Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 24. Juli 2018. Von FLORIAN MADL. „Jetzt wird abgerechnet!“

Innsbruck (OTS) Fußball-Nationalspieler Mesut Özil trat aus dem Nationalteam zurück und stellte Rassismus in den Raum. Ein Täter beansprucht den Opfer-Status für sich, die Öffentlichkeit schwankt zwischen ungezügeltem Frustabbau und Mitleid.

Was Mesut Özil mit seiner jüngsten Abrechnung bezweckte, wissen wohl nur der Fußball-Weltmeister und sein Management. Das Sündenbock-Monopol für sich zu beanspruchen, riecht nach Opfer-Täter-Umkehr, denn schließlich war es der 29-Jährige selbst, der dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit einem gemeinsamen Foto den roten Teppich ausgerollt hatte und ihm damit eine Bühne im politfreien Sport gewährte. Da reichte nicht einmal der fragwürdige Torjubel der Schweizer Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri heran, die im WM-Spiel gegen Serbien den albanischen Doppeladler gestikulierten. Eine personenbezogene Äußerung, noch dazu in Zeiten des Wahlkampfs, lässt sich auch nicht durch die Amtswürde des Präsidenten rechtfertigen. Im Nachgang deutsche Medien zu attackieren, während die Türkei in der Rangliste der Pressefreiheit auf Rang 155 rangiert (Jahr 2017), entbehrt nicht eines gewissen Maßes an Pikanterie. Viel schlimmer: der Versuch, mit der Argumentationskeule Rassismus den Fußball zu diskreditieren. Schließlich stellt diese globale Freizeitbeschäftigung mit all ihren Facetten ein Friedensprojekt dar.
Das Echo ließ nicht lange auf sich warten, aus dem Mund des ehemaligen Steuersünders Uli Hoeneß mischten sich kürzlich sportliche Argumente ins Potpourri aus Ärger und Wut. Der deutsche Volkszorn entlud sich nach dem vorzeitigen Ausscheiden bei der Fußball-WM in Russland mit etwas Zeitverzögerung.
Nach Özils unverzeihlichem Verbal-Ausritt vor über 20 Millionen Twitter-Trittbrettfahrern passiert, was in den meisten öffentlichen Debatten der Fall ist: Sie schrammen am Thema vorbei, verlieren angesichts überbordender Emotionen an Substanz, die sinnvolle Auseinandersetzung mit gesellschaftsrelevanten Themen geht in teils entbehrlichen Wortspenden rivalisierender Lager unter. Wie das aussieht, erlebte Österreichs Sportszene kürzlich in der von Ex-Skirennläuferin Nicola Werdenigg ausgelösten Diskussion zum Thema #metoo: Ein mediales Pingpong über rechtliche Konsequenzen und Enthüllungen entsponn sich, Sensibilisierung und Opferschutz gerieten mit einem Mal in den Hintergrund. Im Fall Özil wird eine Abrüstung der Worte ebenso wenig stattfinden wie ein Abschiedsspiel für den verdienten Kicker. Und in Erdogans Lager wird sich wohl mancher die Hände reiben, was allein eine bildlich festgehaltene Trikotübergabe im Land von Kanzlerin Angela Merkel so alles auszulösen vermag und wie sie im Gegenzug sogar die eigene Identität stärkt.

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