TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Dem Einblick müssen Taten folgen“, von Wolfgang Sablatnig

Ausgabe vom Donnerstag, 25. Juni 2020

Innsbruck (OTS) Bundeskanzler Sebastian Kurz ließ im Ibiza-Untersuchungsausschuss Fragen und Angriffe der Opposition an sich abperlen. Dennoch hat selten ein Regierungschef so offen über die Aufteilung der Republik gesprochen.

Der Abschluss der Befragung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Ibiza-Untersuchungsausschuss war symptomatisch. SPÖ-Mann Kai Jan Krainer fragte gerade nach, was ein Raiffeisen-Banker bei einem Treffen mit Kammervertretern wollte, da schnitt ihm Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) das Wort ab. Die Befragungszeit sei erreicht. Schluss. Aus. Ende.
Zuvor hatten die Abgeordneten fast fünf Stunden versucht, Kurz festzunageln. Sie verfolgten ihn bis auf den Balkon seiner Privatwohnung, zu Rauchpausen des damaligen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache während Strategiesitzungen der türkis-blauen Koalitionsspitze. Wurden dort Personaldeals geschlossen?
Die Hoffnung der Opposition, mit Kurz käuflicher Politik in der Zeit der türkis-blauen Koalition auf die Spur zu kommen, erfüllte sich nicht. Kurz ließ viele Fragen an sich abperlen. Zu diesem und jenem Vorgang habe er keine Wahrnehmung. Er führe viele Gespräche. Die Regierung treffe viele Personalentscheidungen. Hunderte. Das war immer so. Und das sei auch jetzt mit den Grünen so. Warum spendeten Menschen und Firmen Hunderttausende Euro an die ÖVP? „Weil sie bürgerliche Politik unterstützen wollen.“
Zu erwartbar waren die Fragen, um Kurz aus dem Konzept zu bringen. Zu sehr verfolgten die Abgeordneten der Opposition, jede und jeder Einzelne, ihre eigenen Ziele, statt gemeinsam zu handeln.
Und wenn es doch unangenehm zu werden drohte, drehte Kurz den Spieß um und versuchte schnippisch den Gegenangriff. Oder er verließ sich auf seine Parteifreunde, die mit einer Wortmeldung „zur Geschäftsordnung“ jede Frage-Dramaturgie störten. Sobotka als Vorsitzendem des Ausschusses gelang es kaum, Ruhe und Struktur in die Debatte zu bringen. Kritik an seiner Vorsitzführung ist ein Dauerbrenner im Untersuchungsgremium.
Dennoch bleibt eine Erkenntnis: Selten hat ein Regierungschef so offen darüber gesprochen, wie sich Koalitionsparteien die Republik aufteilen und Posten in Management und Aufsichtsräten vergeben. Vertrauen hier, Kontrolle da – natürlich nur bei ausreichender Qualifikation, wie Kurz beteuert, und schon gar nicht im Zusammenhang mit illegalen Zuwendungen.
Dieser Einblick in den Alltag einer Koalition kann für aufmerksame Beobachter und Kenner des Landes nicht neu gewesen sein. Jetzt, wo es ausgesprochen ist, wäre es aber an der Zeit, für mehr Transparenz zu sorgen.

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