OÖNachrichten-Leitartikel: „Hüter der Verfassung unter Beobachtung“, von Wolfgang Braun

Ausgabe vom 27. Februar 2018

Linz (OTS) - Er habe den Verfassungsgerichtshof geleitet wie ein Dirigent: „Den ersten Takt geben und dann einfach spielen lassen.“ So beschrieb der im Vorjahr verstorbene Karl Korinek seinen Führungsstil als Präsident des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes (VfGH). Korinek war Jurist und Musikliebhaber, beides mit Leidenschaft und Hingabe. Seine Schilderung sagt nicht nur einiges über ihn selbst aus, sondern auch viel über das bisherige Selbstverständnis des VfGH. Korinek war als Jurist eine Lichtgestalt, er prägte den Geist im Höchstgericht nachhaltig. Weltanschaulich war er ein Konservativer, aber seine Mitgliedschaft bei der ÖVP legte er zurück, als er VfGH-Präsident wurde. Sein Nachfolger Gerhart Holzinger führte den VfGH im Sinne Korineks bis Ende 2017 weiter, integer und unabhängig. In diesen Tagen bricht im VfGH eine neue Ära an, und es gibt viele Rechtsexperten, die angesichts der jüngsten Entwicklungen skeptisch sind. Nicht wegen der Wahl der neuen Präsidentin Brigitte Bierlein, sondern wegen einiger anderer Berufungen. Prominente Kritikerin ist die frühere OGH-Präsidentin Irmgard Griss, die beklagte, dass es unpassend sei, wenn Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter nahtlos von der Regierungsbank in den VfGH wechsle. Die Optik ist tatsächlich unglücklich, wenn jemand eben noch für das Zustandekommen von Gesetzen verantwortlich war, die er vielleicht bald schon als Höchstrichter prüfen soll.
Auch die beiden Kandidaten der FPÖ nähren die Skepsis: Der Linzer Professor und deutschnationale Burschenschafter Andreas Hauer nannte den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte „mitverantwortlich für die multikriminelle Gesellschaft“. Das ist definitiv nicht die Wortwahl, mit der man sich für ein Höchstrichter-Amt qualifiziert. Auserkoren werden die Richter von der Regierung bzw. vom Parlament. Das ist eine auch in anderen Ländern übliche Praxis mit dem Nachteil, dass immer der Vorwurf politischer Einflussnahme mitschwingt. Bisher konnte dieser Verdacht entkräftet werden, weil bei den Entscheidungen der Parteien in der Regel juristische Qualität schwerer wog als politische Loyalität. Den Rest besorgte der Korpsgeist im VfGH, der die bis zu ihrem 70. Lebensjahr berufenen Richter einnahm. Dass dieser Geist unversehrt bleibt, wird der neu formierte VfGH erst beweisen müssen.

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