Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 6. Juni 2018. Von MARIO ZENHÄUSERN. „Billige Effekthascherei“.

Innsbruck (OTS) Die Zahl der aufgegriffenen Flüchtlinge ist europaweit stark rückläufig. Trotzdem verstärken Deutschland und Öster­reich die Grenzkontrollen, während Tausende Menschen seit Jahren auf die Behandlung ihres Asylantrags warten.

Die Zahl jener Menschen, die nach wie vor versuchen, illegal die Staatsgrenzen am Brenner beziehungsweise zwischen Tirol und Bayern zu überqueren, ist rückläufig. In den ersten vier Monaten schnappten bayerische Polizisten 3800 Illegale, 2017 waren es noch mehr als 4800 gewesen. Das gleiche Bild in Tirol, wo die Aufgriffe von 3000 auf 2300 sanken. Am stärksten ist der Rückgang, zumindest was die Faktenlage anbelangt, im Zugverkehr: Fischten Polizei und Bundesheer in Tirol im Jänner 2018 noch 65 Personen aus Güterzügen, so sank diese Zahl im April auf fünf und Mai auf zwei.
Anhand dieser objektiven Zahlen möchte man meinen, die österreichischen und deutschen Behörden würden die Kontrolldichte am Brenner und entlang der österreichisch-bayerischen Grenze zurückfahren. Aber weit gefehlt. Die beiden Länder verstärken die Kontrollen und wollen dem (Güter-)Zugverkehr in Zukunft besonderes Augenmerk schenken.
Nun ist es natürlich richtig und wichtig, illegale Migration so weit als möglich zu verhindern. Die zu diesem Zweck eingeführten Grenzkontrollen wirken prophylaktisch und schaffen die Möglichkeit, Asylwerber bereits beim Betreten des Landes zu registrieren. Es gibt genügend Argumente für die Rechtfertigung dieser Vorgangsweise. Wer aber mit einem stärkeren Aufgebot an Beamten auf einen – zumindest derzeit – schwächeren Ansturm legaler und illegaler Migranten reagiert, darf sich nicht wundern, wenn die Öffentlichkeit das missbilligend in die Kategorie Geldverschwendung oder billige Effekthascherei einordnet.
Dies umso mehr, als Personal und Geld an anderer Stelle bitter fehlen. Bei der Bearbeitung von Asylanträgen zum Beispiel. Noch immer leben in Österreich Tausende Menschen, die bereits 2015 im Rahmen der Flüchtlingswelle ins Land kamen, aber noch nicht einmal ein Erstgespräch zur Abklärung ihrer Asylberechtigung hatten. Noch immer stapeln sich in den Bundes­asylämtern zu viele Fälle bei zu wenigen Beamten. Noch immer schaffen deshalb zu viele Asylwerber durch ihr Verhalten, durch ihre Bereitschaft zur Integration und zum Erlernen der deutschen Sprache die Voraussetzung für ein zumindest moralisches Bleiberecht, ohne dass sie es erhalten.
Diese Ignoranz den Betroffenen gegenüber ist unmenschlich und prolongiert Leid unnötig. Eine rasche Lösung des Problems ist aber nicht in Sicht, weil Europas aufstrebende Rechte nach wie vor jede Asylpolitik, die diesen Namen auch verdient, verhindert.

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