TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Die Heimatschützer“, von Peter Nindler

Ausgabe vom 2. November 2018

Innsbruck (OTS) Der gesellschaftliche und soziale Ausgleich ist ein Eckpfeiler, auf dem die Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik aufbaut. Einigen Blauen geht es aber nur um Spaltung, und die christlich-soziale ÖVP schaut zu, anstatt endlich Haltung zu zeigen.

Es sind Tage des Nachdenkens, des Innehaltens, der Reflexion: 100 Jahre Republik liegen hinter uns, davor hatte sich in der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts der Erste Weltkrieg in Millionen von Massengräbern ausgebreitet. Anschließend vollstreckten sich die leidvolle Zerreißung Tirols, die Auslöschung Österreichs, das grauenhafte, von Massenmördern gelenkte Nazi-Regime, die industrialisierte Vernichtung der Juden und ein Zweiter Weltkrieg, der den Ersten in Grauen und Leid noch übertraf. Aber es folgte nach 1945 auch der Wiederaufbau der Zweiten Republik mit den Grundfesten demokratischer Strukturen in Gesellschaft und Politik. Darauf kann Österreich stolz sein, obwohl im Zeitraffer der Geschichte manch blinder Fleck übersehen wurde und heute noch wird.
Zur Pluralität gehört genauso der politische Wechsel, der Österreich mitunter sehr schwergefallen ist und uns über Jahrzehnte in eine Große Koalition gezwungen hat. Seit dem Vorjahr heißt die Realität hingegen Türkis-Blau, die Rot-Schwarz abgelöst hat. Trotz des schwarz-blauen Zwischenspiels Anfang der 2000er-Jahre zieht so ein Paradigmenwechsel dennoch über Jahre aufgestaute Zuspitzungen mit sich und nach sich. Wie jetzt beim Migrationspakt. Für oder gegen den Ausstieg aus der Vereinbarung mit den Vereinten Nationen zu sein, ist politisch legtim. Was nicht geht, ist damit Hass zu schüren und die Gesellschaft zu spalten. „Die linken Heimathasser, die es nur allzu gerne gesehen hätten, dass Österreich durch Horden misogyner Glücksritter aus archaischen Ländern überrannt wird, toben“, entrüstet sich etwa der freiheitliche Tiroler Nationalrat Peter Wurm über die Kritik daran. Gleichzeitig bezeichnet er die FPÖ als unüberwindbares Bollwerk gegen eben diese „Heimathasser“, die Österreich abschaffen wollen.
Geht’s noch? Was kommt als Nächstes? Muss es den aufgeklärten Christlich-Sozialen in der ÖVP bei solchen Äußerungen nicht sprichwörtlich den Magen umdrehen? Offenbar ist der ÖVP-Spitze aber längst die Politik des geringsten Widerstands in der Koalition mit der FPÖ wichtiger, als Haltung zu zeigen. Wer politische Vorgänge tadelt, kann deshalb bereits frank und frei zum Heimathasser abgestempelt werden. Ist das der immer wieder beschworene Kitt, mit dem die ÖVP den gesellschaftlichen und sozialen Ausgleich in Österreich bewahren möchte? Sicher nicht.
Schweigen heißt oft zustimmen. Das müsste wohl auch den Tiroler ÖVP-Granden von LH Günther Platter abwärts zu denken geben, die sich gern als Hüter der ältesten Festlanddemokratie belobigen. Gerade in diesen Tagen.

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