Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 12. Februar 2021. Von CARMEN BAUMGARTNER-PÖTZ. „Ohne Zuckerbrot geht es nicht“.

Innsbruck (OTS) Nach einem knappen Jahr Pandemie sehnen sich die Menschen nach mehr Freiheit. Gießkannenartig zu testen hat unbestritten einiges an Fehlerpotenzial, aber es ermöglicht ein bisschen Leben.

Du glückliches Österreich, teste! Wenn’s schon mit dem Impfen nicht so ganz nach Plan funktioniert, dann wenigstens in den Teststraßen, Apotheken und Bildungseinrichtungen des Landes. Die Zahlen der vergangenen Tage sind ziemlich beeindruckend: Seit den Lockdown-Lockerungen und dem Schulbeginn im Osten am Montag wurden über eine Million Tests von den Bundesländern an den Krisenstab gemeldet – knapp elf Millionen sind es seit Beginn der Pandemie gewesen. Ein Elftel vom Gesamtaufkommen also alleine in fünf Tagen:
weil man mehr oder weniger muss, wenn man etwas möchte, sei es zum Friseur, zur Massage oder in die Schule zu gehen. Wie sich im ganzen Land zeigt, ist ein besonders breitflächiges Testangebot die halbe Miete. Bald kennt jeder jemanden, der mindestens einmal pro Woche ein Staberl in der Nase hat, gurgelt oder spuckt.
Man erinnere sich an den etwas holprigen Start und die weitere Genese: Anfang Dezember war der Andrang zu den ersten Massentests noch eher mau. Zu unklar war, wohin die Reise gehen soll. Kurz vor Weihnachten stieg die Nachfrage sprunghaft und extrem – da war nicht der Friseur, sondern ein möglichst sicheres Fest der Hauptmotivationsgrund, seinen Status zu kennen.
Freilich, das System des gießkannenartigen statt punktuellen Testens hat seine Tücken. Nicht alle Infektionen werden mit Antigen-Tests erkannt, vor allem nicht bei asymptomatischen Personen. Falsch-positive Tests erfordern zusätzliche Abklärung per PCR. Trotzdem: Viel und regelmäßig zu testen ermöglicht Teilhabe am Leben, auch wenn es immer noch ein massiv eingeschränktes ist. Eigen- bzw. gesamtgesellschaftliche Verantwortung zu betonen und entsprechendes Verhalten einzufordern ist nach einem Jahr Pandemie ganz offensichtlich nicht genug. Ein neuer Haarschnitt oder ein (halbwegs) unbeschwerter Indoor-Tag mit Freunden kann ein weitaus vielversprechender Anreiz sein. Das muss man nicht toll finden, aber das Zuckerbrot-sonst-Peitsche-Prinzip entspricht vermutlich eher der Natur des hedonistisch veranlagten Menschen. Darauf kann man aufbauen – Stichwort Wohnzimmertests oder Wochenend-Lockdowns (wie in Wien angedacht) als möglicher nächster Schritt. Im Corona-Marathon muss es ein Zwischenziel sein, eine Balance zwischen notwendiger Sicherheit und maximaler Freiheit zu finden. Damit uns allen nicht auf den nächsten Etappen die Luft ausgeht.

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