Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 23. November 2017; Leitartikel von Michael Sprenger: „Ein gefährliches Spiel“

Innsbruck (OTS) - Angebliche Aussagen des Bundespräsidenten werden vom Boulevard genüsslich abgedruckt. Im Interesse von wem? Und zu welchem Zweck? Jedenfalls ist das ein weiteres Beispiel dafür, wie staatliche Institutionen beschädigt werden.

Jetzt steht also das Staatsoberhaupt unter Beschuss. Ein Protokoll mit angeblichen Aussagen von Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist an die Öffentlichkeit, an den Boulevard, gespielt worden. Genüsslich wurde daraus zitiert. Dass dabei Sätze so gar nicht gefallen sein sollen, dazugedichtet wurden, scheint egal zu sein. Ebenso die Tatsache, dass es ein vertrauliches Gespräch des Bundespräsidenten bei einem Mittagessen mit EU-Diplomaten war. Hauptsache – ja was überhaupt? Soll die Autorität des Mannes in der Hofburg untergraben werden? Zumindest ist dies eine mögliche Antwort. Denn wenn das Staatsoberhaupt von der Verfassung her mit weitreichender Macht ausgestattet wurde, dann im Zusammenhang mit einer anstehenden Regierungsbildung. Eingedenk dieser Fakten könnten mitunter die Regierungsverhandler von ÖVP und FPÖ daran Interesse haben. Doch sie haben wohl damit nichts zu tun, dass die besagten – zum Teil – gefakten Protokolle in einer Zeitungsredaktion gelandet sind.
Einmal mehr ist jedoch eine fröhliche Jagd auf die Institutionen erkennbar. Niemand ist sakrosankt – auch nicht der Bundespräsident. Doch im konkreten Fall scheint die Lust an der Schlagzeile alles andere zu überwiegen.
Nein, wir müssen hier kein Lied des Alarmismus anstimmen. Wenn ungeschriebene Gesetze und Anstand ihren Wert verlieren, um Institutionen zu attackieren, dann sorgt dies jedenfalls nicht für die Stabilität der Demokratie.
Manche Politiker und Medien haben sich in der Vergangenheit immer wieder grob fahrlässig verhalten. Es war Jörg Haider, der den früheren Verfassungsgerichtshofpräsidenten Ludwig Adamovich unsäglich attackierte. Es war ein Journalist einer Qualitätszeitung, der einem Hintergrundgespräch im Kanzleramt die Vertraulichkeit nahm, es waren die Sozialdemokraten, die mit Fake-Facebook-Seiten den politischen Konkurrenten schlechtmachen wollten. Es waren politische Gegner von Van der Bellen, die ihm im Bundespräsidentenwahlkampf eine Krebskrankheit angedichtet haben. Jetzt, gewählt von einer klaren Mehrheit, werden ihm falsche Zitate unterstellt.
Wenn Wahlen zu einem bloßen Spektakel verkommen, Institutionen madig gemacht werden, der Verfall der politischen Kommunikation voranschreitet, Massenmedien sich ihrer Verantwortung berauben, breitet sich ein desillusioniertes Politikverständnis weiter aus. Der Weg zur Postdemokratie ist so vorgezeichnet.

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