Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 20. Oktober 2018; Leitartikel von Mario Zenhäusern: „Wahlkampfthema Doppelpass“

Innsbruck (OTS) Die Frage, ob Südtiroler die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen sollen, zwingt die noch absolut regierende SVP in die Defensive. Jetzt rächt sich, dass die Partei zuletzt den konservativ-rechten Rand vernachlässigt hat.

Morgen Sonntag stimmen 424.181 wahlberechtigte Südtirolerinnen und Südtiroler über die Zusammensetzung des neuen Landtags ab. Bisher stellte die Südtiroler Volkspartei mehr als die Hälfte der 35 Abgeordneten. Allerdings ist die Zeit der absoluten Mehrheit, so viel steht bereits vor der Wahl fest, wohl endgültig vorbei. Umfragen sagen der einstigen Sammelpartei Verluste voraus.
Das dürfte wohl auch der Grund dafür sein, dass sich im Vorfeld der Wahl so viele Spitzenpolitiker wie nie zuvor für ihre Südtiroler Gesinnungsfreunde ins Zeug legten. Kanzler Sebastian Kurz kämpfte an der Seite von SVP-Chef LH Arno Kompatscher gegen die drohende Niederlage an, Vizekanzler Heinz-Christian Strache versprach den Freiheitlichen ein blaues Wunder, Lega-Chef Matteo Salvini sang mit den Kastelruther Spatzen um die Wette.
Sieht man davon ab, dass absolute Mehrheiten in Zeiten massiver Wählerwanderungen einen Anachronismus per se darstellen, gibt es wenig Gründe für Veränderung in Südtirol. Das Land steht hervorragend da, die Wirtschaftsdaten sind ähnlich gut wie die Prognosen, es herrscht Vollbeschäftigung und auch als Bildungsstandort macht das Land Furore.
Die dennoch spürbare latente Unzufriedenheit hängt zum einen mit gesellschaftspolitischen Themen wie der Kluft zwischen Arm und Reich oder der Migrationsthematik zusammen, zum anderen mit Problemen, die nördlich des Brenners für ähnlich rauchende Köpfe sorgen: Der Mangel an leistbarem Wohnraum und der ausufernde Transitverkehr auf der Brennerroute hinterlassen auch an Etsch und Eisack den Eindruck politischer Hilf- und Ratlosigkeit.
Für Zwietracht sorgte im Wahlkampf die Frage, ob Südtirolern die österreichische Staatsbürgerschaft zugestanden werden soll oder nicht. Die völlig unnötige Debatte darüber zwingt die SVP in die Defensive. Hier rächt sich, dass die Mehrheitspartei in den vergangenen Jahren ihren konservativ-rechten Rand sträflich vernachlässigt hat. Mittlerweile gerieren sich Freiheitliche, BürgerUnion für Südtirol oder Süd-Tiroler Freiheit als Fahnenträger der Heimattreuen und fordern, unterstützt von der FPÖ, den rotweißroten Reisepass. Der vernünftige Denkansatz, dass eine zufriedenstellende Lösung erstens nur im Einvernehmen mit Rom und Wien erzielt werden kann und zweitens nicht an der Südtiroler Autonomie rütteln darf, spielt beim populistischen Doppelpass-Verlangen keine oder nur
eine untergeordnete Rolle. Wahlkampf und Vernunft sind eben Begriffe, die nicht zusammenpassen.

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