TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Der Brenner ist wieder dicht“, von Peter Nindler

Ausgabe vom Freitag, 4. Dezember 2020

Innsbruck (OTS) Mit den Reisebeschränkungen einzelner EU-Länder in den Weihnachtsfeiertagen wegen der Corona-Krise präsentiert sich Europa neuerlich als Fleckerlteppich. Trotz Ausnahmeregelungen fällt damit ein weiteres Mal der Grenzbalken am Brenner.

Die rot-weiß-rote Corona-Ampel wurde schon zu Beginn von Reisewarnungen überholt und schließlich gänzlich obsolet. Mit verschärften Einreisebeschränkungen beendeten schließlich Bayern, Italien oder Belgien auch Diskussionen über einen möglichen Wintertourismus ihrer Landsleute zu Weihnachten und zum Jahreswechsel in Österreich. Die für die Weihnachtszeit von der schwarz-grünen Bundesregierung in Wien ebenfalls angekündigten Quarantänebestimmungen nach Auslandsaufenthalten passen deshalb mustergültig in dieses Mosaik von Einzelinteressen und europäischer Kleinstaaterei.
Natürlich wird vordergründig damit argumentiert, kein zusätzliches Ansteckungsrisiko ins eigene Land zu importieren. Hinter den „gesundheitspolitischen“ Reisebeschränkungen verstecken sich allerdings knallharte Grenzschließungen. Nur dieser Begriff, der wegen Ausnahmen aus triftigen Gründen (Berufspendler, Studium, Besuch des Lebenspartners etc.) freilich nicht ganz richtig ist, wird trotzdem bewusst vermieden. Und in Tirol noch entschiedener. Schließlich geht ab 19. Dezember der Grenzbalken am Brenner leider wieder zu.
Bereits im Frühjahr wurde heftig darüber diskutiert und die Europaregion Tirol infrage gestellt. Denn der Brenner ist „nicht irgendeine Grenze“, sondern eine „sensible“, die die Einheit Europas symbolisiert, wie es Bundespräsident Alexander Van der Bellen unmissverständlich ausdrückt. Deshalb würden die besonderen, grenzüberschreitenden Beziehungen und die gemeinsame Geschichte Sonderregelungen bei den Reisebeschränkungen für Südtirol sicherlich rechtfertigen, aber sie müssten dann für andere Grenzregionen ebenfalls gelten. Insgesamt stellt der Brenner jedoch einmal mehr die europäische Idee bloß.
Nach Corona bleibt von ihr leider noch weniger übrig als zuvor. Die offenen Grenzen werden von den EU-Mitgliedstaaten nach Belieben ausgehebelt, weil es keinen verbindlichen europäischen Leitfaden im Umgang mit der Pandemie und den Infektionszahlen gibt. Corona hat die EU genauso mit dem Virus des Egoismus infiziert, der gleichzeitig den Handlungsspielraum in der Europaregion aufzeigt. Der Zusammenarbeit zwischen Innsbruck, Bozen und Trient werden nationale Grenzen gesetzt. Eine bittere Erkenntnis, die aber seit Jahren politische Realität ist. Flüchtlingskrise („Grenzmanagement“) oder Corona machen sie dann am Brenner endgültig sichtbar.

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