Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 20. Juni 2017. Von KARIN LEITNER. „Kleinster ideologischer Nenner“.

Innsbruck (OTS) - Zwei Jahre lang ist an einer Schulautonomie-Reform gebastelt worden. Nun liegt sie vor. „Bildungswende“ bringt sie keine; sie ist ein Minimal-Kompromiss. Und das ist ob der politischen Verfasstheit des Landes schon viel.

Kaum ein Thema ist so ideologiebehaftet wie die Bildung. Die Vorstellungen von SPÖ und ÖVP, was schulpolitisch nötig ist, gehen seit jeher weit auseinander.
Festmachen lässt sich das am Terminus „Gesamtschule“: Was für die Roten gleiche Chancen für alle Kinder bedeutet, ist für viele Schwarze „Einheitsbrei“, Gleichmacherei. Zusätzlich erschwert wird selbst ein Minimal-Konsens durch die ÖVP-dominierte Lehrergewerkschaft, die auch reformwillige Parteifreunde immer wieder bremst. Ist, wie im aktuellen Fall, auch noch eine Zweidrittelmehrheit im Parlament vonnöten, also das Ja von Blau oder Grün, scheinen Neuerungen aussichtslos zu sein.
Mit Ach und Weh, nach unzähligen Verhandlungsrunden und Taktiererei aller Protagonisten, bringen die Noch-Koalitionspartner nun doch eine Reform zustande. Daran, unter welchen Bedingungen es eine „Modellregion“ für die Gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen geben soll, hat es sich zuletzt gespießt.
Den Handschlag mit den Ökos gab es gestern – kurz vor der von den NEOS beantragten Nationalratssondersitzung zur Causa. Eine „Chronologie des Scheiterns“ war – wahlkampfgerecht – auf der Agenda von Pinken-Boss Matthias Strolz gestanden. Als Versager vorführen wollte er die Regierenden. Umso stolzer präsentierten Kanzler und Co die Einigung. Auch als Beleg dafür, dass Rot und Schwarz trotz Scheidungsverfahren imstande sind, inhaltlich etwas weiterzubringen. Dass es keine „Bildungswende“, sondern grosso modo eine „Schulverwaltungsreform“ ist, wie Strolz befundet, stimmt. Dass nach wie vor nicht Schluss ist mit parteipolitischem Einfluss, ist ebenso richtig. Nur: Was hat er sich erhofft angesichts dreier Player, deren Interessen unterschiedlich sind? „Wir wollen das Beste für unsere Kinder“ ist ein Stehsatz aus Sonntagsreden von Vertretern aller Couleurs, gegen den sich niemand verwahrt. Was das Beste ist, darüber scheiden sich die parteipolitischen Geister. Epochales ist da nicht zu erwarten.
„Fortschritt“ nennt Christian Kern das, worauf sich SPÖ, ÖVP und Grüne nun verständigt haben. In einem Land, in dem es ständig politischen Stillstand zu beklagen gibt, ist es tatsächlich einer. Der gelernte Österreicher ist bescheiden geworden. Angesichts von Machtgetauche, Haxelstellerei und Junktimierung muss man sich über Kompromisse freuen – und sind sie noch so klein.

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