Nationalrat legt Grundstein für Simon-Wiesenthal-Preis

Heftige Debatte über Auszeichnung für Engagement gegen Antisemitismus und für Aufklärung über den Holocaust

Wien (PK) Besonderes zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus und für Aufklärung über den Holocaust wird künftig mit einem „Simon-Wiesenthal-Preis“ gewürdigt. Dafür sprachen sich heute in einer sehr emotional geführten Debatte im Plenum des Nationalrats ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS aus. Deren RednerInnen unterstrichen die Wichtigkeit und Signalwirkung des Preises, gerade auch vor dem Hintergrund eines wieder zunehmenden Antisemitismus. Grundlage für den Beschluss bildete ein gemeinsamer Antrag dieser vier Parlamentsparteien. Lediglich die FPÖ war dagegen – nicht aus inhaltlichen Gründen, wie sie betonten, sondern weil die Freiheitlichen den Preis nach Bruno Kreisky benennen wollen. Ihr diesbezüglicher Abänderungsantrag wurde jedoch von den anderen Fraktionen abgelehnt.

Sobotka: Kampf gegen Antisemitismus ist ein demokratisches Grundprinzip

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, der den Preis initiiert hatte, appellierte mit Nachdruck an den gemeinsamen Kampf gegen Antisemitismus, denn es gehe um Österreich und darum, wie wir mit unserer Geschichte umgehen. Diese Debatte sei eine entscheidende für Österreich, und es ärgere ihn, wenn man nicht das Wesen des Preises erkenne, sondern um Namen streite. Wiesenthal stehe auch für jemanden, der unbequem war, der Österreich, das er geliebt hat, davor bewahren wollte, dass es wieder so wird, wie es einmal war.

Der Kampf gegen den Antisemitismus in jeder Form stelle ein demokratisches Grundprinzip dar, so der Nationalratspräsident, einen Kampf gegen eine jahrhundertelange negative Tradition. Es gehe um Menschen, die sich zu ihrem Staat bekennen, und es sei unsere Aufgabe, sie zu schützen. Antisemitismus beginne in der Mitte der Gesellschaft und entwickle sich zu den Rändern hin, sagte Sobotka, der in diesem Zusammenhang vor allem auf die Gefahren durch die sogenannten sozialen Medien hinwies. Der Kampf dagegen könne nur gewonnen werden, wenn alle aufstehen, mahnte er ein. Es sei unser Auftrag, dafür zu sorgen, dass solche Gräuel nicht wieder passieren, das könne man aber nicht an die Polizei oder die Gerichte delegieren, jeder müsse selbst dagegen auftreten.

Der Simon-Wiesenthal-Preis

Der mit 30.000 € dotierte Preis soll jährlich verliehen werden, wobei der Jahrespreisträger bzw. die Jahrespreisträgerin 15.000 € und zwei weitere PreisträgerInnen jeweils 7.500 € erhalten sollen. Auch Schulprojekte und institutionalisierte Einrichtungen wie Vereine sollen ausgezeichnet werden können.

Zuständig für die Vergabe des Preises wird der beim Parlament eingerichtete Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus sein, wobei das vom Nationalratspräsidenten bzw. der Nationalratspräsidentin geleitete Kuratorium auf Basis eines Vorschlags einer sechsköpfigen Jury entscheiden soll. Der Jury sollen unter anderem der Präsident der Israelitischen Religionsgesellschaft in Österreich und ein Nachfahre von Simon Wiesenthal angehören.

Darüber hinaus schlagen die vier Parteien vor, die Aufgaben des Nationalfonds um administrative Tätigkeiten rund um die geplante Shoah-Namensmauern-Gedenkstätte im Wiener Ostarrichi-Park zu erweitern, soweit diese nicht von der Stadt Wien wahrzunehmen sind. Gemäß den Erläuterungen soll der Nationalfonds unter anderem für die Betreuung allgemeiner Anfragen zur Gedenkstätte, eventuelle Namensergänzungen und -korrekturen und die Betreuung der Website zuständig sein. Schließlich wird mit dem vorliegenden Antrag auch eine gesetzliche Grundlage für die Einholung von Auskünften des Nationalfonds bei Behörden und anderen öffentlichen Einrichtungen sowie für Datenverarbeitungen von Personendaten geschaffen.

FPÖ schlägt Bruno Kreisky als Namensgeber vor

Als erste Rednerin in der Debatte beschrieb Susanne Fürst (FPÖ) die Haltung ihrer Partei. Die Freiheitlichen hätten keine inhaltlichen Einwände, sie seien aber mit dem Namensgeber des Preises nicht einverstanden, da Wiesenthal keinen Bezug zum Parlament gehabt habe und es ja um einen Preis des Parlaments gehe. Die FPÖ schlug daher vor, den Preis nach dem ehemaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky zu benennen, der in den Augen der FPÖ aufgrund seiner Biografie prädestiniert dafür ist. Kreisky habe lange Zeit die Innenpolitik geprägt und für soziale Gerechtigkeit gekämpft, sagte Fürst, er sei ein „Internationalist“ und weltoffen, er sei ein österreichischer Patriot gewesen.

Sie wurde darin von ihrem Klubobmann, Herbert Kickl, unterstützt, der den Abgeordneten der anderen Fraktionen vorwarf, andere Meinungen nicht akzeptieren zu wollen. Vor allem verwehrte er sich gegen die Aussage Martin Engelbergs von der ÖVP, die Freiheitlichen hätten sich mit ihrer Haltung zum politischen Außenseiter gemacht. Nationalratspräsident Sobotka warf er vor, mit seiner Idee das Parlament de facto überrumpelt zu haben.

Kickl räumte ein, dass Wiesenthal ein Gegner der FPÖ gewesen ist, der seiner, Kickls Meinung nach, maßgebliche Vertreter der FPÖ zu Unrecht verurteilt habe. Der FPÖ-Klubobmann unterstrich, im Kampf gegen Antisemitismus könne nicht genug unternommen werden, er betonte auch die Notwendigkeit der Gedenkkultur. Kickl erinnerte in diesem Zusammenhang auch an den EU-Beschluss während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft zum Schutz der jüdischen Gemeinden und Institutionen, den er in seiner Zeit als Innenminister zustande gebracht hatte. Kickl forderte jedoch auf einzugestehen, dass das Problem weniger bei den österreichischen StaatsbürgerInnen liege, sondern dass es der importierte Antisemitismus islamistischer Kräfte sei, der die größte Gefahr für die jüdische Gemeinde darstelle.

ÖVP: Wiesenthal hat zur Wiederherstellung von Recht und Anstand beigetragen

Mit scharfen Angriffen auf die FPÖ wartete Martin Engelberg (ÖVP) auf. Wiesenthal sei ein Mann mit starkem Charakter gewesen, ein Hoffnungsträger für jene, deren Familien in den Konzentrationslagern ermordet worden waren. Wiesenthal habe für die Verfolgung von Nazi-Verbrecher seine berufliche Karriere geopfert und zur Wiederherstellung von Recht und Anstand in der damals kontaminierten Gesellschaft beigetragen. Sein Engagement sei ihm aber nicht gedankt worden, so Engelberg, der vor allem mit Bruno Kreisky und dessen Verteidigung von Friedrich Peter hart ins Gericht ging. Es könne nicht sein, sagte Engelberg, dass Kreisky, der ein Gegner von Wiesenthal gewesen sei, Namensgeber des Preises wird. Die FPÖ bezichtigte er daher der vorsätzlichen Verhöhnung des Andenkens an Wiesenthal. Jede Partei, die für Rechtsstaatlichkeit und Anstand stehe, müsse für den Preis sein, bekräftigte der ÖVP-Mandatar.  

Engelberg zufolge gebührt vor allem dem ehemaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky und auch dem gegenwärtigen Regierungschef Sebastian Kurz Dank dafür, dass sie den Kampf gegen Antisemitismus zu einem wichtigen Teil ihrer politischen Arbeit erklärt haben.

Seine Klubkollegin Irene Neumann Hartberger unterstrich vor allem die Bedeutung der Jugendarbeit in diesem Bereich, da es auch immer weniger ZeitzeugInnen gibt. Es sei daher schwieriger, bei den Jugendlichen das Bewusstsein für die Vergangenheit zu schärfen, sagte sie.

SPÖ: Es ist eine Auszeichnung, wenn der Preis den Namen Simon Wiesenthal trägt

Als erschütternd bezeichnete Sabine Schatz (SPÖ) die steigenden Zahlen antisemitischer Angriffe, vor allem jene mit eindeutig rechtsradikalem Hintergrund. „Wir bekennen uns zur Verantwortung für das größte Verbrechen, die Shoah“, sagte sie, und „wir stehen auf für den Kampf gegen den Antisemitismus in all seinen Formen“. Antisemitismus ist nicht verschwunden, warnte auch Jörg Leichtfried (SPÖ), man erlebe gerade einen Anstieg. Antisemitismus beginne unauffällig und werde dann gewalttätig.

Schatz zeigte sich zufrieden, dass man mit dem Preis, zwar verspätet, einen großen Österreicher für dessen Arbeit ehrt.

Ebenso würdigte Leichtfried Simon Wiesenthal. Man müsse sich wundern, dass er nach seinen schrecklichen Erfahrungen in der Lage war, seinen Lebensweg zu gehen und die Belastungen auf sich zu nehmen. Seine größte Leistung sei es gewesen, in der Zeit, als Österreich mit der Lebenslüge lebte und sich nicht zur Mitverantwortung am Holocaust bekannte, dagegen anzukämpfen und sich nicht einschüchtern zu lassen. Es sei daher eine Auszeichnung, wenn der Preis den Namen Wiesenthal trägt.

Grüne: Wiesenthal war ein Patriot

Der FPÖ-Antrag zeige die Niedertracht der FPÖ, reagierte Eva Blimlinger hart auf die Haltung der Freiheitlichen. Mit dieser Partei sei kein Staat zu machen, sagte sie. Die FPÖ sei auch in Zukunft nicht regierungsfähig, ist sie überzeugt. In Reaktion auf Susanne Fürst unterstrich Blimlinger, dass Wiesenthal ein Patriot gewesen sei, der sich trotz allem entschlossen habe, in Österreich zu bleiben.

NEOS: Wiesenthal hat Ungerechtigkeit nicht ertragen

Helmut Brandstätter appellierte seitens der NEOS an die Freiheitlichen, ihre Meinung doch noch einmal zu überdenken. Er zeigte sich betroffen darüber, dass im Jahr 2020 kein gemeinsamer Kampf gegen den Antisemitismus möglich ist und kleine parteipolitische Kämpfe im Vorderrund stehen. „Stehen wir gemeinsam gegen den Antisemitismus auf!“, rief er in Richtung ihrer Reihen. Es gehe um eine große Sache, um Österreich, sagte er. Wiesenthal habe einfach die Ungerechtigkeit nicht ertragen, dass die Schuldigen frei herumlaufen, während Familien um ihre ermordeten Verwandten trauern. (Fortsetzung Nationalrat) jan

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Live-Stream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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