Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 25. März 2021. Von Floo Weißmann. „Wiedersehen mit König Bibi“.

Innsbruck (OTS) Benjamin Netanjahus größtes Verdienst an Israel wäre es, die politische Bühne freiwillig zu verlassen. Aber das wird nicht passieren. Stattdessen hemmt der Konflikt um seine Person die Regierungsbildung.

Als die Israelis gestern am Tag nach der vierten Parlamentswahl binnen zwei Jahren aufwachten, erlebten sie ein Déjà-vu. Wieder herrscht allem Anschein nach ein politisches Patt zwischen Anhängern und Gegnern des polarisierenden Ministerpräsidenten Benjamin „Bibi“ Netanjahu. Wieder werden beide Lager auf politischen Basaren darum feilschen, Parteien in eine Koalition zu zwängen, die kaum zusammenpassen. Wieder bleibt vorerst völlig offen, ob Netanjahu weiterregieren kann oder nicht – wobei es ihm bisher stets gelungen ist. Und wieder wird schon am Tag nach der Wahl vom nächsten Urnengang gemunkelt.
Die politische Misere bildet Israels gesellschaftliche Vielfalt und die vielen Bruchlinien in dieser Gesellschaft ab: links gegen rechts; religiös gegen säkular; Nationalisten gegen jene, die noch an einen Ausgleich mit den Palästinensern glauben; die jüdische Mehrheitsbevölkerung gegen die arabische Minderheit; und dazu die Spannungen zwischen Israelis mit westeuropäischem, osteuropäischem oder orientalischem Hintergrund. Die Vorzeigedemokratie des Nahen Ostens mit ihren wirtschaftlichen und technologischen Erfolgen ist ein kaum regierbarer Fleckerlteppich von Partikularinteressen.
Dazu kommt die Zersplitterung der politischen Lager. Die Linke hat ihr politisches Kapital in den Friedensprozess mit den Palästinensern investiert. Seit dieser zusammengebrochen ist, sucht sie ihre Bestimmung und Identität. Die Rechte dominiert insgesamt, aber sie ist von persönlichen Animositäten zerfurcht. Das hat wesentlich mit Netanjahu zu tun. Der Populist und Machttaktiker hat mit seinen Ränkespielen und Privatinteressen im Laufe der Jahre viele Partner verprellt.
Selbst wenn er diesmal doch ins politische Aus befördert werden sollte, haben Israel und die gesamte Region auf absehbare Zeit mit seinem politischen Vermächtnis zu kämpfen. Das reicht von inneren Konflikten, die er ungeniert befeuert hat, über einen Reformstau bis zur weiterhin ungelösten Palästinenserfrage.
Netanjahus größtes Verdienst an seinem Land wäre es, die politische Bühne zu verlassen und den Weg frei zu machen für eine relativ stabile Koalition von der Mitte bis weit rechts. Aber das wird nicht passieren. Es widerspräche seinem Selbstbild als Erbauer eines modernen Groß-Israel sowie den persönlichen Bedürfnissen in der Dauerfehde gegen die Justiz. Das ist der zentrale Bestandteil des Déjà-vu: Auch nach dieser Wahl dreht sich weiterhin alles um „König Bibi“.

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