TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Alles sagen, damit manche nicht alles tun“, von Christiana Fasching

Ausgabe vom 12. September 2017

Innsbruck (OTS) - Die Pressefreiheit darf nicht mit Füßen getreten werden: In der Türkei werden regierungskritische Journalisten als Terroristen diffamiert, weil die Erdogan-Regierung nicht mit unbequemen Wahrheiten konfrontiert werden will.

Zunächst die Fakten: Als Recep Tayyip Erdogan im Jahr 2003 das Amt des Ministerpräsidenten antrat, lag die Türkei im Pressefreiheits-Ranking von Reporter ohne Grenzen auf Rang 116 von 180 Staaten. Seither ging es mit der Pressefreiheit steil bergab: Die Türkei ist mittlerweile auf Platz 155 abgerutscht und rangiert damit sogar hinter Weißrussland und der Demokratischen Republik Kongo. Eine andere, unrühmliche Rangliste führt die Türkei hingegen an: Laut Amnesty International sitzen in keinem anderen Land der Welt mehr Journalisten hinter Gittern, die Europäische Journalistenvereinigung und die Plattform für Pressefreiheit listeten zuletzt 166 Inhaftierte auf. Eklatant verschärft hat sich die ohnedies schon prekäre Lage mit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016: Seither wurden 156 Medienhäuser geschlossen, rund 2500 Medienschaffende verloren in der Folge ihren Job, die Türkei wiederum verlor an journalistischer Vielfalt.
Verbriefte Fakten, die alarmierend sind, an Erdogan jedoch abprallen. „Die Medien sind nirgendwo so frei wie in der Türkei“, behauptet der keine Widerrede duldende Präsident, der seit 2014 mehr als 1800 Verfahren wegen Präsidentenbeleidigung eingeleitet hat. Auf Gegenwind folgt bei ihm ein Orkan. Diesem Orkan sind gerade die Angeklagten im Prozess gegen die regierungskritische Zeitung Cumhuriyet ausgesetzt, denen im Falle einer Verurteilung langjährige Haftstrafen drohen. Erdogans Regierung sieht in ihnen allerdings keine Journalisten, sondern deklariert sie perfiderweise zu Terroristen, die unter dem Deckmantel der freien Presse dem türkischen Staat schaden würden, weil sie in ihren Recherchen Dinge ans Tageslicht beförderten, die der Staatsspitze nicht genehm waren. Ins Terroristen-Eck wird auch der seit mehr als 200 Tagen in türkischer Untersuchungshaft sitzende Welt-Korrespondent Deniz Yücel gestellt, der am Sonntag seinen 44. Geburtstag ohne Anklage und ohne Hoffnung auf baldige Freilassung hinter Gittern beging.
„Die Presse muss die Freiheit haben, alles zu sagen, damit gewisse Leute nicht die Freiheit haben, alles zu tun“, sagte einst der US-Journalist Stewart Alsop. Ein wichtiger Satz, der nie an Bedeutung verliert. Die Pressefreiheit ist ein hart erkämpftes Gut, das nicht – wie aktuell in der Türkei – mit Füßen getreten werden darf. Es waren und sind die unbequemen Journalisten, die mit ihrer Arbeit schon so mancher Staatsspitze geschadet haben. Die Wahrheit ist oft nicht bequem. Dem Staat selbst nützt sie aber.

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