Moskau 1943. Wien 1955. Und wo stehen wir jetzt?

Gastkommentar von Botschafter Dmitrij Ljubinskij in der Zeitung „Die Presse“. Brückenbauer werden wieder gebraucht.

Wien (OTS) Das Jahr 2018 ist für Österreich ein Erinnerungsjahr. Das 100-Jahr-Jubiläum der Ersten Republik ist das Zentralereignis einer ganzen Veranstaltungsreihe, die von Altbundespräsident Heinz Fischer koordiniert wird, der erst vor Kurzem seinen 80. Geburtstag feierte. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um mich den Glückwunschworten von Präsident Wladimir Putin anzuschließen und den persönlichen Beitrag von Dr. Fischer zur Entwicklung der guten Beziehungen zwischen unseren Ländern hervorzuheben.

In diesem Gastkommentar möchte ich aber auf einen anderen historischen Anlass Bezug nehmen. Heute ist der 75. Jahrestag der Annahme der Moskauer Deklaration. Der 30. Oktober 1943 wurde für Österreich zum Ausgangspunkt der Wiedererlangung der Unabhängigkeit nach dem Anschluss an NS-Deutschland im März 1938. In diesem Programmdokument, das auf Initiative der Sowjetunion ausverhandelt wurde, erklärten die alliierten Mächte der Anti-Hitler-Koalition den „Anschluss“ für „null und nichtig“. Die Wiederherstellung eines souveränen österreichischen Staates wurde als Ziel eindeutig artikuliert.

Die Moskauer Deklaration wurde zum politischen Meilenstein, der den Anfang des Endes der düsteren NS-Herrschaft in Österreich bedeutete, welche das Land in den Blutbad-Trichter der Nazi-Aggression in Europa mit allen seinen dunklen Seiten saugte. Und der Weg, der dazu führte, war keinesfalls ein leichter.

Die Unabhängigkeit Österreichs war zunächst (ab September 1939) ein nicht für alle selbstverständliches Ziel. Nach dem Überfall NS-Deutschlands auf die Sowjetunion formulierte Moskau Ende 1941 gegenüber den Alliierten, dass Österreich als unabhängiger Staat wiederhergestellt werden solle. In der Folge wurden jedoch auch andere Pläne lanciert – Österreich sollte nur ein Teil einer Art „Donauföderation“ werden. Der Staatsvertrag von 1955 und die mit ihm ausgerufene österreichische Neutralität wurden zu einem wichtigen Stabilitätsfaktor in Zentraleuropa in den Jahren des Kalten Krieges. Seitdem bleibt Wien ein renommierter und gefragter Austragungsort für wichtige internationale Ereignisse.

Ich erinnere mich gut daran, wie das Original des geltenden Staatsvertrags 2005 von Moskau nach Wien mit allen dazugehörenden Sicherheitsvorkehrungen gebracht und auf Schloss Schallaburg und im Belvedere mit einem höchst emotionalen Öffentlichkeitsecho ausgestellt wurde. Es war eine präzedenzlose Aktion unter dem Titel „Österreich ist frei“. 2017 hatte ich die große Ehre, ein eigens angefertigtes Faksimile des Vertrages an Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner für das Haus der Geschichte in St. Pölten zu übergeben.

Die Geschichte kennt keinen Konjunktiv, aber ohne die Moskauer Deklaration wäre der Staatsvertrag sehr schwer vorstellbar. Wobei das Schicksal Österreichs schon damals zu den Schlüsselfragen beim Aufbau der europäischen Nachkriegsordnung gehörte. Es ist ein bedeutendes Beispiel dafür, wie „Ost“ und „West“ trotz aller Differenzen im Interesse der europäischen Sicherheit eine tragbare Entscheidung getroffen haben.

Wo wir jetzt stehen, ist aber eine richtige Herausforderung. Der Großraum Europa scheint erneut von Trennlinien durchfurcht zu sein. Eine Lose-lose-Situation für alle Europäer. Aus dem Schatten des Kalten Krieges (geführt dazu mit ganz modernen Mitteln) müssen wir gemeinsam heraus. Ich glaube, die Politik ist reif für Vernunft – und Brückenbauer werden wieder gebraucht.

Dmitrij Ljubinskij

Die Presse, 30. Oktober 2018

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