Petitionsausschuss: Von der alternativen Leistungsbeurteilung bis zum Recht auf Sterben in Würde

Weiters standen Corona-Prämien, Verkehrsprojekte, Problemwölfe und Unterstützung für die Jugendherbergen auf der Agenda

Wien (PK) Die Forderung nach mehr höheren Schulen in Favoriten, der bessere Schutz der Tiroler Almen vor Wölfen,

die Beseitigung der Diskriminierung von schwulen und bisexuellen Männern bei der Blutspende, die Freilassung von Julian Assange, die Ausschüttung von sogenannten Corona-Sonderprämien für besonders belastete Berufsgruppen, die Aufstockung der Bundesfördermittel für gemeinnützige Jugendherbergen oder das Recht auf ein „selbstbestimmtes Sterben in Würde“, waren nur einige der insgesamt 48 Bürgeranliegen, die heute im Petitionsausschuss behandelt wurden. Im Fall der Initiative zur Ermöglichung der alternativen Leistungsbeurteilung ohne Noten wurde dem Ausschuss eine Schultasche mit zusätzlichen Unterschriften übermittelt, um den Forderungen mehr Nachdruck zu verleihen.

Positiv erledigt werden konnte etwa eine Initiative von BürgerInnen der steirischen Gemeinde Kraubath an der Mur, die sich eine Modernisierung des Bahnhofs im Ort wünschten. Der von ihnen im Sinne der Erhöhung der Sicherheit geforderte gleisfreie Bahnsteigzugang sei bereits in Planung und sollte 2021 fertig sein, informierte Abgeordneter Hermann Weratschnig (Grüne).  

In einer weiteren verkehrspolitischen Angelegenheit gab es weniger Konsens. So wurde nämlich die Bürgerinitiative bezüglich der Anbindungspläne der russischen Breitspurbahn vom derzeitigen Endbahnhof an die Grenzregion im Nordosten Österreichs mit den Stimmen von ÖVP und Grünen zur Kenntnis genommen. Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ) wollte hingegen noch Stellungnahmen von Seiten der Landesregierungen in Wien, Niederösterreich und Burgenland einholen, da es um die „Lebensqualität von hunderttausenden Menschen“ gehe. Auch FPÖ-Mandatar Christian Ries unterstützte dieses Verlangen und beklagte, dass sich die InitiatorInnen dieses „Begräbnis erster Klasse“ nicht verdient hätten.

In vielen Fällen beschloss der Ausschuss, Stellungnahmen von Ministerien oder anderen Institutionen einzuholen, manche Materien wurden vertagt oder in die jeweiligen Fachausschüsse weitergeleitet. Einstimmig angenommen wurde schließlich ein Sammelbericht über all jene Verhandlungsgegenstände, die durch Kenntnisnahme erledigt bzw. zugewiesen wurden; dieser wird in der nächsten Nationalratssitzung auf der Agenda stehen.

Widerstand gegen Breitspurbahnprojekt in der Grenzregion der Bezirke Neusiedl und Bruck an der Leitha

Auf wenig Gefallen stößt die Anbindung der russischen Breitspurbahn vom derzeitigen Endbahnhof im slowakischen Kosice an die Grenzregion im Nordosten Österreichs bei einer Bürgerinitiative . Es sei nämlich zu befürchten, dass die Trassenführung die Bezirke Neusiedl und Bruck an der Leitha betrifft, zumal diese Variante von den Betreibern des Projekts favorisiert werde. Neben einer großen Gefährdung der Tier- und Pflanzenarten würde die Realisierung des Bauvorhabens negative Auswirkungen auf den Tourismus haben, warnen die UnterstützerInnen. Außerdem werde der Ausbau der Breitspurbahn, der nur dem Güterverkehr dient, zu keiner Verkehrsentlastung in der Region führen. Da wohl kaum 100% der Waren auf die Schiene verlagert würden, sei sogar mit einem Anstieg der Zahl an Lkw-Fahrten um ein Drittel zu rechnen.

Für Abgeordneten Hermann Weratschnig (Grüne) war es ganz klar, dass es keinen Großgüterbahnhof ohne breiten Bürgerbeteiligungsprozess geben könne. Das Projekt Seidenstraße und seine Auswirkungen werden sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene noch weiter diskutiert werden müssen. Die nächste Gelegenheit dazu gebe es bald im Nationalrat, wenn der Sammelbericht auf der Tagesordnung steht. Die Kenntnisnahme begründete er damit, dass es zum heutigen Zeitpunkt kein konkretes Bauvorhaben gebe.

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ) verwies hingegen darauf, dass in einer diesbezügliche Anfragebeantwortung von Bundesministerin Gewessler bereits von fünf möglichen Standorten die Rede sei. Es stehe völlig außer Zweifel, dass es das Projekt Seidenstraße gibt, entgegnete SPÖ-Vertreter Andreas Kollross, die Frage sei nur, wo der Terminal hinkomme. Für die Bevölkerung in der Ostregion sei es auch nicht wünschenswert, wenn dieser knapp hinter der österreichischen Grenze errichtet werde. Generell bezeichnete er die Vorgangsweise der Grünen in dieser Causa als „sehr verstörend“. Die Bürgerinitiative wurde mit Stimmen der ÖVP und der Grünen zur Kenntnis genommen; über die SPÖ-Anträge auf Einholung weiterer Stellungnahmen wurde nicht mehr abgestimmt.

Wolfsproblematik: Petitionen zum Erhalt und Schutz der Tiroler Almen  

Schon mehrfach wurden dem Ausschuss Bürgeranliegen bezüglich der zunehmenden Ausbreitung von Wölfen zugeleitet, was in einigen Regionen Österreichs zu Problemen in verschiedenen Bereichen führt. Aufgrund der steigenden Zahl an gerissenen Weidetieren werden immer mehr Schafe, Rinder, Ziegen oder Pferde nicht mehr gealpt, zeigt etwa eine von Abgeordnetem Hermann Gahr unterstützte Petition auf, zahlreiche BäuerInnen würden dadurch die Landwirtschaft aufgeben. Der Rückgang der Alm- und Berglandwirtschaft habe aber nicht nur dramatische Auswirkungen für die Betroffenen selbst, sondern auch für die Tourismus- und Freizeitwirtschaft, die Pflanzenvielfalt und den Schutz der Menschen vor Naturkatastrophen. Damit die Wolfsbestände besser reguliert werden können, plädieren die PetentInnen für eine entsprechende Änderung der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Außerdem soll Bundesministerin Gewessler gemeinsam mit den Umweltlandesräten eine Wolfsstrategie entwickeln, um eine leichtere und unbürokratischere Entnahme von Problemwölfen zu ermöglichen. Der Gesundheitsminister wiederum wird aufgefordert, den Schutz für Haus- und Weidetiere vor großen Beutegreifern im Tierschutzgesetz zu verankern.

Auch im Rahmen einer zweiten Petition , in der es konkret um Vorfälle in der Gemeinde Serfaus geht, wird eine rasche, unbürokratische und leichte Entnahme von Problemwölfen gefordert. Dort hätten die Menschen bereits Angst, sich mit ihren Kindern oder alleine in der Natur oder im Wald aufzuhalten. Aus diesen Gründen treten die PetentInnen dafür ein, ganz Tirol als wolfsfreie Zone zu definieren. In beiden Fällen beschloss der Ausschuss einstimmig, Stellungnahmen des Landwirtschafts- und des Klimaschutzministeriums sowie der Österreichischen Vertretung der EU-Kommission in Wien einzuholen.

Alternative Leistungsbeurteilung ohne Noten soll im Rahmen der Schulautonomie ermöglicht werden

Die Entscheidung über die Art der Leistungsbeurteilung – ob Ziffernnoten oder alternative Leistungsbeurteilung – soll nach Ansicht einer Bürgerinitiative wieder den Volksschulen bzw. den einzelnen Klassen überlassen werden (25/BI). Ziffernnoten seien nachweislich nicht objektiv und ein Störfaktor insbesondere dort, wo Inklusion gelebt werde und/oder es altersgemischte Lerngruppen gebe, argumentieren nicht nur die UnterzeichnerInnen, sondern auch Abgeordnete Sibylle Hamann (Grüne). Sie richten sich mit dem Appell an die politisch Verantwortlichen, „den bildungswissenschaftlichen Erkenntnissen Folge zu leisten und – ebenso wie bereits in zahlreichen anderen Ländern üblich – von der verpflichtenden Ziffernnotenbeurteilung abzurücken“. Der Ausschuss beschloss mit Zustimmung aller Fraktionen, dazu eine Stellungnahme des Bildungsministeriums sowie des Instituts für Schulforschung und pädagogische Diagnostik der Universität Innsbruck einzuholen.

Corona-Krise darf nicht auf Kosten von Frauen gehen

Viel zu tun bekommen die Ministerien in Bezug auf die von allen SPÖ-Parlamentarierinnen unterstützte Petition für „geschlechtergerechte Maßnahmen in und nach der Corona-Krise“, da im Ausschuss beschlossen wurde, bei allen Ressorts Stellungnahmen einzuholen. Zusätzlich wurden die Arbeiterkammer, die Wirtschaftskammer und der ÖGB angefragt. In dem auf eine Initiative des Salzburger Frauenrats und des Österreichischen Frauenrings zurückgehenden Anliegen wird höchste Wachsamkeit eingefordert, damit die Pandemie und vor allem die Wege aus dieser Krise heraus nicht zu einem „Fiasko für Frauen“ werden. Ein Zwischenresümee nach ein paar Wochen COVID-19-Pandemie habe bereits sehr klar aufgezeigt, wo in Zukunft politische Schwerpunkte gesetzt werden müssen. Diese reichen von einer Stärkung des Sozialstaats in Verbindung mit dem Ausbau öffentlicher, qualitativ hochwertiger und leistbarer Infrastruktur für die Bereiche Pflege, Gesundheit sowie Kinder- und Jugendbildung, einer Wiedereinführung des 50%-Ziels für Frauen im Rahmen des arbeitsmarktpolitischen Förderbudgets, einer grundlegenden Aufwertung und Neubewertung der in den systemrelevanten Branchen geleisteten bezahlten Arbeit bis hin zu einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70% sowie einer Anhebung der Notstandshilfe.

Deutlich mehr Mittel brauche es nach Ansicht der UnterstützerInnen zudem für den Ausbau der psychosozialen Beratungseinrichtungen im frauen-, arbeitsmarkt-, gesundheits- oder gewaltschutzpolitischen Sektor. Als besonders dringlich stufen sie Sofortmaßnahmen für AlleinerzieherInnen und sonstige stark betroffene Gruppen wie etwa 24-Stunden-BetreuerInnen, AsylwerberInnen, Prostituierte oder obdachlose Menschen ein. Künftige Konjunktur- und Sparmaßnahmen müssen zudem einer Geschlechtergerechtigkeitsprüfung sowie einer gleichstellungspolitischen Folgenabschätzung unterzogen werden, wobei immer GenderexpertInnen und zivilgesellschaftliche Organisationen eingebunden werden sollten. Auch müsse der Retraditionalisierung von Rollenbildern durch verstärkte Sensibilisierungs- und Bewusstseinsarbeit entschieden entgegengewirkt werden.

Freiheit für Julian Assange – keine politischen Gefangenen in Europa

Die Freilassung von Julian Assange, der sich derzeit in Einzelhaft in einem britischen Gefängnis befindet, fordert eine Bürgerinitiative , die Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ) aus menschenrechts- und demokratiepolitischer Sicht für sehr wichtig erachtet. Der UN-Sonderberichterstatter für Folter Nils Melzer habe in einem Bericht darauf hingewiesen, dass sich der Gesundheitszustand von Assange rasant verschlechtert habe und mittlerweile sein Leben in Gefahr sei. Außerdem weise er „alle typischen Symptome von andauernder, psychischer Folter auf“. Da Julian Assange auch der Zugang zu seinen Anwälten sowie zu Unterlagen zu seinem Fall massiv erschwert werde, sei kein faires Gerichtsverfahren sichergestellt. Die Bundesregierung wird daher ersucht, sich auf europäischer Ebene für die Freilassung von Assange einzusetzen, und zwar sowohl innerhalb der EU als auch bilateral mit Großbritannien. Weiters soll ihm politisches Asyl gewährt und die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden. Auch FPÖ-Mandatar Christian Ries war der Auffassung, dass Assange, der im Grunde ein Enthüllungsjournalist sei, Asyl verdient hätte. Alle Fraktionen sprachen sich dafür aus, in dieser Causa eine Stellungnahme vom Außenministerium einzuholen.

Aufstockung der Bundesfördermittel für gemeinnützige Jugendherbergen

Durch die Corona-Pandemie stehen die gemeinnützigen Jugendherbergen, in denen rund 370 MitarbeiterInnen beschäftigt sind, vor der größten Herausforderung seit ihrer Gründung vor 111 Jahren, zeigt eine von Andreas Kollross (SPÖ) vorgelegte Petition auf. Allein auf Bundesebene werde mit einem uneinbringlichen Verlust in der Höhe von 80.000 € durch entgangene Mitgliedsbeiträge gerechnet. In den Bundesländern sorge eine noch nie dagewesene Stornierungswelle für einen finanziellen Schaden von 5.440.701 € allein bis Ende Juni. Neben einer Abgeltung des Einnahmenentfalls fordern die UnterstützerInnen eine Aufstockung und laufende Valorisierung der Bundesfördermittel im Rahmen des Bundes-Jugendförderungsgesetzes, zumal seit nahezu 20 Jahren keine Anpassung mehr vorgenommen wurde. Überdies sollten die Jugendherbergsorganisationen, die seit 2011 keinerlei Fördermittel mehr bekommen haben, unterstützt werden. Dazu werden nun Stellungnahmen vom Fiananz-, Arbeits-, Wirtschafts- und Gesundheitsministerium sowie der Arbeiterkammer und der Wirtschaftskammer eingeholt. Keine Mehrheit fand der SPÖ-Antrag auf Einholung einer Stellungnahme von der Verbindungsstelle der österreichischen Bundesländer.

Petition fordert Recht auf selbstbestimmtes Sterben in Würde in Österreich

Ein Recht auf Selbstbestimmung am Lebensende sei ein wesentlicher Teil der Autonomie des Menschen, heißt es in einer von Abgeordnetem Michael Bernhard (NEOS) unterstützten Petition , die dabei den Kontext von unausweichlichem schweren körperlichen oder psychischen Leid, insbesondere bei unheilbaren Krankheiten, unter ärztlicher und psychologischer Betreuung, und bei aufrechter Urteilskraft des Leidenden im Fokus hat. Eine Umfrage zeige auch, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung in Österreich für Sterbehilfe ausspreche. Die Österreichische Gesellschaft für ein humanes Lebensende (ÖGHL) sowie die Petition von Wolfgang Obermüller „Recht auf Sterbehilfe“ ersuchen gemeinsam den Nationalrat, die Entkriminalisierung von Sterbehilfe zu diskutieren und gesetzgeberisch umzusetzen. Betont werden gleichzeitig der ethische und zeitliche Vorrang von Palliativmedizin sowie psychischer und emotionaler Betreuung vor jeder Entscheidung zum Freitod.

Ausschussvorsitzender Michael Bernhard (NEOS) wies darauf hin, dass sich die EinbringerInnen schon mehrfach in dieser Frage an das Parlament gewandt haben und sich aufgrund aktueller Ereignisse – kürzlich ergangener Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Deutschen Bundesverfassungsgerichts – bestärkt sehen. Obwohl er eine Reihe von Anträgen auf Stellungnahmen einbrachte, schloss sich die Mehrheit dem Vertagungsantrag der ÖVP-Abgeordneten Corinna Schwarzenberger an. Sie gab ebenso wie ihr Fraktionskollege Nikolaus Prinz zu bedenken, dass der österreichische Verfassungsgerichtshof im September eine Entscheidung darüber fällen werde und man dieses Urteil abwarten wolle. Wenig Verständnis für dieses Argument hatten die Abgeordneten Andreas Kollross (SPÖ), Wolfgang Zanger und Christian Ries (beide FPÖ), die von einer Verzögerungstaktik sprachen. (Schluss) sue


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