Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 31. Mai 2019. Von MICHAEL SPRENGER. „Die Vertrauensregierung“.

Innsbruck (OTS) Der Bundespräsident hat rasch die Weichen gestellt, um die politische Krise zu beenden. In seiner Rede an die Österreicher findet er dabei einen unaufgeregten Ton. Alexander Van der Bellen wird so zum modernen Grillparzer.

Viele sahen sich zuletzt dazu berufen, eine Staatskrise auszurufen. Politische Entscheidungsträger sind dabei dem Alarmismus verfallen. Volksvertreter wurden gegen die Volksmeinung ausgespielt. Doch von alldem hat sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen nicht anstecken lassen. Er mahnt und appelliert an die Parteien, wenn er es für notwendig erachtet. Zugleich findet er unaufgeregte Worte, wenn er sich an die Bevölkerung wendet: „Wir kriegen das schon hin.“ Mit einer väterlich anmutenden Art verwies er immerzu auf die Bundesverfassung, die als Anleitung dient, um die Republik wieder aus dem politischen Durcheinandertal zu führen. Wenn auf der einen Seite der Inhalt des Ibiza-Videos verstörte und eine politische Kettenreaktion auslöste, vom Ende der rechtskonservativen Regierung bis zum Misstrauensvotum, setzt der Bundespräsident auf der anderen Seite auf zielstrebige Gelassenheit.
„Es ist in gutes Land.“ Mit diesen Worten beginnt in Franz Grillparzers „König Ottokars Glück und Ende“ jene Rede auf Österreich, die so viele Schüler auswendig lernen mussten. Heutzutage klingt dieses „O gutes Land! O Vaterland“ wie aus der Welt gefallen. Doch der dort beschworene „klare Blick, der off’ne, richt’ge Sinn“:
Van der Bellen hat ihm einen neuen Inhalt gegeben.
In nur drei Tagen nach der Abwahl der Minderheitsregierung durch eine Parlamentsmehrheit stellte der Bundespräsident die entscheidende Weiche für den Neuanfang. Er nennt die Übergangsregierung nicht technokratisch „Expertenkabinett“, sondern beruhigend „Vertrauensregierung“. Doch damit nicht genug. Der frühere Chef der Grünen macht die liberalkonservative Brigitte Bierlein zur ersten Bundeskanzlerin der Republik. Dass das Staatsoberhaupt die bisherige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes zur Kanzlerin angeloben wird und eben keinen Ex-Politiker oder Beamten mit einer ausgeprägten EU-Expertise, ist als klares Zeichen zu interpretieren, um Innenpolitik und Gesellschaft zu beruhigen. Van der Bellens Kalkül geht vorerst auf. Alle Parteichefs begrüßen seine Entscheidung. Der Bundespräsident konnte so in imperialem Ambiente wieder ein bisserl Grillparzer sein. Möge doch „das Bild eines sympathischen und im besten Sinne selbstbewussten Österreichs im Herzen Europas“ wiederhergestellt werden. Denn was wir derzeit erleben, ist, so sagte es Van der Bellen, „starke Demokratie“.

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