Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 31. März 2017. Von MARIO ZENHÄUSERN. „Maut zwingt EU zum Offenbarungseid“.

Innsbruck (OTS) - Eine Klage gegen die von Bayern erzwungene Ausländer-Maut in Deutschland verspricht Erfolg. Brüssel hat die Wahl zwischen der Unterstützung einer nicht EU-konformen Regelung und dem Festhalten an Prinzipien einer Gemeinschaft.

Einer Vertragsverletzungsklage gegen Deutschland vor dem EuGH kommt begründete Aussicht auf Erfolg zu.“ Dieser zentrale Satz im Gutachten des Innsbrucker Europarechtlers Walter Obwexer dürfte der Europäischen Union in ihrer Gesamtheit und EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc im Besonderen bald mehr Probleme bereiten, als den Betroffenen lieb ist. Wie nicht anders zu erwarten, bewertet der Rechtswissenschafter die Maut-Pläne der deutschen Bundesregierung nämlich als „indirekte Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit“. Anders gesagt: Die deutsche Ausländer-Maut widerspricht geltendem EU-Recht. Bekanntlich zielt das deutsche Mautmodell darauf ab, nur ausländische Fahrzeughalter zur Kassa zu bitten, indem deutschen Verkehrsteilnehmern die Maut im Zuge einer Senkung der Kfz-Steuer refundiert wird. Bulc hatte dem Vorschlag im Dezember des Vorjahres zugestimmt, in der Folge setzte die EU-Kommission das angekündigte Vertragsverletzungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof aus.
Das Obwexer-Gutachten bringt die EU in eine Zwickmühle. Brüssel muss sich entscheiden zwischen der Weiterverfolgung der Aufsichtsklage gegen Deutschland und dem Festhalten an der Stillhalte-Vereinbarung mit Berlin. Eine Entscheidung mit Tragweite: Bei der Fortführung der Klage stellt sich die EU gegen das einflussreichste Mitglied der Staatengemeinschaft, im anderen Fall riskiert sie nicht nur eine – laut Obwexer erfolgversprechende – Klage durch Österreich, sondern dokumentiert auch, dass es in Europa Gleiche und Gleichere gibt; dass es Mitgliedstaaten gibt, die geltendes EU-Recht sanktionslos verletzen dürfen. Ein verheerendes Signal für den Fortbestand einer Gemeinschaft, die gerade ihren 60. Geburtstag gefeiert und erst zu diesem Anlass ihre Einheit beschworen hat. „Wir werden die Europäische Union durch noch mehr Einheit und Solidarität untereinander und die Achtung gemeinsamer Regeln stärker und widerstandsfähiger machen“, heißt es am Schluss der beim Festakt von allen Regierungschefs und der EU-Spitze unterzeichneten „Erklärung von Rom“. Sätze wie diese klingen plötzlich hohl und inhaltsleer, wenn Einzelne die Regeln machen und alle anderen sich daran halten sollen.
Für die EU-Spitze ist die Entscheidung über die deutschen Mautpläne ein Offenbarungseid. Wer Werte wie Rechtsstaatlichkeit und Nichtdiskriminierung lebt, kann und darf einem Gesetz, das nur „die anderen“ betrifft, nicht zustimmen.

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