Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 22. Jänner 2018; Leitartikel von Christian Jentsch: „Ein Ja, ohne wirklich zu wollen“

Innsbruck (OTS) - Mit knapper Mehrheit hat die SPD grünes Licht für den Beginn von Koalitionsverhandlungen mit der Union gegeben. Vor allem deshalb, weil die Optionen fehlen. Doch die SPD muss in einer Neuauflage der Großen Koalition nicht untergehen.

Wirklich leicht gemacht haben es sich die Genossen in Deutschland ja nicht: Nach der historischen Pleite bei der Bundestagswahl am 24. September des Vorjahres – nur noch 20,5 Prozent der Wähler gaben der SPD ihre Stimme – verkündete Parteichef Martin Schulz den Gang in die Opposition. Die Bürger hätten die Große Koalition abgewählt und nur in der Opposition könnte die SPD wieder zu alter Stärke finden, verkündete Schulz, dessen anfänglicher Glanz als neue Galionsfigur der Partei schon im Wahlkampf rasch verblasste. Doch nach dem Scheitern der Gespräche über eine Jamaika-Koalition von Union, FDP und Grünen wurde die SPD sozusagen wieder in die Pflicht genommen. Vor allem der heutige Bundespräsident und frühere SPD-Vizekanzler und -Außenminister Frank Walter Steinmeier drängte die Sozialdemokraten zu Gesprächen mit den Unionsparteien. Und die SPD-Führung machte die Kehrtwende. Nach den Sondierungsgesprächen mit CDU und CSU rührte die Parteispitze rund um den angeschlagenen Parteichef Schulz vor dem gestrigen Sonderparteitag, auf dem die Delegierten grünes Licht für den Beginn von Koalitionsverhandlungen geben mussten, die Werbetrommel für eine Neuauflage der Großen Koalition. Doch viele Genossen wollten der Parteispitze da nicht mehr folgen. Vor allem die Jusos sehen die SPD auf Crashkurs.
Sicher: Übermutti Angela Merkel hat den Juniorpartner SPD über Jahre hinweg regelrecht erdrückt. Die Kanzlerin hat sozialdemokratische Themen aufgesogen und ihre CDU immer mehr in der Mitte positioniert. Den beiden Seiten sind zunehmend die Streitthemen abhandengekommen, was vor allem das Profil der SPD geschwächt hat. Während rechts der Mitte die AfD Höhenluft schnupperte.
Gestern stimmten die SPD-Delegierten auf dem Sonderparteitag in Bonn schluss­endlich dann doch für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union. Wenn auch nur mit einer mageren Mehrheit von rund 56 Prozent. Was wäre auch anderes übrig geblieben? Bei Neuwahlen wäre die SPD laut Umfragen noch weiter abgestürzt – mit der Gefahr, in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Es war also ein Ja, weil die Optionen fehlen. Es war ein Ja, ohne wirklich zu wollen.
Doch die Befürchtungen, in einer Neuauflage der Großen Koalition neuerlich unterzugehen, müssen sich nicht erfüllen. Schließlich wird auch Merkels Ära zu Ende gehen. Nicht schon morgen, aber mittelfristig. Und dann werden ohnehin die Karten neu gemischt.

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