TIROLER TAGESZEITUNG, Kommentar vom 13. Juli 2020 von Michael Sprenger – „Hartherzig – ein Kalkül der Kanzlerpartei“

Innsbruck (OTS) Die ÖVP unter Sebastian Kurz nennt sich – zwar nicht mehr so häufig wie einst unter Alois Mock und Wolfgang Schüssel – in Sonntagsreden noch „Europapartei“. Doch das ist sie nicht mehr. Das zeigt sich bei den Verhandlungen für ein Corona-Hilfspaket der Europäischen Union, wo sie trotzig agiert. Das zeigt sich vor allem in der Asylpolitik. Dass die auf ihre christlichen Wurzeln so pochende „Europapartei“ nicht daran denkt, auch nur ein Kind aus den überfüllten griechischen Flüchtlingslagern aufzunehmen, ist aber auch einem strategischen Kalkül geschuldet. Die ÖVP unter Kurz zielt darauf ab, der FPÖ in der Flüchtlingsfrage das Wasser abzugraben. Das macht sie aus ihrer Sicht bislang erfolgreich. In der Ausrichtung ist sie genauso hart wie die FPÖ, aber sie verpackt ihre Politik in eine moderatere Sprache.
Dass sie dabei hartherzig erscheint, ist der Kanzlerpartei egal, denn sie hat immerzu eine stereotype Antwort bei der Hand, die als Rechtfertigung dienen soll. Österreich habe mehr Flüchtlingen geholfen und mehr aufgenommen als viele andere europäische Länder. Ja, das stimmt mitunter. Was Kanzler Kurz und seine Minister dabei nie sagen, ist, dass diese Hilfe für Schutzsuchende auf jene Zeit zurückgeht, als die ÖVP noch nicht den Kanzler gestellt hat. Dieser Einwand würde wohl von der Kanzlerpartei als spitzfindig kommentiert werden. Sie glaubt jedenfalls, dass ihre Vormachtstellung nur zu halten ist, wenn sie zur FPÖ weiter eine Mauer aufziehen kann, damit die Stimmen, die Kurz 2017 und 2019 zum Kanzler gemacht haben, nicht wieder abfließen.
Machttheoretisch mag dies aus Sicht der ÖVP eine richtige Strategie sein. Aber dann darf sie sich nicht wundern, wenn man in ihrer Politik nichts von einer Europapartei oder nur noch deren kümmerliche Reste erkennen mag. Doch kaum äußert man dies, reagiert sie wehleidig – insbesondere der Kanzler selbst, der doch so gerne das moderne konservative Europa repräsentieren will. Das scheint auf Zeit Kurz’ Dilemma zu sein.

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