Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 2. Jänner 2019. Von MICHAEL SPRENGER. „Brüssel im Visier“.

Innsbruck (OTS) Die kommenden Monate werden von dem Blick auf die Europawahlen bestimmt. Ein Rechtsruck wird befürchtet. Doch dieser hat sich in vielen nationalen Parlamenten längst vollzogen. Beides ist eine Bedrohung für Europa.

Mit Blick auf die Europawahlen mehren sich dieser Tage die Wortmeldungen mit pessimistischem Gleichklang: Nationalistische und weit rechts stehende populistische Parteien bedrohen die Zukunft der Europäischen Union.
Mit der Migrationskrise erhielten eben diese Parteien enormen Aufwind. Jetzt haben sie Brüssel im Visier. Auch wenn nicht alle in einen Topf zu werfen sind, zeichnen sie sich durch Gemeinsamkeiten aus: Ihre Politik baut auf den Säulen der Ausländerfeindlichkeit und Europa­skepsis auf – die Unterschiede sind im Ausmaß ihrer Niedertracht auszumachen.
Immer öfter dienen rechtspopulistische und rechtsnationale Parteien als Mehrheitsbeschaffer für konservative Parteien. Oder rechtskonservative Parteien wie „Recht und Gerechtigkeit“ in Polen saugen alles Rechtsnationale auf. Die immer noch in den Europäischen Volksparteien beheimatete Fidesz des Viktor Orbán redet überhaupt der illiberalen Demokratie das Wort. In Italien haben nach der Zertrümmerung der Volksparteien gleich Populisten und Rechtsextreme die Macht übernommen.
Es gibt nahezu kein Land mehr in der Union, welches nicht vom nationalistischen Virus befallen ist. Nicht die oft so gehuldigten skandinavischen Länder, nicht einmal Deutschland. Der Aufstieg der AfD ist alarmierend, glaubte man doch, dass Deutschland (anders als Österreich) seine Lektion gelernt hat. Viele Mahner, die einen Rechtsruck im Europaparlament befürchten, erkennen, was auf dem Spiel steht – nichts weniger als die Zukunft Europas. Doch was ist von jenen Stimmen etwa aus der ÖVP zu halten, die ihre Betroffenheit über den zu erwartenden europäischen Erfolg der Rechten zum Ausdruck bringen, aber in den nationalen Parlamenten mit den Rechten eine Koalition bilden? Kann man dies anders als Heuchelei bezeichnen?
Es kann sein, dass man den drohenden Rechtsruck im Europaparlament bewusst zuspitzt und mit grellen Farben an die Wand malt, um für die Volksparteien einen Rückenwind zu erzeugen. Das wäre wahltaktisch durchaus nachvollziehbar.
Perfid ist dies alles nur, weil gleichzeitig keine Idee über die Weiterentwicklung Europas vorhanden ist. Zugleich werden in vielen nationalen Parlamenten die Weichen schrittweise hin zu einer Postdemokratie gestellt. Somit ist das Projekt Europa auch dann in Gefahr, wenn die Rechten im Mai keine Triumphe feiern.

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