Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 11. April 2019. Von CHRISTIAN JENTSCH. „Unerträgliches Zocken im Brexit-Poker“.

Innsbruck (OTS) Im Brexit-Drama ist das letzte Kapitel wohl noch lange nicht geschrieben. London hat sich längst im Labyrinth des Austrittspokers verloren. Nun droht sich auch die EU in das Brexit-Chaos zu verstricken.

Laut Artikel 50 des EU-Vertrages hätte Großbritannien die Union am 29. März 2019 verlassen sollen – zwei Jahre, nachdem die konservative britische Premierministerin Theresa May am 29. März 2017 Brüssel fast schon feierlich offiziell über den Austritt ihres Landes informierte. Sie beschwor eine große Zukunft eines „Global Britain“, befreit von den Ketten Europas. Zwei Jahre lang hatten die Briten Zeit, mit der EU einen Austrittsvertrag zu verhandeln. Lange Zeit geschah von Seiten Großbritanniens recht wenig, hinter den großen Worten der Brexiteers verbargen sich oft nur Plan- und Orientierungslosigkeit. Als dann kurz vor dem geplanten Austrittstermin Regierungs­chefin May einen Deal mit der EU präsentierte, stand dieser auf tönernen Füßen – zumindest was die britische Seite betrifft. Es fehlt schlicht und einfach an Einigkeit, innerhalb der britischen Regierung und innerhalb der über den Brexit-Kurs heillos zerstrittenen Tories. Auch bei der oppositionellen Labour ist kein klarer Kurs erkennbar. Und das britische Parlament geht ohnehin in eine andere Richtung. Man übt sich im Verhindern, im Nein-Sagen, im Zocken bis zur letzten Sekunde und darüber hinaus. Und befindet sich nun in einem Irrgarten, aus dem man nicht mehr herausfindet.
Die EU-27 haben sich auf der anderen Seite bisher erstaunlich einig gezeigt. Das Kalkül Londons, mit einer im Brexit-Kurs uneinigen Union leichtes Spiel zu haben, ging nicht auf. Ganz im Gegenteil. Doch die EU-27, die bisher in den Verhandlungen unter der Obhut von Chefverhandler Michel Barnier eine gute Figur gemacht haben, drohen sich nun auch in das Brexit-Chaos zu verstricken. Ein neuerlicher Aufschub des Brexits über die Europawahlen Ende Mai hinaus – und eine Teilnahme Großbritanniens an der EU-Wahl – birgt nämlich große Gefahren. Wenn Abgeordnete eines Landes, das die Union verlassen wird, über die Zukunft der EU entscheiden sollen, passt da was nicht zusammen. Britische Brexit-Hardliner haben bereits mit einer Sabotage- und Blockadepolitik gedroht. Eine Drohung, die man nicht ignorieren sollte. Es geht um das EU-Budget, um die Wahl eines neuen Kommissionspräsidenten und um wichtige Richtungsentscheidungen für ein Europa in Zeiten von Trumps „America First“ und Chinas Weltmachtambitionen. Europa darf das britische Brexit-Chaos nicht importieren, das unerträgliche Zocken im Brexit-Drama muss ein Ende finden. Sonst ist es mit der Glaubwürdigkleit vorbei.

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