Nationalrat debattiert Budgetkapitel Arbeit vor dem Hintergrund eines volatilen Arbeitsmarktes

SPÖ und FPÖ fordern Erhöhung des Arbeitslosengeldes, Grüne sehen Diskussionsbedarf

Wien (PK) Am Budgetkapitel Arbeit wird besonders deutlich, dass die Auswirkungen der Corona-Krise im Budgetentwurf und im neuen Bundesfinanzrahmen noch nicht vollständig berücksichtigt sind. Dementsprechend wurde dieser Punkt in der heutigen Debatte im Nationalrat von allen Fraktionen angesprochen. Bundesministerin Christine Aschbacher betonte in ihrer Wortmeldung, ihr Ressort sei eines der am stärksten von der COVID-19-Krise betroffenen. Während die Regierungsparteien auf eine Reihe von Maßnahmen verwiesen, die bereits gesetzt wurden, insbesondere die Kurzarbeit, forderten die Oppositionsparteien vehement weitere Maßnahmen für Arbeitsmarkt und Konjunktur. Die NEOS kritisieren eine unklare Datenlage bei der Berechnung der Kosten der Kurzarbeit. Um negative Konjunktureffekte aufgrund einer länger andauernden erhöhten Arbeitslosenquote zu vermeiden, ist es aus Sicht der SPÖ und der FPÖ wichtig, das Arbeitslosengeld und damit die Notstandshilfe deutlich anzuheben. Auch seitens der Grünen wurde angesprochen, dass ein solcher Schritt als Konjunkturmaßnahme bei längerfristig hoher Arbeitslosenquote überlegenswert sei. Die ÖVP setzt auf die Unterstützung von Unternehmen, damit weitere Arbeitsplätze geschaffen werden können.

Bereits seit Längerem war klar, dass der veranschlagte Negativsaldo von 864,4 Mio. € – bei Ausgaben (Auszahlungen) in der Höhe von 8,4 Mrd. € und die Einnahmen (Einzahlungen) in der Höhe von 7,54 Mrd. € angesichts der Entwicklungen am Arbeitsmarkt nicht zu halten sein würden. Insbesondere die Bereitstellung von Ausgaben für das COVID-Kurzarbeitsmodell und steigende Ausgaben für Arbeitslose werden Spuren in den Budgetzahlen hinterlassen. Bei der Kurzarbeit waren zuerst bis zu 10 Mrd. € veranschlagt, unterdessen ist die Rede von einem Rahmen, der bis 12 Mrd. € umfasst. Genaue Zahlen liegen noch nicht vor, klar ist bis jetzt nur, dass die vorübergehende Angleichung der Notstandshilfe an das Arbeitslosengeld voraussichtlich mit rund 108 Mio. € zu Buche schlagen wird.

SPÖ erneuert Forderung nach Erhöhung des Arbeitslosengeldes

Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt belasten vor allem Familien und Frauen sehr stark, sagte Josef Muchitsch (SPÖ). Seit März habe sich die Arbeitslosigkeit stark erhöht und die Rekordarbeitslosigkeit werde nach Ansicht von ExpertInnen noch monatelang andauern. Das werfe auch die Frage nach der Armutsbekämpfung auf. Österreich brauche das größte Investitionspaket in der Zweiten Republik. Die SPÖ habe ihre Vorschläge dazu auf den Tisch gelegt. Gemeinden und Städten brauchten dringend Liquidität, um Aufträge, auch in Direktvergabe, vergeben zu können. Weiters müsse man in den Klimaschutz investieren und den Konsum wieder ankurbeln. Besonders wichtig ist es Muchitsch dabei, jenen Menschen zu helfen, die unverschuldet in die Arbeitslosigkeit geschlittert sind und die nun vor finanziellen Problemen stehen. Er brachte erneut einen Entschließungsantrag seiner Fraktion mit der Forderung nach sofortiger Erhöhung des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe ein.

SPÖ-Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek wies darauf hin, dass der Anteil der unbezahlten Arbeit, den Frauen leisten, noch gestiegen ist. Daher sei es auch wichtig zu wissen, wie der von der Regierung angekündigte Neustart-Bonus tatsächlich gestaltet sei. Heinisch-Hosek befürchtet, dass damit Teilzeitarbeit zulasten der Fraueneinkommen weiter verfestigt werden könnte. Zudem sollten auch die Möglichkeiten für Väter, zur Kinderbetreuung beizutragen, ausgeweitet werden. Auch die Frage der Betreuungsmöglichkeiten in den Sommermonaten müsse dringend gelöst werden, sagte Heinisch-Hosek.

Markus Vogl (SPÖ) setzte sich mit einem Entschließungsantrag für arbeitsmarktpolitische Sofortmaßnahmen zur Beschäftigungsförderung ein und forderte unter anderem ein Beschäftigungsförderungsprogramm ähnlich der „Aktion 20.000“, Qualifizierungsgeld für schlechter gestellte Arbeitnehmerinnen, die finanzielle Absicherung des Fachkräftestipendiums sowie die Aufstockung der Zahl an Ausbildungsplätzen bei den überbetrieblichen Lehrwerkstätten. Außerdem brauche die Arbeitsinspektion mehr Arbeitsinspektoren, sagte Vogl.

ÖVP: Unternehmen bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze unterstützen

Die Corona-Krise habe alle ÖsterreicherInnen betroffen und sich auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt. Alle Parteien hätten zu Beginn der Krise rasch darauf reagiert und gemeinsam ein sehr gutes Modell der Kurzarbeit erarbeitet und beschlossen, sagte Tanja Graf (ÖVP). Die hier eingesetzten Mittel seien beträchtlich. Nun gelte es, rasch Arbeitsmarkt und Beschäftigung wieder anzukurbeln. Jetzt werde alles getan, damit die Menschen, die vor der Krise einen Job hatten, auch danach wieder Arbeit haben. Graf sieht Möglichkeiten bei den Green Jobs, hier müssten die ArbeitgeberInnen unterstützt werden, da diese die Arbeitsplätze schaffen. Der Facharbeitermangel bestehe nach wie vor, auch dieser Frage müsse man sich verstärkt widmen.

Für Bettina Zopf (ÖVP) ist die Forderung der SPÖ nach Erhöhung des Arbeitslosengeldes nicht nachvollziehbar. Diese „Forderungen von heute“ seien die „Steuergelder von morgen“, warnte sie. Jeder der unverschuldet in Notlage komme, werde unterstützt, aber sie stehe dazu, dass sich Arbeit lohnen müsse und dass dafür zu sorgen sei, dass nach der Krise möglichst viele Menschen wieder einen Arbeitsplatz haben.

Corinna Scharzenberger (ÖVP) meinte, der Versuch der Opposition, „dem Virus ein politisches Mascherl umzubinden“ stoße ihr sauer auf. Die Regierung leiste derzeit Hervorragendes, auch im internationalen Vergleich. Sie plädierte dafür, die Entwicklungen mit Homeoffice und neuen technischen Möglichkeiten als Chance gegen den Bevölkerungsrückgang im ländlichen Raum zu nutzen.

FPÖ will ÖsterreicherInnen bei Arbeitsmarktzugang bevorzugen

Das vorliegende Budget beruhe auf Annahmen, die unterdessen längst nicht mehr gelten, zudem habe die ÖVP völlig falsche Vorstellungen von der Situation auf dem Arbeitsmarkt, sagte Dagmar Belakowitsch (FPÖ). Die schlechten Arbeitsmarktdaten seien unter anderem auf falsche Maßnahmen der Bundesregierung bei der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie zurückzuführen. Von den versprochenen 12 Mrd. € für Kurzarbeit seien bisher nur 131 Mio. € ausgezahlt worden; den Worten der Bundesregierung würden also keine Taten folgen. Belakowitsch kündigte an, den Antrag der SPÖ auf Erhöhung des Arbeitslosengeldes zu unterstützen, da es dringend notwendig sei, den Konsum wieder anzukurbeln. In einem Entschließungsantrag forderte sie auch ein Maßnahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosigkeit in Österreich als Konsequenz der COVID-19-Krise. ÖsterreicherInnen sollen aus Sicht der FPÖ bevorzugt eingestellt werden, während es Zuzugsbeschränkungen auf dem Arbeitsmarkt für Nicht-EU-Bürger und EU-Bürger in einzelnen Sektoren geben soll.

Bei der Diskussion um die Nettoersatzrate, auf der die Oppositionsparteien beharren, gehe es um ein sehr wichtiges Anliegen der Konjunkturpolitik, erklärte Christian Ragger (FPÖ). Derzeit gebe es nämlich auf den Märkten zwar enorme Liquidität, da seit der Bankenkrise die Zentralbanken die Erhöhung der Geldmenge als einziges Instrument einsetzen. Dieses Geld komme aber nicht bei den Menschen an. Wieviel Einkommen Arbeitslosen oder in Kurzarbeit Befindlichen tatsächlich zur Verfügung steht, sei entscheidend für den Konsum und damit die Konjunktur. Kleine Nachbesserungen der Nettoersatzrate, wie die Regierung sie jetzt vornehme, seien nicht ausreichend, hier müsste seiner Ansicht nach eine wesentlich stärkere Erhöhung stattfinden.

Derzeit sei man bei fast 1,9 Mio. Menschen in Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit, warnte Peter Wurm (FPÖ). Nur eine Konjunkturbelebung sichere Arbeitsplätze, sagte der Abgeordnete und appellierte an die Ministerin, das in Angriff zu nehmen. Der kurzfristig von der Koalition eingebrachte Abänderungsantrag zum Budget korreliere in keiner Weise mit der Realität, kritisierte Wurm.

Grüne sehen Frage einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes für diskussionswürdig

Kurzarbeit sei grundsätzlich ein sehr gutes Instrument, um Menschen in Beschäftigung zu halten, betonte Markus Koza (Grüne). Er sehe aber beträchtliche Herausforderungen für den Arbeitsmarkt. Derzeit seien rund 1,3 Mio. Menschen in Kurzarbeit und für die nächsten Monate drohe weiter Rekordarbeitslosigkeit. Falls die Krise eine Insolvenzwelle auslöst, könnte die Arbeitslosigkeit im Herbst wieder steigen. Alles das habe massive Auswirkungen auf das Budget. 12 Mrd. € seien unterdessen für Kurzarbeit veranschlagt. Die Erfahrungswerte früherer Krisen ließen erwarten, dass einige Milliarden davon in Anspruch genommen werden, sagte Koza sinnvoll eingesetztes Geld. Die Regierung setze nun weitere Maßnahmen, wie den Neustart-Bonus. Das Arbeitslosengeld habe grundsätzlich eine stabilisierende Wirkung, da es Einkommen absichere und damit einen weiteren Konjunkturabschwung bremse. Er halte daher die Frage für berechtigt, ob bei einer länger bestehenden hohen Arbeitslosenrate als konjunkturpolitische Maßnahme auch das Arbeitslosengeld erhöht werden sollte. Die Grünen würden diese Frage jedenfalls ernsthaft diskutieren.

Die Situation am Arbeitsmarkt betreffe vor allem junge Menschen, unterstrich Süleyman Zorba (Grüne). Daher sei es wichtig, Maßnahmen zu setzen, um nicht eine Lost Generation zu erzeugen. Die Suche nach einer Lehrstelle oder einem Arbeitsplatz sei bereits vor der Krise schwierig gewesen. Wichtig sei es, die Facharbeiterausbildung weiter zu unterstützen. Kurzarbeit auch für Lehrlinge sei hier ebenso ein wichtiges Mittel wie auch die überbetrieblichen Lehrstätten und die Schaffung neuer Lehrberufe.     

NEOS kritisieren komplizierte Abwicklung der Kurzarbeit und sehen „Teilzeitfalle“

Mit Kritik an den Zahlen des vom Finanzminister vorgelegten Budgets begann NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker. Der Abgeordnete konzedierte, dass Ministerin Aschbacher unter anderem mit der Kurzarbeit richtig reagiert habe. Allerdings fehlten nach wie vor nachvollziehbare Grundlagen für die Berechnung, was die Kurzarbeit koste. Derzeit würden diese Kosten zudem vor allem von den Firmen getragen, da die Abrechnung derart umständlich sei, dass sie von kaum einem Unternehmen korrekt vollzogen werden könne, kritisierte Loacker weiter. Die Bundesregierung verstärke durch Schaffung neuer Bonus-Modelle die Tendenz zur Teilzeitarbeit und dränge so viele ArbeitnehmerInnen in die „Teilzeitfalle“. Zudem habe man die Mittel für Qualifikation am Arbeitsmarkt gekürzt, was aus Sicht Loackers ebenso eine verfehlte Politik darstellt wie die Beibehaltung der hohen Steuer- und Abgabenquote.     

Bundesministerin Aschbacher: Umfangreiches Maßnahmenpaket für Arbeitsmarkt und Familien in der Krise

Die Bewältigung der Corona-Krise habe vor allem ihr Ressort sehr stark gefordert, sagte Christine Aschbacher, Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend. Habe man bis 15. März noch eine sinkende Arbeitslosigkeit gehabt, sei mit 13. April ein Höhepunkt erreicht worden. Derzeit flache die Kurve zwar leicht ab. 65.000 Menschen hätten wieder Arbeit gefunden und das AMS tue sein Bestes, um Menschen bestmöglich zu unterstützen. Das Corona-Kurzarbeitsmodell, bei dem niemand weniger als 80 % seines Einkommens erhalte, konnte die Beschäftigung von 1,3 Mio. Menschen sichern und sei auch wichtig für das rasche Wiederhochfahren der Wirtschaft.

Die früheren Budgetprognosen würden zwar nicht mehr gelten, da aber die Situation nach wie vor volatil sei, sei es wichtig, das nun vorliegende Budget zu beschließen, da es wichtige Maßnahmen bereits enthalte. Die erhöhten Mittel für Arbeitslosengeld und Notstandshilfe seien bereits vom Ressort berücksichtig, betonte Aschbacher. Damit stünden 1,2 Mrd. € für einen Maßnahmenmix der Arbeitsmarktförderung zur Verfügung. Dazu gehöre auch die überbetriebliche Lehre, die sehr flexibel Lösungen für die Krise gefunden habe. Neben Frauen- und Jugendprogrammen hob Aschbacher auch die Qualifizierungsmaßnahmen hervor.

Die Erhöhung der Notstandshilfe auf die Höhe des Arbeitslosengeldes werde mit Juni greifen. Weitere Unterstützung gebe es für Branchen, in denen noch keine Vollzeitarbeit möglich ist. Die Arbeitsinspektorate hätten in der Krise wichtige Arbeit geleistet, um den Arbeitnehmerschutz zu gewährleisten, sagte die Ministerin. Sie sei im ständigen intensiven Austausch mit allen Stakeholdern am Arbeitsmarkt über alle Schritte, die helfen können, neue Arbeitsplätze zu schaffen, wobei hier auch die Gemeindemilliarde ein wichtiger Faktor sei. (Fortsetzung Nationalrat) sox/mbu

HINWEIS: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen. Alle aktuellen Daten zum Budgetvollzug (Monatsberichte) finden Sie auf der Website des Finanzministeriums.

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Live-Stream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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