe er dann ein 16-seitiges Schreiben erhalten, gespickt mit juristischen Finessen vom EU-Recht abwärts. „Was verstehe ich schon von den Rechtsmaterien“, meinte der Ortschef, er sei ja nur ein Handwerker. Den Anwaltsbrief habe er an den Gemeindeverband weitergeleitet und danach nichts mehr gehört.
Es gibt Materien, die sind inzwischen derart komplex und weitreichend, dass sie viele Gemeinderäte, die ja ihr Amt neben dem Brotberuf ausüben, überfordern: fachlich und zeitlich. Trotzdem werden in den Gemeindestuben beispielsweise Flächen umgewidmet und Bauansuchen abgehandelt, bei denen es nicht mehr nur um das eine oder andere Eigenheim geht, mit dem sich vieleicht eine junge Familie ihren Wohntraum erfüllen will. Es geht dabei oft um vermögende Privatpersonen aus dem Inland, dem EU-Ausland und aus Drittstaaten, die Millionen für eine Ferienimmobilie in Tirol lockermachen und um die auch gezielt geworben wird: mit Wohnungen, Häusern, Grundstücken oder Chalets und Apartments in Investorenmodellen, die noch dazu der heimischen Hotellerie zusetzen. Das alles zusammen heizt die Immobilienpreise an und trägt zum Ausverkauf Tirols bei. Es gibt Gemeinden, in denen im Vorjahr rund 90 % der verkauften Wohnimmobilien nicht an Einheimische für deren Wohnbedarf gingen, sondern an reiche EU-Bürger oder an Gesellschaften, die Unsummen dafür zahlen, aber höchstwahrscheinlich nicht das ganze Jahr darin wohnen oder andere darin wohnen lassen.
Das zu kontrollieren und dagegen vorzugehen, wäre möglich, wenn man wollte. Einige Gemeinden zeigen mehr Engagement als andere. Denn es gibt viele Profiteure: Verkäufer, Anleger, Makler, Anwälte, Notare, Immobilienfirmen etc. – berufliche oder persönliche Verflechtungen mit Gemeindevertretern lassen sich nicht vermeiden. Da ist der Druck groß, wegzusehen.
Gemeinden in Bayern, Salzburg sowie das Kleinwalsertal haben bereits oder überlegen Zweitwohnsitzverbote. Auch das Land Tirol bastelt daran. Will es die Spirale durchbrechen, muss es aber auch die Kontrolle an sich reißen – wie man hört, sind schon die ersten Kontrolltrupps unterwegs. Und das Land muss bei Widmungen Verantwortung zeigen und auch einmal Nein sagen – oder auch diese Materie selbst komplett übernehmen.

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