TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Der Regierungspoker ist eröffnet“, von Alois Vahrner

Ausgabe vom 21. Oktober 2017

Innsbruck (OTS) - Seit Freitag hat ÖVP-Chef Sebastian Kurz den Auftrag zur Regierungsbildung. Diese könnte sehr rasch erfolgen.

Dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit Kurz, mit dem er im Übrigen auch persönlich gut kann, den klaren Wahlsieger des letzten Sonntags mit der Regierungsbildung beauftragt, war nur Formsache. Kurz drückt jedenfalls aufs Tempo. Noch gestern traf er NEOS-Chef Matthias Strolz, bis Sonntag wird er auch mit Peter Pilz, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und SPÖ-Chef Christian Kern sondieren. Vor Weihnachten, das hat er gegenüber der TT angekündigt, solle eine neue Regierung stehen, wenn er Erster werde.
Nach wie vor sind alle drei rechnerisch möglichen Koalitionsvarianten Schwarz-Rot, Schwarz-Blau und Rot-Blau (vor einer Koalition der jeweils anderen zwei warnen alle drei Parteien ja unverdrossen weiter) auch realpolitisch noch möglich.
Derzeit scheint eine Koalition von ÖVP und FPÖ freilich klar am wahrscheinlichsten. Sie entspricht, zumal die beiden großen Wahlsieger zusammen um 13 Prozentpunkte zugelegt haben, wohl am ehesten dem Wählerwillen (so eine solche Interpretion denn möglich ist). Inhaltlich trennen ÖVP und FPÖ bei Zuwanderung, Steuern und Wirtschaftspolitik bestenfalls Nuancen. Bei der EU-Politik und der Frage der Zukunft der Kammern sowie von Volksabstimmungen (etwa über CETA) wird es für die ÖVP mit der FPÖ schon kniffliger, das würde aber gleichermaßen für Rot-Blau gelten. Bleiben Vorbehalte der Blauen gegenüber der Volkspartei seit der Allianz mit VP-Kanzler Schüssel. Das bisher kühle Verhältnis von Kurz und Strache soll jüngst bei einem „privaten“ Treffen der beiden in Straches Wohnung deutlich aufgetaut sein. Scheitern kann Schwarz-Blau eigentlich fast nur an überzogenen inhaltlichen oder personellen Forderungen einer der beiden Parteien.
Schwarz-Rot ist angesichts der heftigen Streitereien der Vergangenheit und der Schmutzwäsche im Wahlkampf nahezu undenkbar – auch, aber nicht nur wegen der sicht- und spürbaren Antipathie zwischen Kurz und SPÖ-Chef Kern. Selbst ein – derzeit nicht absehbarer – Wechsel an der SPÖ-Spitze würde am Kernproblem, dass Rot und Schwarz miteinander nicht mehr können und wollen, wohl nichts ändern. Machterhalt allein ist zu wenig.
Bliebe Rot und Blau und damit nach einst zu Recht kritisierter Schüssel-Manier die Ausbootung von Kurz: Dies würden Kern entgegen seiner Ankündigung, als Zweiter in Opposition gehen zu wollen, sowie Teile der Partei (etwa im Burgenland oder der Gewerkschaft) durchaus präferieren. Diese blaue Karte wird von maßgeblichen Teilen der SPÖ (von Wiens Michael Häupl bis zur Parteijugend) strikt abgelehnt. Ob es doch noch zu dieser Zerreißprobe kommt, liegt zuerst am Verhandlungsgeschick von Kurz.
Was auch immer kommen mag: Dem „schmutzigen Wahlkampf“ dürfe kein „schmieriger Machtkampf“ folgen, forderte Kardinal Christoph Schönborn. Und es brauche eine neue Gesprächs- und Vertrauenskultur. Dem ist im Sinne der Bevölkerung nichts hinzuzufügen.

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