Podiumsdiskussion im Parlament zum Wahlkampf 2017

Liste Pilz soll bald umbenannt werden

Wien (PK) - War der Wahlkampf 2017 tatsächlich der schmutzigste in der Geschichte Österreichs, wie vielfach suggeriert wurde? Worauf haben die Wahlkampfmanager der Parteien in ihren Kampagnen gesetzt? Und welche Strategien haben sich letztendlich als erfolgreich erwiesen? Um diese Fragen ging es heute Abend bei einer Podiumsdiskussion im Parlament. Anlass dafür war die Präsentation des Buches "Wahl 2017. Loser, Leaks & Leadership", zu der Nationalratspräsidentin Elisabeth Köstinger gemeinsam mit den HerausgeberInnen Thomas Hofer und Barbara Toth eingeladen hatte. Schon zum vierten Mal haben der Politikberater und die Falter-Journalistin eine Nachlese zu Nationalratswahlen vorgelegt, mit tiefen Einblicken hinter die Kulissen des Wahlkampfs und Analysen von ExpertInnen.

Aber nicht nur das Buch, auch die heutige Podiumsdiskussion förderte die eine oder andere Überraschung zutage. So kündigte Abgeordneter Alfred Noll eine baldige Umbenennung der Liste Pilz an. Allgemein wurde die Erwartung geäußert, dass die Regierung die gesamte Legislaturperiode hält. Noch nicht abgeschlossen ist für die SPÖ die Affäre Silberstein: Christoph Matznetter ließ das Wort Betriebsspionage fallen und kritisierte die Untätigkeit der Justiz.

Hofer: Reformerzählung wird ein bisschen ins Rutschen kommen

Nach Ansicht von Autor Thomas Hofer ist der Wahlkampf der SPÖ dieses Mal jedenfalls misslungen, nachdem diese ansonsten immer sehr professionelle Wahlkämpfe geführt habe. Dafür habe die ÖVP, "die durch die letzten Wahlkämpfe gestolpert ist", 2017 sehr professionell agiert. Eine gewisse Wandlung sei bei der FPÖ bemerkbar gewesen.

Insgesamt habe es ein ambitionierteres Storytelling als in den bisherigen Wahlkämpfen gegeben, sagte Hofer, wobei es seiner Meinung nach schwierig sein wird, die "Erneuerungsgeschichte" in die Regierungsarbeit einfließen zu lassen. "Die große Reformerzählung wird schon ein bisschen ins Rutschen kommen", glaubt er. Leichter werde es sein, das "Flüchtlings-Framing" weiterzuführen. Was der Regierung auch helfen werde, sei die Konjunktur, die schnurre, und dass die Opposition zum Teil noch immer angeschlagen ist. Allgemein erwartet der Politikberater in der politischen Auseinandersetzung einen deutlich aggressiveren Ton.

Glück: Regierung muss Gemeinsamkeit signalisieren

Sie habe sich gewundert, dass die Silberstein-Affäre der SPÖ nicht mehr geschadet hat, meinte Kommunikationsberaterin Heidi Glück, langjährige Pressesprecherin von Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Der Wahlkampf sei schon sehr schmutzig gewesen, meinte sie, sie persönlich habe die seinerzeitigen Anwürfe gegen Schüssel aber als schmutziger erlebt. Durch die sozialen Medien hätten die Wahlkämpfe heute aber jedenfalls eine ganz andere Dimension.

Als Narrativ für die neue Regierung schlägt Glück "Aufbruch" vor. Zudem sei es wichtig, Gemeinsamkeit zu signalisieren und Themen gemeinsam zu präsentieren. Die Konfliktlinien müssten in Zukunft wieder zwischen Regierung und Opposition verlaufen und nicht zwischen den Regierungsparteien. In diesem Sinn hält Glück die Idee, einen Regierungssprecher zu etablieren, grundsätzlich füreine gute. Dieser müsse aber gut verankert sein.

Matznetter: Gesellschaftliches Klima wird rauer

Für SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christoph Matznetter ist die Affäre Silberstein noch nicht abgeschlossen. Er erwartet morgen einen Bericht der Task-Force und glaubt insgesamt, dass der mutmaßliche Versuch, die SPÖ-Kampagne auszuspionieren, langfristig Folgen haben wird. In anderen Ländern gebe es bereits Parteien, die geheimdienstartige Strukturen haben, Background-Checks bei ehrenamtlichen MitarbeiterInnen machen und keine unverschlüsselten E-Mails mehr verschicken, meinte er, dieses gegenseitiges Belauern und Misstrauen könnte auch in Österreich Einzug halten. Das gesellschaftliche Klima werde rauer, befürchtet er ein Ende der "liebenswürdigen österreichischen Verhältnisse". Empörend ist für Matznetter auch, dass die Justiz nach den eindeutigen Aussagen eines Wahlkampfmitarbeiters keine Ermittlungsschritte gesetzt hat.

Was die zukünftige Rolle der SPÖ als Oppositionspartei betrifft, kündigte Matznetter an, nicht nur Dinge kritisch aufzeigen zu wollen, sondern auch Alternativvorschläge vorzulegen. "Dass wir das können, haben wir bereits gezeigt." Er erwartet jedenfalls heftige Auseinandersetzungen, auch wenn ihm ein konstruktives Klima lieber wäre. Zur FPÖ merkte er an, es sei erstaunlich, dass diese "einen zweiten politischen Suizidversuch unternimmt".

Jenewein: FPÖ muss aufzeigen, dass sie regieren kann

FPÖ-Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein, der kurzfristig für Generalsekretär Herbert Kickl einsprang, berichtete, dass es in der FPÖ bereits Anfang 2017 grobe Wahlkampfpläne gab, da man Neuwahlen im Frühjahr erwartet habe. Der für viele Außenstehende überraschende Einsatz von Humor und Augenzwinkern im Wahlkampf, mit dem man versucht habe, Themen zu transportieren, sei daraus entstanden, dass man sich gesagt habe, dass die politische Situation eigentlich zum Lachen wäre, wenn sie nicht so traurig wäre. Wobei die neue, letzlich erfolgreiche, Strategie laut Jenewein auch parteiintern mit gewisser Skepsis gesehen wurde. Ein weiterer Erfolgsfaktor war nach Meinung von Jenewein die Fokussierung auf moderne Kommunikationsmittel, Plakate würden an Bedeutung verlieren.

Was für die FPÖ nunmehr notwendig ist, ist aufzuzeigen, dass sie regieren kann, sagte Jenewein. Man müsse bis Ende Juni nächsten Jahres die Dinge auf den Weg bringen. "Das Liefern wird ganz entscheidend sein."

Donig: NEOS stehen für Kontrolle, Reformen und Rechtsstaatlichkeit

Das anfängliche Hauptproblem der NEOS im Wahlkampf war, dass sich die ÖVP als neue Partei inszeniert habe und damit den NEOS das Wasser abgegraben hat, schilderte NEOS-Generalsekretär Nikola Donig. Außerdem sei man eine Partei, die sehr schmal bei Kasse ist und in der viele ehrenamtlich arbeiten. Man habe sich aber bald wieder gefangen.

Als Oppositionspartei wolle man sich auf keine Rolle festnageln lasse, bekräftigte Donig. Dort, wo Reformen angegangen werden, sei man mit dabei, kündigte er an. Gleichzeitig werde man überall dort Widerstand leisten, wo es darum gehe, Rechtsstaatlichkeit auszuhöhlen. Zudem wollen sich die NEOS als Kontrollpartei etablieren.

Noll: Parteienförderung gehört drastisch reduziert

Einig waren sich Donig und Alfred Noll von der Liste Pilz darin, dass die Parteienförderung drastisch reduziert gehört. Man begeistert Leute nicht damit, dass man Millionen in Plakatwerbung stecke, sagte Noll. "Wir werden gemeinsam mit den NEOS viel Wirbel machen." Die Liste Pilz habe jedenfalls gezeigt, dass man auch ohne Funktionärsbasis und staatliche Parteienförderung bei Wahlen reüssieren könne.

Noll kündigte in der Diskussion außerdem eine baldige Umbenennung der Liste Pilz an, wobei man noch auf Namenssuche sei. Bis zum Sommer soll die Neuaufstellung der Partei abgeschlossen sein. Im Wahlkampf habe man ein einziges Asset gehabt, die Marke Pilz, sagte Noll, es wäre fatal gewesen, hätte man in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit versucht, eine weltanschauliche Bewegung zu zimmern. Nun müsse man sich aber konsolidieren. Fundamentalopposition werde seine Fraktion nicht machen, versicherte Noll, es gebe aber gravierende Vorbehalte gegen schwarz-blau. Die Liste Pilz will außerdem Sprachrohr für Gruppen und Bewegungen außerhalb des Parlaments sein.

Dass die Liste Pilz so endet wie das Team Stronach, wollte Noll nicht gänzlich ausschließen, es sei aber unwahrscheinlich.

Eröffnet wurde die Veranstaltung durch Parlamentsdirektor Harald Dossi, der die DiskussionsteilnehmerInnen und das Publikum in Vertretung von Nationalratspräsidentin Köstinger begrüßte. Die Moderation übernahm Barbara Toth.

Wahl 2017: Loser, Leaks & Leadership

Im heute vorgestellten Sammelband geben ÖVP-Kampagnen-Büroleiter Philipp Maderthaner, SPÖ-Kommunikationschef Hannes Uhl, FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl, Grünen-Kommunikationschefin Karin Strobl, NEOS-Generalsekretär Nikola Donig sowie Alfred Noll und Nikolaus Dimmel von der Liste Pilz Einblicke in die Wahlkampfstrategien der Parteien. Dazu kommen Analysen von ExpertInnen aus ganz unterschiedlichen Bereichen, die die Darstellungen der Insider ergänzen, erweitern "und manchmal auch konterkarieren", wie es in der Einleitung heißt.

Der Historiker Oliver Rathkolb setzt sich etwa mit Negative und Dirty Campaigning in vergangenen Wahlkämpfen auseinander, während sich die Journalistin und Buchautorin Ingrid Brodnig dem Thema Social Media widmet. Meinungsforscher Peter Hajek rekapituliert die Wahlkämpfe im Spiegel der aktuellen Meinungsforschung. Weitere Beiträge betreffen u.a. die Silberstein-Affäre, die Wahlkampffinanzierung, die ausufernden TV-Konfrontationen und das "Flüchtlings-Framing".

Bedauern äußern Toth und Hofer über die männliche Dominanz unter den AutorInnen. Sie hätten sich sehr um einen höheren Frauenanteil bemüht, schreiben sie. Politik in Österreich werde aber auch noch im Jahr 2017 fast ausschließlich von Männern gemacht und gemanagt. Der Sammelband "Wahl 2017. Loser Leaks & Leadership" ist im Ärzte-Verlag erschienen. (Schluss) gs

HINWEIS: Fotos von der Buchpräsentation finden Sie auf der Website des Parlaments unter www.parlament.gv.at/SERV/FOTO/ARCHIV.

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