RH-Kritik an Kur- und Rehabilitationsträgern AUVA, BVA und PVA im Rechnungshofausschuss | Parlamentsdirektion, 22.06.2017

Kraker: Appell des RH zur Professionalisierung, ohne Selbstverwaltung in Frage zu stellen

Wien (PK) - Der Rechnungshof (RH) führte im Jahr 2015 eine Gebarungsüberprüfung der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA), der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) und der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) durch. Der Fokus lag auf dem Compliance Management, der Leistungsgewährung im Kur- und Rehabilitationswesen und auf Beschaffung und Personalwirtschaft. Der entsprechende Bericht, der heute im Rechnungshofausschuss zur Debatte stand, umfasst 120 Schlussempfehlungen an die drei Versicherungsträger sowie an den Hauptverband und die zuständigen Ministerien (III-358 d.B.). Kritikpunkte betreffen Bereiche wie etwa die Organisation und Rechtsgrundlagen, die Genehmigungspraxis von Kur und Rehabilitation, die Planung der Rehabilitationsangebote, einen mangelnden Beschaffungsüberblick mit Aufteilung auf 73 Organisationseinheiten samt fehlender einheitlicher EDV-Unterstützung und strategischer Vorgaben sowie keine verbindlichen Dienstpostenpläne und Regelungen zu Stellenausschreibungen und Stellenbesetzungen. Der Bericht wurde von den Abgeordneten einhellig zur Kenntnis genommen.

Bericht des Rechnungshofs zur Compliance im Vergabe- und Personalbereich

Die RH-Prüfung der AUVA, BVA und PVA von Juni bis Dezember 2015, die auf einen Antrag der Grünen erfolgte, ergab zahlreiche Mängel in Compliance und Planung von Rehabilitationen bei den geprüften Kur-und Rehabilitationsträgern im Prüfzeitraum 2012 bis 2014. Demnach fehlte in den Einrichtungen ein systematisches Compliance Management mit Rücksichtnahme auf die besonderen finanziellen und organisatorischen Risikofaktoren. Weiters wertete der RH die Aufgabenverteilung zwischen Vorstand und Bediensteten als nicht sachgerecht. Er empfahl hier eine klare Regelung zu strategischen Managementaufgaben, wie etwa Beschaffungsziele, Controlling und Richtlinien zum Vorgehen in Personalprozessen zu schaffen. Außerdem sei die Entscheidung operativer Fragen geeigneten Kontrollvorgängen zu unterwerfen, so der Bericht, zum Beispiel der Zuständigkeit der Innenrevision. Als notwendig erachtet wurden auch Verbesserungen im IT-Bereich.

Mängel ortete der Rechnungshof weiters bei der Genehmigung von Kur-und Rehabilitationsverfahren. So übernahm die Pensionsversicherung ohne klare rechtliche Grundlage - nur auf Basis eines Erlasses - die Rehabilitation der PensionistInnen. Damit finanzierte der Bund im Jahr 2014 rund 315,48 Mio. € bzw. rund 58.000 Verfahren, wofür primär die Krankenversicherung leistungszuständig gewesen wäre, die zudem über umfangreichere Daten zur medizinischen Beurteilung der Anträge verfügt, so der Bericht. Weiters fielen die Entscheidungen, ob eine Kur oder Rehabilitation zu bewilligen sei oder nicht, jeweils in nur zwei bis drei Minuten Bearbeitungszeit pro Antrag und somit nicht sorgfältig genug. Eine verlässliche Statistik über die Genehmigungspraxis der einzelnen Träger war zudem nicht verfügbar, lautet die Kritik weiters. Die BVA bewilligte anteilig wesentlich mehr Kuren, die PVA wesentlich mehr Rehabilitationsaufenthalte. Als nicht sachgerecht kritisierte der RH eine "informelle" Mindestablehnungsquote bei Kuren bei der PVA von 20% bis 30%. Die Regelungen zur Vermeidung übermäßiger Inanspruchnahme waren nicht einheitlich, so der Bericht.

Eine trägerübergreifende Gesamtdarstellung des Aufwands für medizinische Rehabilitation und Kuren war zur Zeit der Gebarungsüberprüfung weder im Gesundheitsministerium oder im Sozialministerium, noch im Hauptverband verfügbar, legt der Bericht dar. Berechnungen des RH ergaben nach starken Steigerungen in der Vergangenheit - von 2010 bis 2014 um rund 26% - im Jahr 2014 ein Volumen von rund 1,028 Mrd. €. Die drei überprüften Sozialversicherungen hatten auch keinen Gesamtüberblick über ihr Beschaffungsvolumen, obwohl dieses ohne Kuren und Rehabilitation bei rund 423,55 Mio. € im Jahr 2014 lag.

Als unverbindlich und lückenhaft bemängelt der Rechnungshof außerdem die Planung der Rehabilitationsangebote. Demnach existierte kein Konzept zum Ausgleich von regionalen Ungleichgewichten. Weiters wurde seitens der PrüferInnen kritisiert, dass Konsequenzen bei Leistungsmängeln in den Verträgen mit den Leistungserbringern nicht geregelt waren und die Tariffindung ohne Preiswettbewerb und ohne Kostenkalkulation im Verhandlungsweg erfolgte. Eine Zweiteilung ortet der Bericht bei der Bedarfsprüfung, indem es einerseits ein Bedarfsprüfungsverfahren beim Land, andererseits Vertragsverhandlungen mit den Sozialversicherungsträgern gab. Außerdem waren die Instrumente der Koordinierung zwischen Land und Sozialversicherungsträger weitgehend unverbindlich und wurden unzureichend wahrgenommen, so die RH-Analyse. Bei der Auswahl von Bewerbern war demnach nicht Qualität oder Preis, sondern die zeitliche Reihenfolge der Antragstellung maßgeblich. Zudem soll die PVA nicht alle Schriftstücke im Konnex mit der Vertragsvergabe vollständig erfasst und Unterlagen zu den Geschäftsfällen nicht eindeutig zugeordnet haben. Kritisiert wird auch, dass Entscheidungen nicht begründet und die Aufgaben von Planung, Tarifkalkulation, Auswahl der Vertragspartner und Vertragsgestaltung teilweise zersplittert waren. Im Bericht wird außerdem dargelegt, dass die PVA die Vergabe von Verträgen für die Rehabilitation zwar während der Prüfung des RH von Juni bis Dezember 2015 grundlegend umgestaltet habe, die Abstimmung mit den Ländern und die interne Reorganisation und vollständige Dokumentation jedoch noch ausständig waren.

Kraker: Empfehlungen zu Professionalisierung und gesetzlichem Rahmen

Mit den 120 Empfehlungen des Berichts will der RH zur Professionalisierung in der Selbstverwaltung beitragen, ohne an selbiger Zweifel zu äußern, betonte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker. Der RH hatte die Auftragsprüfung aufgrund aktueller Ereignisse ausgeweitet, so Kraker. Diese umfassten neben dem Beschaffungswesen die Frage, wie ein funktionierendes Compliance Management System in der Selbstverwaltung aussehen könnte, den Personalbereich und die Leistungsgewährung. Mit Compliance Management gehe es um Grundsätze und Maßnahmen für regelkonformes Verhalten auf allen Ebenen und um Steuerung und Management. Ein Kritikpunkt sei auch, dass die Innenrevision keinen Zugang zur Vollversammlung habe, sondern nur direkt an den Generaldirektor berichtet. Dieser Empfehlung würden internationale Standards zugrunde liegen. Außerdem gebe es das Spannungsfeld Büro und Vorstand, so die Rechnungshofpräsidentin, letzterer treffe auch operative Entscheidungen. Kraker verwies auch auf den festgestellten Unterschied im Bereich Kuren und Rehabilitation zwischen BVA und PVA. Mit den Gebietskrankenkassen sei hier kein Zusammenhang hergestellt worden, antwortete sie auf entsprechende Nachfragen, etwa von NEOS-Abgeordnetem Gerald Loacker. Die Empfehlungen betreffen auch den gesetzlichen Rahmen der Selbstverwaltung, sagte die Rechnungshofpräsidentin, etwa für die PVA im Bereich Rehabilitation und in der Personalverwaltung. Der RH würde sich bei Bedarf in den Handlungsempfehlungen auch als Berater zur Verfügung stellen.

Abgeordnete unterstreichen Kritik des RH

Nach einer Umsetzung eines Compliance Management Systems und betreffend eine starke Innenrevision erkundigte sich Karin Greiner (S) bei Sozialminister Alois Stöger. Auch Hermann Gahr (V) sieht Handlungsbedarf und wollte wissen, ob eine einheitliche Vorgangsweise geplant sei, ob es Bestrebungen gebe, die Vergabesituation zu verbessern und wie der Stand hinsichtlich Missbrauchsfälle und zu Regeln der Personalbesetzung ist. Philip Kucher (S) hingegen kann die Kritik an der Innenrevision nicht ganz nachvollziehen. Diese berichte grundsätzlich immer an das oberste Organ.

Hinsichtlich des Unterschieds bei den Kurbewilligungen hinterfragte Gerald Loacker (N), ob hier auch eine Kostenüberwälzung stattfinde. Außerdem wies er darauf hin, dass es für PensionistInnen keine ambulanten Rehabilitationsverfahren gibt. Der RH empfehle, das verzweigte und fast chaotische Netz zusammenzuführen, so der NEOS-Abgeordnete, der sich eine entsprechende Reaktion vom Minister dazu erwartet. Zurecht gebe es Kritik an der Qualifikation der Mitglieder in den Kontrollausschüssen, hier könnten sich der Minister und der Hauptverband nicht auf die Selbstverwaltung als Argument berufen. Insgesamt seien bei festgestelltem Versagen Konsequenzen zu ziehen und wirkungsvolle Kontrollen zu überlegen, forderte Loacker.

Einen dramatischen Einblick in die Problemfelder ortet Martina Schenk (T) im RH-Bericht, etwa zu fehlender Dokumentation, Gesamtüberblick und in den Mängeln in der Organisation. Sie erkundigte sich nach Umsetzung der Empfehlungen, außerdem seien Verfahren bei der Staatsanwaltschaft anhängig, hier wüsste sie gerne Ergebnisse. Bezug auf Missbrauchsfälle nahm auch Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F), die erfragte, welche Träger außer dem bekannten Fall in der PVA betroffen seien und welche Lehren man daraus ziehe.

An den umfassenden Empfehlungen des RH erkenne man lange gewachsene Strukturen, an denen vieles veränderungsresistent erscheine, sagte Judith Schwentner (G). Erschütternd findet sie, dass in allen drei Einrichtungen fehlendes Compliance Management festgestellt wurde. Im Sinne einer funktionierenden Selbstverwaltung und der Gewährleistung der Ansprüche der Versicherten seien die Zuständigkeiten zu klären. Die Frage sei zu stellen, welche rechtlichen Möglichkeiten es gebe und wo eine zentrale Steuerung auch bei Selbstverwaltung einzusetzen sei, so Schwentner, die insgesamt Intransparenz kritisierte. Sie forderte, dringend konkrete Punkte anzugehen, der Bericht sei eine eindeutige Handlungsanweisung. Man könne es hier nicht dabei belassen, auf Selbstverwaltung hinzuweisen.

Hauptverband setzt bereits Verbesserungsschritte

Der stellvertretender Generaldirektor des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, Bernhard Wurzer, erörterte im Ausschuss, dass der Hauptverband bereits einige Schritte gesetzt habe, etwa einen Ethik- und Verhaltenskodex und regelmäßige Koordinationssitzungen. Grundsätzlich sei Kur eine freiwillige Leistung, für Rehabilitation gebe es aber sehr wohl Grundsätze. Eine Vielzahl der Empfehlungen des RH würden zudem die einzelnen Träger betreffen. Zum Thema Vergabe gebe es ein klares Commitment zur einheitlichen Vorgangsweise, dass keine Vergabe ohne Ausschreibung stattfindet. An Umsetzungsbeispielen nannte Wurzer etwa die Bedarfsprüfungsverfahren und eine 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern betreffend Planung. Zur Planung für Rehabilitation sei ein Großteil schon umgesetzt worden. Abgeschlossen sei auch das Thema Kinderrehabilitationsvergabe, daraus könne man lernen und Schlüsse ziehen, sobald das neue Vergaberecht vorliege. Für den Bereich Rehabilitation für Erwachsene gebe es gute Gespräche, erklärte der stellvertretende Generaldirektor. Ein weiteres Ziel ist die Verbesserung der Datensituation, hier sei man auf statistische Weisungen angewiesen. Die Kontrollversammlung bestehe jedenfalls durchaus aus erfahrenen ManagerInnen aus der Privatwirtschaft, entgegnete er der Qualifikationskritik.

Stöger: Selbstverwaltung trifft Entscheidungen, einheitliches Leistungsrecht ist aber denkbar

Sozialminister Alois Stöger betonte zur Struktur des Systems, es gebe einerseits eine Reihe von gesetzlichen Vorschriften, andererseits im Rahmen der Selbstverwaltung festgelegte Mechanismen wie etwa das Vier-Augen-Prinzip und die formale Aufteilung der Prüfzuständigkeiten. Kontrollversammlung und Innenrevision achten darauf, dass der ordnungsgemäße Ablauf sichergestellt ist. Logisch sei, dass die Innenrevision dem leitenden Organ berichtet, so Stöger. Der Kontrollversammlung die Information zur Verfügung zu stellen, sei eine Entscheidung im Rahmen der Selbstverwaltung, die klar ihre Gremien und Verantwortlichen festlegt. Der Minister sieht insgesamt eine an sich exzellente Verwaltung, es sei trotzdem wichtig, genauer hinzusehen. Dass der jeweilige Träger Kuren bewilligen kann, wenn entsprechend finanzielle Mittel vorhanden sind, sei der Grund, warum es zu unterschiedlichen Entscheidungen komme. Dies sei eine gesetzliche Vorgabe, über die man durchaus diskutieren könne, sagte Stöger. Er sei bereit, sich für ein gleiches Leistungsrecht einzusetzen, dazu habe es allerdings bisher keine Mehrheit gegeben. Zur Frage von Korruption entziehe sich ein laufendes Gerichtsverfahren natürlich seiner Kenntnis. Hier gelte es abzuwarten, wie die Gerichte entscheiden. Die Kritik an der fachlichen Qualifikation zur Kontrollversammlung kann Stöger ebenso wenig wie Wurzer nachvollziehen, die handelnden Personen seien seiner Kenntnis nach bestens geeignet. (Fortsetzung Rechnungshofausschuss) mbu

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