Rennerpreis-Verleihung wurde zum Solidaritätsakt für türkische Journalistinnen und Journalisten

ÖJC-Präsident Fred Turnheim präsentierte Forderungen an neue Bundesregierung

Wien (OTS) - Durch ein Modell der Gefängniszelle von Deniz Yücel gelangten gestern Abend mehr als 200 Journalistinnen und Journalisten in den ehrwürdigen Wappensaal des Wiener Rathauses zur Verleihung des diesjährigen Dr. Karl Renner Publizistikpreises. Die Botschaft war klar: Solange auch nur eine Journalistin oder ein Journalist im Gefängnis sitzen, geht uns das alle an. Neben den Kategorien „Print“, „Radio“, „Fernsehen“, „Online“ und „Lebenswerk“ wurde der renommierte österreichische Journalistenpreis heuer erstmals als Solidaritätspreis an Deniz Yücel und Meşale Tolu vergeben.

In seinen Begrüßungsworten erinnerte Fred Turnheim an das 40jährige Bestehen des Österreichischen Journalisten Clubs und daran, dass sich der Beruf in dieser Zeitspanne von einem gut bezahlten, sicheren Job zu einer Arbeit in prekären Verhältnissen gewandelt habe. Speziell seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 stünde es auch mit der Pressefreiheit nicht zum Besten. Er erinnerte daran, dass derzeit 314 Journalistinnen und Journalisten in Haft seien und heuer bereits 67 Medien-Mitarbeiter ermorden wurden. Und er forderte im Namen der 6.500 Mitglieder des ÖJC wiederholt eine konsequente und lückenlose Aufklärung des Mordes an der maltesischen Investigativjournalistin Daphne Galizia.

An die seit gestern im Amt befindliche Bundesregierung richtete er den Appell, die von Schwarz-Blau I geschaffene RTR nicht wie angekündigt neu zu strukturieren, sondern abzuschaffen. „Wir stimmen einem Leistungsschutzrecht nur dann zu, wenn es kein zusätzliches Körberlgeld für die Verleger bringt“, so Turnheim, der eine europäische Lösung des Urheberrechts fordert. Er forderte weiters eine Löschung aller Bestimmungen im Sicherheitspolizeigesetz, die freie Berichterstattung behindern, die Erhaltung der Netzneutralität und kündigte entschiedenen Wiederstand gegen alle Versuche an, die Grund- und Freiheitsrechte zu beschränken.

Die Jury des Dr. Karl Renner Publizistikpreises 2017 bestand aus Susanne Ayoub, Hans Bürger, Oswald Klotz, Helmut Kletzander und Markus Schauta. Jury-Vorsitzender Fred Turnheim freute sich über „so viele Einreichungen wie schon seit Langem nicht“ und betonte: „Auch zum Publizistikpreis nominiert zu werden, ist eine hohe Wertschätzung eurer journalistischen Arbeit durch die Kollegenschaft.“

Landtagsabgeordneter Jörg Neumayer, der an diesem Abend Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny vertrat, freute sich über die Freilassung von Meşale Tolu und zeigte sich über die weiter andauernde Inhaftierung von Deniz Yücel besorgt. Der im Kulturausschuss für Medienfragen zuständige Gemeinderatsabgeordnete betonte die Bedeutung des Engagements des ÖJC für Pressefreiheit weltweit und forderte eine rasche Umsetzung der bereits unter Bundesminister Thomas Drozda in Angriff genommene Medienförderung neu.

Der Dr. Karl Renner Publizistikpreis 2017 in der Kategorie „Print“ erging an Nina Strasser von News. Die ehemalige Spitzensportlerin machte mit einer Reportage über ihre 92jährige Tante das Rennen, der Titel: „Alt sollte man nicht werden – und deppert auch nicht“. Laudator Oswald Klotz bezeichnete sie als „berührende und zutiefst menschelnde Reportage.“ Nina Strasser brachte ihre Tante sogar zur Preisverleihung mit, ein berührender Moment. Nominiert war auch Mareike Boysen vom Fußballmagazin Ballesterer für ihre Reportage „Freiheit hinter Gittern“ über Fußballkäfige.

Der Dr. Karl Renner Publizistikpreis 2017 in der Kategorie „Radio“ erging an Christine Scheucher und Peter Waldenberger für die Ö1-„Diagonal“-Sendung über das „Silicon Valley“. Susanne Ayoub brach in ihrer Laudatio eine Lanze für das Funkhaus in der Argentinierstraße. Den Ausgezeichneten sei es gelungen, ein unheimlich komplexes Thema in eine Sendung zu packen. Nominiert waren auch Judith Brandner für die Ö1 Hörbilder und Gerlinder Wallner für die Passionswege auf Radio Klassik.

Der Dr. Karl Renner Publizistikpreis 2017 in der Kategorie „Fernsehen“ erging an Nina Horowitz für ihre ORF-„Am Schauplatz“-Reportage „Voller Dreck“, in der sie laut Laudator Fred Turnheim „auf Augenhöhe und mit dem richtigen Ton“ ihren Darstellerinnen und Darstellern näherte, die oft nicht geachtet unseren Dreck wegputzen. Nominiert waren ebenfalls Magdalena Punz von Puls 4 und ORF-Korrespondent Jörg Winter.

Der Dr. Karl Renner Publizistikpreis in der Kategorie „Online“ erging an Projekt und Redaktion vom ORF Teletext. Laudator Oswald Klotz freute sich als selbst ehemaliger freier Mitarbeiter, dass der ORF Teletext trotz zahlreicher Unkenrufe bis heute mit mehr als zwei Millionen Leserinnen und Lesern im Monat „fröhliche Urständ“ feiere. Der damalige Chefredakteur und spätere Generalintendant Gerhard Weis steuerte Anekdoten bei. Ebenfalls nominiert waren die Projektgruppe „Auf einen Joint mit Joe Kreissl“ der FH WKW vom Studiengang Neue Medien 2017 sowie Yvonne Widler vom Kurier.

Für sein Lebenswerk erhielt Rainer Rosenberg den Dr. Karl Renner Publizistikpreis 2017. In seiner Laudatio bezeichnete Helmut Kletzander Rainer Rosenberg als „Anarchist im besten Sinne des Wortes“, der die Ö1 Kummernummer erfand, Formate wie die Musikbox, das Ö3 Magazin und den Ö3 Wecker, das Format XLarge, Rudi, den rasenden Radiohund oder Radio „Nachbar in Not“ mitformte und gestaltete und heute die Ö1-Sonderformate Punkt eins, Moment-Leben-Heute, Help und last but not least mit seiner Lebensgefährtin Petra Herczek die Menschenbilder betreut.

In einer sehr emotionalen Rede bedankte sich die seit Montag unter Auflagen aus der Haft entlassene Meşale Tolu für den Solidaritätspreis im Rahmen einer Live-Schaltung aus Istanbul und rief zur Solidarität mit den anderen auf: „Ich bin eine von 159 in der Türkei inhaftierten Journalistinnen und Journalisten.“ Für sie nahm Baki Selcuk vom Solidaritätskreis „Freiheit für Mesale Tolu“ den Preis entgegen.

Die Dankesrede von Deniz Yücel, der seit 300 Tagen ohne Anklage in Haft sitzt, wurde von seinem Welt-Kollegen Daniel-Dylan Böhmer aus Berlin verlesen und ist auf www.oejc.at im Volltext abrufbar. Darin bezeichnete Deniz Yücel seine Geiselnahme durch das türkische Regime „als bedeutendsten Journalistenpreis meiner beruflichen Laufbahn.“ Auch er nahm den Preis im Namen anderer inhaftierter Kolleginnen und Kollegen wie dem TV-Journalisten Oguz Usluer – mit dem er sich den Zellenhof teilt – oder Nedim Türkent von verbotenen prokurdischen Nachrichtenagentur Diha entgegen. Deniz Yücel appellierte an die europäische Gemeinschaft: „Dieses Land besteht nicht allein aus der Clique, die es beherrscht. Das darf Europa niemals vergessen.“ Den Preis nahm sein Anwalt Veysel Ok aus Istanbul entgegen.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Heilwig Pfanzelter und musikalisch begleitet vom SMS-Quartett. Alle Ausgezeichneten erhielten neben einer Urkunde und Blumen die Skulptur „Spirit“ von Ulrike Truger.

Rückfragen & Kontakt:

Österreichischer Journalisten Club
Margarete Turnheim
Generalsekretariat
+43 1 98 28 555-0
office@oejc.at
www.oejc.at

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