ORF muss unabhängig bleiben | ORF-Redakteursrat, 05.06.2018

Redakteursvertretung gegen ORF-Finanzierung aus dem Staatsbudget

Wien (OTS) - Der ORF-Redakteursausschuss, das sind die RedakteurssprecherInnen aus allen Bereichen (Radio, TV, Online, Teletext und Landesstudios) hat bei seiner heutigen Sitzung folgende Resolution einstimmig beschlossen:

Der ORF ist das wichtigste Qualitäts-Medium Österreichs und schafft eine gemeinsame Identität für das Land. Das hat sich in den vergangenen Tagen deutlich gezeigt: Von der Übertragung des Sommernachts-Konzertes vor Schloss Schönbrunn, dem Fußball-Schlager Österreich gegen Deutschland, der Life-Ball-Übertragung bis zum Interview mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der ORF beweist in allen Bereichen – Kultur, Sport, Unterhaltung und Information - dass Qualität und Quote kein Widerspruch sind.

Umso bedauerlicher ist es, dass die Regierungsparteien offenbar wenig Interesse an einem unabhängigen ORF haben: Wenn Vizekanzler Heinz-Christian Strache dem ORF wörtlich „Fake News, Lügen und Propaganda“ vorwirft und das als „Satire“ bezeichnet, gleichzeitig die Abschaffung der GIS-Gebühren verlangt und Bundeskanzler Sebastian Kurz darauf lediglich sagt, man müsse „die Emotionen herausnehmen“ und eine „sachliche Debatte“ führen.

Wenn FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger ein Drittel der ORF-Korrespondenten streichen will, weil er mit der Ungarn-Berichterstattung unzufrieden ist. Kritische Interviewfragen als „unbotmäßig“ abqualifiziert, auf Journalisten „erzieherisch“ einwirken will und die Entlassung von Journalisten fordert, wenn sie auf sozialen Medien Inhalte posten, die ihm nicht gefallen. Und ankündigt, ein „scharfes“ ORF-Gesetz in der Schublade zu haben. Und trotzdem von der Mehrheit im Stiftungsrat als Vorsitzender gewählt wird.

Wenn nach monatelangen Ausschreibungen, Unternehmens-Hearings und Redaktions-Abstimmungen Personalentscheidungen im ORF genau so ausfallen, wie sie schon seit Wochen als Wunschkandidaten der Regierungsparteien in den Zeitungen gehandelt werden. Und Generaldirektor Alexander Wrabetz einräumt, „Empfehlungen“ aus dem Stiftungsrat bekommen zu haben.

Wenn Medienminister Gernot Blümel den ORF vor allem als „Schuhlöffel“ für die Privatsender sieht. Und Programm und Einladungs-Liste der Medien-Enquete das auch deutlich vermitteln.

Das alles lässt uns befürchten, dass es nicht um eine Weiterentwicklung des ORF zum Wohl des Publikums geht, sondern um den Umbau des ORF zum „Regierungsfunk“ und um die Schwächung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, von der die private Konkurrenz profitieren soll.

Die staatliche Finanzierung des ORF aus dem Bundesbudget – anstatt über eine Gebühr – würde zur direkten Abhängigkeit vom Wohlwollen der Regierungsparteien führen. Der ORF-Generaldirektor würde dann zum Bittsteller beim Finanzminister, Medienminister oder Bundeskanzler, um sein jährliches Budget zu verhandeln. Der Schritt zum „Regierungsfunk“ wäre dann nicht mehr weit.

Die Finanzierung aus dem Staatsbudget hätte eine permanente Abhängigkeit des ORF von Budget-Entscheidungen des Parlamentes zur Folge. Das lässt verstärkten Druck aus der Politik auf die ORF-Führung befürchten.

Freie und faire Berichterstattung über Parteien würde nahezu unmöglich, wenn eben diese Parteien jedes Jahr nach Gutdünken über die wirtschaftliche Existenz des ORF bestimmen könnten. Unter dem Deckmantel des Sparens könnten unliebsame Sendungen jederzeit abgestraft werden - von jenen Politikern, die mit der Berichterstattung über ihre Partei oder über sich selbst unzufrieden sind. Sie bräuchten sich dazu nicht einmal in der Öffentlichkeit die Hände schmutzig zu machen, denn ohne ausreichende finanzielle Mittel wäre jede Geschäftsführung zu Einschnitten im Programm gezwungen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss aber dem Publikum verpflichtet sein, nicht den politischen Parteien. Und so sorgt eine Beitragsfinanzierung für ein höheres Maß an Staatsferne als die Finanzierung aus dem Budget. Wobei die Rundfunkgebühren in der gesamten eingehobenen Höhe tatsächlich dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gehören sollten und nicht länger durch Zuschläge, die an Bund und Länder gehen, verfälscht werden.

Die angekündigte Änderung des ORF-Gesetzes sollte dem ORF auch online innovative Sendungsformate ermöglichen. Aber vor allem müsste ein neues ORF-Gesetz zu mehr partei-politischer und wirtschaftlicher Unabhängigkeit führen. Durch Verbesserungen bei der Bestellung der Aufsichtsgremien und durch eine Stärkung des Redakteursstatutes mit echten Mitwirkungsrechten bei der Besetzung von journalistischen Leitungsfunktionen. So wie es bei heimischen und internationalen Qualitätsmedien schon längst üblich ist.

Denn nur ein - auch ökonomisch - unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk kann seine unverzichtbaren demokratiepolitischen Aufgaben in der neuen Medienlandschaft erfüllen. Der ORF gehört nicht den Parteien, sondern allen Österreicherinnen und Österreichern. Für sie machen wir unser Programm.

Regionalisierung nicht als bloßes Schlagwort

Die Landesstudios haben trotz der massiven Personaleinsparungen in den vergangenen Jahren die Berichterstattung deutlich gesteigert. In 3.650 „Bundesland heute“-Sendungen pro Jahr, rund 80.000 Stunden Radio-Programm und mehr als 40.000 online-Beiträgen wird das Leben der Menschen in den Bundesländern abgebildet. Dafür braucht es journalistische Kompetenz und die dafür notwendige finanzielle und personelle Ausstattung. Die ORF-JournalistInnen bekennen sich zum weiteren Ausbau der Regionalberichterstattung, aber zusätzliche Regionalsendungen, die die ORF-Geschäftsführung plant, brauchen eine entsprechende Aufstockung der Redaktionen, damit die Regionalisierung nicht zu einem Schlagwort verkommt.

Neuwahl des Redakteursrats

Alle zwei Jahre wählen die RedakteurssprecherInnen aus ihrem Kreis den Redakteursrat. Zum Vorsitzenden des Redakteursrates wurde wieder Dieter Bornemann (ZiB) gewählt. Ebenso in den Redakteursrat wiedergewählt wurden Margit Schuschou (ORF-Tirol) und Peter Daser (Radio Innenpolitik). Zu stellvertretenden Redakteursratsmitgliedern wurden Martina Schmidt (report), Tanja Malle (Ö1) und Helmut Schöffmann (ORF-Steiermark) gewählt.

Rückfragen & Kontakt:

Dieter Bornemann, M.A.
Vorsitzender des Redakteursrates
Tel.: 01/87878/12 457

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