Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 31. Dezember 2020. Von Floo Weißmann. „Schadensbegrenzung“.

Innsbruck (OTS) Ein harter Brexit ist vorerst abgewendet, aber es bleibt noch viel zu klären. Vier Jahre nach dem Brexit-Referendum hatten die Vertreter der „Mir san mir“-Mentalität in der internationalen Politik eine Begegnung mit der Realität.

Die Freude über das Weihnachtsgeschenk, das Großbritannien und die Europäische Union einander gemacht haben, dürfte sich allseits in Grenzen halten. Zwar kann der Vertrag über die zukünftigen Beziehungen mit den gestrigen Unterschriften rechtzeitig in Kraft treten. Damit ist das schlimmste aller Brexit-Szenarien abgewendet. Aber das Kräftemessen zwischen beiden Seiten geht schon bald in die nächsten Runden.
Der Brexit bedeutet einen Schaden für alle, auch wenn der britische Premier eine glorreiche Zukunft verheißt. Das Abkommen kann nur den Schaden begrenzen. Dass es überhaupt und quasi in letzter Minute zustande gekommen ist, dokumentiert den politischen Willen auf beiden Seiten, einen völligen Bruch zu vermeiden.
Aber selbst mit dem Vertrag kommt es ab morgen zu Handelshemmnissen und Unsicherheiten. Viele Details sind noch zu klären. Der für Großbritannien wichtige Finanzsektor bleibt vorerst ausgeklammert – was einen diplomatischen Hebel für die EU bedeutet. Der symbolisch aufgeladene Streit um die Fischereirechte ist um nur ein paar Jahre vertagt. Und man kann sich ausmalen, wie London und Brüssel in Zukunft darüber streiten, ob die Klauseln für fairen Wettbewerb eingehalten wurden. Das kann bis zu Sanktionen reichen.
In den Verhandlungen zwischen den Hauptstädten und der Kommission wurde das EU-Parlament – die gewählte Volksvertretung der Europäer – quasi ausgebootet. Zwar wird es den Deal nachträglich prüfen, aber es kann ihn kaum platzen lassen. Ob und in welcher Form sich die Abgeordneten revanchieren, bleibt abzuwarten.
Auf der Haben-Seite steht, dass die Vertreter der „Mir san mir“-Mentalität in der internationalen Politik eine Begegnung mit der Realität hatten. Vier Jahre nach dem Austrittsreferendum mussten die Brexiteers hinnehmen, dass die Souveränität in einer globalisierten Welt begrenzt bleibt und dass Großbritannien nicht alle Vorteile eines Klubs genießen kann, den es verlassen hat. Dazu passt, dass der im selben Jahr gewählte US-Präsident Donald Trump – ein geistiger Verwandter der Brexiteers – mit seinem Kampf gegen die Realität ebenfalls gescheitert ist. Ihm folgt mit Joe Biden ein Anhänger der europäischen Idee.
Auf der Haben-Seite steht auch, dass die Europäische Union sich jetzt neuen Projekten zuwenden kann. Das betrifft vor allem den Wiederaufbau nach der Pandemie. Dabei helfen sollen ein Hilfspaket und neue Finanzkonstruktionen, denen Großbritannien wahrscheinlich nicht zugestimmt hätte.

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