Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 12. April 2019. Von MANFRED MITTERWACHAUER. „Wunderbar wandelbar“.

Innsbruck (OTS) Das Innsbrucker Stadtrecht verkommt zur beliebigen Spielwiese der Politik. Unter dem Deckmantel von Regierbarkeit und Beteiligungsausbau errichten die Viererkoalition plus die oppositionelle FPÖ neue demokratische Hürden.

Dass Georg Willi der erste grüne Bürgermeister einer Landeshauptstadt ist, hat auch damit zu tun, dass in Innsbruck das politische Oberhaupt direkt vom Volk gewählt wird. Eine große Stadtrechtsreform ermöglichte diese demokratische Weiterentwicklung 2012. Die Bürgermeisterdirektwahl war Kern und Anlass dieser Reform zugleich. Eine Novelle, die an Kinderkrankheiten nicht arm war. Ein Reparaturversuch scheiterte 2016 nicht an der hierfür nötigen Zweidrittelmehrheit im Gemeinderat, sondern am Paragrafen-Kleinkrieg zwischen Land- und Rathaus.
2018 warf die Gemeinderatswahl die Machtverhältnisse in Innsbruck über den Haufen. Jetzt, ein Jahr später, legen Grüne, FI, SPÖ, ÖVP und die oppositionelle FPÖ einen neuen Stadtrechtsentwurf vor: die Evolution des 2016er-Entwurfs. Einer, der in der politischen Blindverkostung kaum je den Grünen zugeschrieben würde.
Bis dato nie Thema, wird jetzt eine Vier-Prozent-Hürde für den Einzug in den Gemeinderat eingebaut. Derzufolge hätten bei der Wahl 2018 Liste Fritz, ALI und Gerechtes Innsbruck den Einzug nicht geschafft. Den Seniorenbund hätte nur die Koppelung an das Mutterschiff ÖVP gerettet. Solche Hürden gibt es auch auf Landes- wie Bundesebene, sie sind also per se nichts Ungewöhnliches. Und doch wird sie kleineren Wahlgruppierungen jetzt das Leben schwerer machen. Zehn Fraktionen sitzen derzeit im Gemeinderat, so viele wie nie. Handlungsfähig ist er trotz allem – das „Regierbarkeits“-Argument der Reformbefürworter also durchschaubar.
Innsbruck ist für „Schattenregierungen“ zu klein. Dass den Stadtteilausschüssen jetzt aber ein grüner Bürgermeister den Todesstoß gibt, gleicht einem politischen Treppenwitz. Niederschwelligere Petitionen sollen das Fehlen ausgleichen – diese fanden sich jedoch bereits im 2016er-Entwurf. Damals aber zusammen mit der möglichen Bildung von 19 Stadtteilausschüssen! Der Blick auf die Genese der Novelle entzaubert in diesem Punkt den Beteiligungsausbau als Mär.
Die Senatsgröße ist weiter flexibel, das Koppeln bleibt – auch hier waren Grüne, SPÖ und FI schon anderer Meinung. Dass die Umsetzung einer Bürgerinitiative realpolitisch chancenlos ist, hat die Patscherkofel-Abstimmung gezeigt. Jetzt sollen auch noch deren Einstiegshürden steigen.
Das Innsbrucker Stadtrecht ist zur beliebigen Spielwiese der Politik verkommen. Man dreht und wendet dieses demokratische Fundament, wie man es gerade braucht. Davor schützt offenbar auch die nötige Zweidrittelmehrheit nicht mehr.

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