Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 26. Juni 2018; Leitartikel von Serdar Sahin: „Der gefährliche Wandel „

Innsbruck (OTS) - Anfangs als großer Reformer gefeiert – und 2004 sogar zum „Europäer des Jahres“ gekürt, ist der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan heute ein Machtpolitiker mit klaren autoritären Zügen.

Recep Tayyip Erdogan, der umstrittene Mann am Bosporus, hat es geschafft. Er steht künftig an der Spitze des von ihm geschaffenen Präsidialsystems – und hält alle Zügel in der Hand. Er kann nun nach Belieben schalten und walten. Freilich hat er das auch bisher getan, mit der Wahl ist das aber gesetzlich legitimiert.
Angetreten ist Erdogan als großer Reformer, er galt in Europa als Hoffnungsträger. Der lange Mann – wie er von seinen Anhängern genannt wird – übernahm 2002 ein desolates Land, das nur mit Krediten des Internationalen Währungsfonds überleben konnte. Erdogan drehte die Situation – er sanierte, privatisierte – Geld wurde in die Kassen des bankrotten Staates gespült. Die Wirtschaft wuchs wieder, die Inflation ging auf ein normales Ausmaß zurück. Zur Erinnerung: Die Teuerung Ende der 1990er Jahre lag bei über 80 Prozent. Einige Jahre zuvor – also bevor er das Amt des Ministerpräsidenten übernahm – war Erdogan Bürgermeister von Istanbul. Dort sorgte er für fließendes Wasser, ein funktionierendes Kanalisationssystem und Stromnetz.
Für all das wurde er 2004 zum „Europäer des Jahres“ gekürt. Überreicht wurde ihm der Preis vom damaligen deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder. Dieser lobte Erdogan in seiner Laudatio als „großen Reformpolitiker“. Er habe in der Türkei eine gesellschaftliche und politische Reform-Dynamik entfaltet, die in der Geschichte des Landes wenig Beispiele habe. Da war noch alles eitel Wonne zwischen Deutschland und der Türkei.
Seitdem ist viel Wasser den Euphrat heruntergeronnen. Vom „großen Reformpolitiker“ ist nicht mehr viel übrig. Stattdessen regiert er das Land immer autoritärer. Wie es dazu kam? Sein vielleicht berühmtestes Zitat offenbart seine Wandlung am besten: „Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind.“ Diese Worte entnahm er einem Gedicht, welches Erdogan bei einer Rede im Jahr 1998 einbaute. Was dann kam, war also keinesfalls überraschend. Die Worte von damals haben heute eine bedrohliche Brisanz. Erdogan nützte 16 Jahre den „Demokratie-Zug“, ließ sich wählen, nützte jeden demokratischen Spielraum des Rechtsstaates aus, damit er jetzt für sich und die Seinen ein maßgeschneidertes System hat: sein mit Allmacht ausgestattetes Präsidialsys­tem. Jetzt ist er am Ziel.
Erdogan ist heute ein legitimierter Machtpolitiker mit klaren autoritären Zügen in einem illiberalen politischen System.

Rückfragen & Kontakt:

Tiroler Tageszeitung
0512 5354 5101
chefredaktion@tt.com

[ad_2]

Quelle

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER
INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at

(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender.

Tags:
Eigenes Pressefach für Ihre Pressemeldungen - Pressefach.eu

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen