Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 8. Mai 2021. Von WOLFGANG SABLATNIG. „Keine Macht ohne Kontrolle“.

Innsbruck (OTS) Die Verfassung bietet Regierenden und Opposition ein ausgeklügeltes System: Macht ist kein Selbstzweck. Rund um den Ibiza-Untersuchungsausschuss schaukeln sich die Parteien immer weiter hoch.

Die Verfassung überlässt es dem Bundespräsidenten, wie er einen Auftrag des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) umsetzt. Alexander Van der Bellen wählte die Exekution per Telefon. Ein Anruf bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) veranlasste diesen, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss die gewünschten Unterlagen liefern zu lassen. Die Kopien waren vorbereitet. Dann spielte der Zufall mit und es gab sogar Fernsehbilder von der Anlieferung der 204 Aktenordner ins Parlament.
Und jetzt? Die nächste Auseinandersetzung dreht sich darum, ob die Unterlagen als geheim eingestuft bleiben oder nicht. Blümel und seine Mitarbeiter begründen ihre Zurückhaltung offiziell mit dem Datenschutz. Ihr Handeln passt aber ins türkise Bild: Sie legen dem U-Ausschuss nur offen, was sie unbedingt müssen. Zusammenarbeit im Sinne einer vollständigen Aufklärung? Fehlanzeige. ÖVP-Ausschussmitglied Hanger sagt immer und immer wieder, was er von dem Gremium hält: nichts.
Auch das Bundeskanzleramt von Sebastian Kurz (ÖVP) ist in Abwehrhaltung. Der VfGH könnte neuerlich eine Rolle spielen: Die Richter beraten derzeit, ob das Kanzleramt aus der Zeit der Regierung Kurz I ausreichend Daten geliefert hat.
Die Türkisen lehnen den Ausschuss ab, weil er die Erzählung einer „neuen Politik“ unter Kurz erschüttert. Im Zentrum des Gremiums steht schon lange nicht mehr der Ibiza-Hauptdarsteller Heinz-Christian Strache, sondern Kurz, sein Umfeld und sein Stil. Jede E-Mail, jeder Chat, die der Ausschuss geliefert bekommt, könnte da neues Ungemach bedeuten.
Die Opposition nutzt das genüsslich aus. SPÖ, NEOS und FPÖ ziehen das Resümee eines Ausschusstages bei Bedarf schon, bevor eine Auskunftsperson das erste Wort gesprochen hat. Die Befragung dient dann nur mehr der Bestätigung der Vorwürfe.
Politik zum Abgewöhnen? Leider ja. Umso mehr, wenn sich die Auseinandersetzungen bis zum Ende der Ibiza-Befragungen im Juli weiter hochschaukeln.
Die möglichen Folgen sind aber weitreichender als das Seifenopern-Niveau vieler Chat-Nachrichten. Es geht um Respekt: Nicht jeder Regierungspolitiker ist ein korrupter Machtmensch. Und nicht jeder Oppositionspolitiker ist nur auf Kritik um der Kritik willen aus.
Vor allem geht es aber darum, die Institutionen dieser Republik nicht zu beschädigen. Die Verfassung bietet ein ausgeklügeltes System:
Macht ist kein Selbstzweck. Wer Macht hat, muss sich auch der Kontrolle unterwerfen.

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