Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 27. März 2017; Leitartikel von Karin Leitner: „EU-Opfer auf dem Populismus-Altar“

Innsbruck (OTS) - Die Volkspartei hat die Europapolitik einst als Herzstück der Regierungsarbeit qualifiziert.
Davon rücken ihre jetzigen Proponenten immer mehr ab – in der Hoffnung auf Beifall vieler Bürger.

Es war ein großes Geburtstagsfest. In Rom zelebrierten Vertreter der Mitgliedsstaaten den 60er der EU. Einer wie der andere verwies auf den Ursprungsgedanken: Nie wieder sollten einander Länder innerhalb Europas bekriegen. Ein Friedensprojekt sei geschaffen worden. Gemeinsamkeit statt Gegeneinander, Solidarität statt nationaler Egoismus. Auch österreichische Regierungspolitiker betonten das bei jeder Gelegenheit.
Die Sonntagsreden werden durch die heimische Tagespolitik konterkariert. SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil verwahrt sich dagegen, junge Flüchtlinge aus Italien hierherzuholen – obwohl das SPÖ-Kanzler Christian Kern im Europäischen Rat paktiert hat. Beide Koalitionsparteien wollen, dass der „Beschäftigungsbonus“ nur für Österreicher gilt, EU-Ausländern soll er vorenthalten werden. Die ÖVP will die Familienbeihilfe für jene EU-Ausländer, die in Österreich arbeiten, deren Kinder aber im Heimatland sind, kürzen. Die Warnung, dass das EU-rechtswidrig sei, bleibt ungehört.
Vor allem aus der ÖVP werden die Töne immer EU-kritischer: Als Bürokratie-Moloch stellen Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Außenminister Sebastian Kurz die Union dar, zu viel Klein-Klein, zu viele Regelungen, etwa in Sachen Allergene, gebe es. Dass Österreich all das mitbeschlossen hat, bleibt unerwähnt. Weniger Kommissare sollte es fortan geben, eine Sozialunion aber nicht.
Auch bei manchem Parteifreund kommt das nicht gut an. EU-Abgeordneter Othmar Karas twitterte – gemünzt auf das Familienbeihilfen-Begehren – an Kurz: „Diskriminierungsverbot beachtet? Wir sind Europa!“, „Neiddebatte beenden. Sachlich gerechte und europäische Lösungen anstreben!“ Und: „Mir san mir!“-Verhalten sei inakzeptabel.
Kanzler Wolfgang Schüssel hatte die Europapolitik einst als Herzstück der Regierungsarbeit, die ÖVP als die Europapartei qualifiziert. Vor der EU-Wahl 2014 warnten der damalige ÖVP-Chef Michael Spindelegger und Spitzenkandidat Karas davor, die EU als Sündenbock zu missbrauchen. An die Freiheitlichen war das gerichtet, die die Union seit jeher madig machen. Und bei Wahlen davon profitierten.
Nun schwenken Rot und Schwarz – asyl- und europapolitisch – immer mehr auf Populismus-Kurs. In der Hoffnung auf Beifall vieler Bürger. Dass sie Grundwerte dafür opfern, nehmen sie hin.

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